04.03.2018

3. Fastensonntag 1987

„Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe …“

Der Schauplatz des heutigen Evangeliums ist der Jakobsbrunnen, jener Brunnen, den Jakob einst gegraben hatte, als er wieder heimkehrte aus Mesopotamien in sein Vaterhaus, jener Brunnen, der in Samaria am Fuße des Berges Garizim liegt, jener Brunnen, der nicht Zisternenwasser, also abgestandenes Regenwasser barg, sondern frisches Quellwasser.

An diesen Brunnen kommt Jesus mit seinen Freunden auf seinen Wanderwegen durch das Land. Es ist Mittag, und die Sonnenstrahlen brennen heiß vom Himmel herab. Man hat Hunge, aber weit mehr Durst. Während die Jünger in dem nahegelegenen Sychar etwas Nahrung einkaufen, setzt sich Jesus übermüdet an den Brunnenrand.

Da kommt eine Frau an den Brunnen, um Wasser zu schöpfen, und es kommt zwischen Jesus und dieser Frau zu einem Gespräch. Jesus sagt zu dieser Frau: „Gib mir zu trinken.“

Diese Bitte verwundert die Frau sehr, denn es ist ganz ungewöhnlich, dass ein Mann eine Frau um einen Dienst bittet, und es ist noch weit unverständlicher, dass ein Jude mit einer Samariterin spricht, denn schon 800 Jahre währt die Feindschaft der Galiläer, der Bewohner im Norden und der Judäer, der Bewohner im Süden Palästinas mit dem Mischvolk der Samariter.

So darf uns die Antwort dieser Frau nicht verwundern, wenn sie sagt: „Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten?“ Und die Antwort Jesu ist vielsagend: „Wenn du wüßtest, wer es ist, der zu dir sagt: gib mir zu trinken, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.“

Doch die Frau versteht nicht. Sie bleibt verhaftet dem Wasser dieses Jakobsbrunnens, das alle Zeit den Durst der Bewohner von Sycar und all derer, die hier vorbeikamen, gestillt hat.

Da weist der Meister auf das geheimnisvolle Wasser hin, das er geben würde, wenn man ihn darum bitten würde: „Wer von diesem Wasser hier trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben, vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“

Wir können verstehen, mit welch einer Begeisterung diese Frau ausgerufen haben mag: „Herr, gib mir davon zu trinken!“ So war es ja auch bei der wunderbaren Brotvermehrung in der Hauranwüste, als die Fünftausend ihren Brotgeber zum Brotkönig machen wollten, sodaß er sich durch Flucht diesem Wunsch entziehen musste. Und geht es uns nicht auch heute noch so? Das ist doch unser aller unstillbarer Durst und Hunger nach einer nie versiegenden Quell reinen Wassers, nach einem Jungbrunnen, der Gesundheit, Schönheit, unbeschwert langes Leben schenkt.

Aber welch ein Tor wollte sich schon solch einer Erwartung hingeben Die Brunnen dieser fluchbeladenen Erde kennen nur Bitterwasser, die Bitterwasser der Angst, der Sorge, der Not, des Kummers, die Bitterwasser des Versagens, der .Erfolglosigkeit, der Schuld, die Bitterwasser des Leides, der Krankheit, des Siechtums.

Ja, diesen unstillbaren Durst und Hunger kann nur der Herr stillen, und er hält, was er verspricht... „wer durstig ist, soll kommen und trinken“ — „Aus meinem Herzen werden Ströme eines lebendigen Wassers fließen“ — „Den Durstigen werde ich umsonst aus der Quelle trinken lassen, aus der das Wasser des Lebens strömt.“

Welch herrliche Verheißungen! Müssen wir nicht mit ganzem Herzen uns dem Herrn entgegenstrecken und bitten: „Herr, gib uns zu trinken davon.“

Ja „Herr, gib uns dieses lebendige Wasser...“

in dem „Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“, von dem du gesagt hast: „Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, wer dieses Brot als Speise der unsterblichen Seele ißt, überspringt die Schwelle des Todes und lebt in Ewigkeit“

in dem Licht, das du in dieser Welt hast aufleuchten lassen, da du sagst? „Ich bin das Licht der Welt, wer in diesem Licht wandelt, findet durch alle Finsternisse hindurch in das Licht der Ewigkeit“,

in dem ewigen Leben, von dem du sagst: „Ich bin das Leben, wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er stirbt, denn wer das göttliche Leben bewahrt, wird teilhaben am ewigen Leben.“

Mit Rainer Maria Rilke wollen wir beten:

„Wir greifen nicht ins Leere.

Er ist das Wasser.

Bilde du nur rein die Schale aus zwei hingegebenen Händen.

Und kniest du überdies — Er wird verschwenden

und deiner größten Fassung über sein.“