26.08.2018

21. Sonntag im Jahreskreis 1987

„Für wen halten die Leute den Menschensohn?“

Wie viele Menschen unserer Zeit haben es aufgegeben, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen? Sie gestalten nicht den Lauf ihrer Lebens- tage, sie lassen sie bestimmt sein von der „öffentlichen Meinung“. Sie denken ,was „man“ denkt, sie reden, was „man“ redet und sie tun, was „man“ tut.

So geben sie die Würde auf, die Gott ihnen anvertraut hat - die Würde der Persönlichkeit - und werden zum Massenvieh.

So war es bereits zu Zeiten Jesu im auserwählten Volke. Da hatte sich die Führungsschicht des Volkes, der Hohe Rat, die Schriftgelehrten und die Pharisäer, einen Messias erwünscht, der in glanzvoller Würde und königlicher Macht die verhasste Römerbesatzung aus dem Lande vertreiben und ein neues davidisches Königreich errichten sollte.

Da man nur in solchen Vorstellungen dachte, redete und lebte, hat man weder Auge noch Ohr noch Herz für ihn, den erwarteten Messias, der seine Gottesherrlichkeit kleidete in eine Knechtsgestalt.

So sah man vorbei an seinen Wundertaten. Man schrieb diese Kraft lieber dem Teufel als dem Herrgott zu. So hörte man vorbei an der Erhabenheit seiner Lehre, wollte gar nicht sehen, wie an ihm sich die Prophezeiungen des AT erfüllten.

Man ließ sich die vorgefasste Meinung nicht ausreden. So verschloss man sein Herz vor der Heiligkeit seiner Person, man blieb so befangen in seiner Herzlosigkeit und so hieß schließlich die Antwort auf des Herrn Frage „Für wer haltet ihr mich?“ „Es ist besser, dass einer stirbt, als dass das ganze Volk zugrunde geht.“

Und wie stand das schlichte einfache Volk zum Herrn? Wohl hatte es Aug und Ohr für IHN, der da „Wohltaten spendend und Wundertaten vollbringend durch die Lande ging“. Aber das Herz versagte doch die letzte hingebende Liebe. Es spielte allzu viel Sensationssucht mit.

Man erfreute sich all der Wunder, deren Zeuge man immer wieder werden durfte und rief in Erschütterung aus: „Selbst Sturm und Meer gehorchen IHM!“

Man lauschte bis in die Nächte hinein seinen Reden und bekannte: „Er redet wie einer, der Macht hat und nicht wie die Pharisäer.“

Aber das Feuer der Begeisterung verglühte, als er, der Wundertäter, eines Tages ohnmächtig vor Gericht stand. Und dort rief man plötzlich, wie die Obrigkeit befahl: „Kreuzige ihn!“

Ja, der Meister kannte die hochmütige, ablehnende Haltung der Führer.

Er wusste um den Wankelmut seines Volkes. Doch sie, seine Freunde? Auch ihnen gilt die Frage: „Für wen haltet ihr Mich?“

Er wusste es, wer wieder die Antwort geben würde, er, der in der Synagoge zu Kapharnaum nach der Brotrede gesagt hatte: „Wohin sollen wir gehen? Du allein hast Worte des ewigen Lebens!“ - Worte nach denen man leben kann.

Ja und Petrus bekannte: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“.

Das war nicht das Wort, das geboren war aus der Tätigkeit des Verstandes des Petrus. Das war ein Wort, das ihm sein liebendes Herz eingegeben hatte.

Darum auch die Antwort des Meisters: „Nicht Fleisch und Blut haben dir dies geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“

Auch uns gilt am heutigen Tage die Frage des Herrn: „Für wen haltet ihr mich?“

Ja, wir dürfen nicht glauben, Christus wäre auf diese Erde gekommen mit dem Auftrag seines Vaters, die Dunkelheiten unserer menschlichen Erkenntnisse zu erhellen, die ungezählten Rätsel unseres Lebens zu lösen, einen neuen Lebenswert unseres Daseins aufzuzeigen. O nein, er ist nicht irgendein Prophet. Christus ist in unsere Erdenzeit gekommen, um den göttlichen Lebensstrom des Himmels auf unsere dürstende Erde zu leiten.

Und wer diesem Lebensstrom sein Herz öffnet, wird erkennen, dass der Sinn dieses Lebens nicht darin bestehen kann, allen Angeboten dieser Zeit nachzulaufen und sich in sie zu verlieren. Er wird fähig sein, alles, was unseren Füßen auf dem Weg zum letzten Ziel eine Fessel bereitet, loszulassen und wird mit Phil Bosman einsehen: „In der Wüste (dieses Lebens) bist du nicht verloren, wenn du glauben kannst an die Oase (des Himmels).“

Jawohl, „das Leben bleibt sinnlos, wenn man es nur weltlich deuten will“. (Ruth Pfau)