11.03.2018

4. Fastensonntag 1987 (Der Blindgeborene)

„Ich bin das Licht der Welt.“

Alljährlich erwarten wir mit Sehnsucht den Beginn des Frühjahrs, die Zeit, da der Schnee schmilzt und in ungezählten Bächlein das Wasser zu Tale fließt, da das Licht den Sieg errungen über die Finstern. da die Nächte kürzer und die Tage länger werden.

Licht und Finsternis, wir gebrauchen diese Worte als Gleichnisse für unser profanes Leben:

das Licht steht für Freude, Friede, Glück, Wonne, Leben,

die Finsternis für Leid, Sorge, Not, Krankheit, Tod.

Licht und Finsternis sind auch Metaphern für das religiöse Leben. Christus ist das „Licht, das der Welt aufgeleuchtet ist“ „Wer in diesem Licht wandelt, findet durch alle Finsternisse dieser Zeit zum Licht der ewigen Herrlichkeit“.

Der Teufel ist der Fürst dieser Welt, er liebt die Finsternis und kommt nicht an das Licht, „damit seine Werke nicht offenbar werden“.

Und so stehen auch hier den Begriffen des Lichtes, wie Gnade, Heil, Segen die Begriffe dir Finsternis, wie Sünde, Schuld, Fluch, gegenüber.

Im heutigen Evangelium erleben wir die Heilung eines Blingeborenen.

Blindsein, welch ein furchtbares Leid!

Niemals in die Augen von Vater und Mutter schauen können, — niemals sich an der Herrlichkeit dieser Schöpfung erfreuen dürfen, — immer angewiesen sein auf eine helfende Hand, die ein Stück des Weges führt Und wie unvorstellbar bitter war das Elend des Blinden unseres Evangeliums: Er fand keine elterliche Liebe, er war nur Last, das Volk suchte nur die Schuld, die er wohl zu büßen hatte, und die Pharisäer und Schriftgelehrten verbannten ihn sogar aus der Lebensgemeinschaft, weil er ein öffentlicher Sünder war.

Unser Blindgeborene wusste sich der Lieblosigkeit seiner Umwelt zu entziehen, indem er Zuflucht fand in seinem Herzen. Hier brannte ein Lichtlein, jenes Urvertrauen auf die Güte eines Gottes, der nicht Rächer sein kann, sondern Vater sein muss. Und dieses Urvertrauen wurde noch genährt durch eine alte Weissagung des Propheten Isaias, die da sagte: „Er wird kommen, um den Blinden das Augenlicht zu bringen.“ Und in jüngster Zeit hörte er, dass dieser Messias bereits gekommen sei: ihm will er zu Füßen fallen und rufen. „Herr, mach mich sehend!“

Und da stand er plötzlich vor ihm, Er, „das Licht der Welt“.

Und wo eine Herzenstür sich ihm auftut, geht er nicht vorüber. Nein, Er wird dem Menschen zum Licht, für Zeit und Ewigkeit.

In diesem Licht ist der Mensch fähig, die Dunkelheiten seines Lebens zu durchwandern, in diesem Licht ist ihm schon ein Blick möglich in jene andere Welt.

Petrus sagt einmal: „Einst wart ihr in Finsternis, jetzt aber seid ihr Kinder des Lichts.“

Doch in wievielen Christen ist in unsren Tagen dieses Licht des Herzens erloschen, sodaß „sie sehen und doch nicht sehen“, wie Christus sagt.

Da kommen die Menschen in unserer Zeit des Tourismus in viele Länder, schauen viele Völker, sind beglückt von ihrer Freundlichkeit, von ihren Bräuchen, sind aber völlig blind für deren Armut und Hunger und nicht zu dem geringsten Opfer und Almosen bereit. Da legt man die Arbeit nieder im Streik um die 35 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und bei der Gefahr im Welthandel nicht mehr konkurrenzfähig zu sein, und ist blind dafür, dass hunderttausende Arbeitslose froh wären, wieder an einer Maschine stehen zu dürfen. Da wird im Fernsehen, im Radio und in sonstigen Medien unentwegt auf Kondome als Schutzmittel gegen Aids hingewiesen, und man ist blind dafür, dass allein die Enthaltung und Würde der Persönlichkeit vor dieser Seuche bewahrt.

Ja, ist nicht auf so manchem Gebiet unser Blick für das Gute, Schöne, Edle verloren gegangen, sodaß wir auch hintreten sollten vor Jesus mit der Bitte: „Herr, mache mich sehend!“ Und wir würden erleben, dass in seinem Licht

wir nicht mehr getäuscht würden von den Irrlichtern unserer Zeit und es keine Dunkelheit gäbe, in der nicht ein Lichtlein aufleuchten würde, das uns weiterführt,

alle Angst schwinden würde und wir fähig wären zu jedem Kreuz unser Ja zu sagen, weil Er mit uns ist,

unser Auge weiter schauen könnte über alle Niederungen und Tiefen dieses Lebens bis hinein in die Ewigkeit.

Ja vertrauen wir uns doch Christus, dem Licht der Welt, ganz an, denn Er allein ist der wahre Weg, der hinführt in die Ewigkeit.