01.07.2018

13. Sonntag im Jahreskreis 1987

„Wer Vater und Mutter mehr ehrt, wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt, wer sein Leben hier sucht...“

Es gibt Worte im Evangelium, an denen wir lieber vorbeihören möchten, als sie wie ein Samenkorn Gottes in unser Herz einzupflanzen Sie erfreuen nicht unser Herz und klingen mehr als eine Drohbotschaft denn eine Frohbotschaft.

Es ist schon sehr schwer zu verstehen, wenn es da heißt:

„Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert!“ Steht dieses Wort nicht im Gegensatz zu dem 4. Gebot des Dekalogs, das Gott durch Moses einst auf dem Sinai verkünden ließ?

Nun gewiss nicht, denn Jesus war gekommen, „um Moses und das Gesetz zu erfüllen und nicht, um es aufzuheben“, und so zog er auch nach seinem ersten Tempelbesuch in Jerusalem „mit seine Eltern hinab nach Nazareth und war ihnen untertan“.

Und da heißt es weiter:

„Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert.“

Will Jesus etwa damit sagen, wir müssten unsere Augen verschließen vor all den beglückenden Freuden, die sein Vater mit der Schöpfung uns anvertraut hat und alle Tage unseres Lebens verdammt wären, Kreuzträger zu sein und als Kinder der Traurigkeit unsere Erdenzeit zuzubringen?

O gewiss nicht! Wie hat sich sein Herz aufgebäumt gegen das Kreuz, das im Ölbergsgarten seinen Schatten auf ihn warf. Wie hat er da gebetet: „Vater, wenn es möglich wäre, dann lass doch diesen Kelch des Leides an mir vorübergehen!“, und nur im Blick auf die Freudensonne des Ostertages konnte er dieses Kreuz bejahen.

Und da heißt es schließlich:

„Wer sein Leben hier sucht, wird es verlieren, doch wer sein Leben mir zuliebe verliert, der wird es finden.“

Mit diesem Wort will Jesus wahrhaftig nicht den Wert dieses Lebens verneinen, uns zur Weltflucht raten, nur mit Scheuklappen durch diese Erdentage uns wandern lassen — ganz gewiss nicht. Er liebte dieses Leben von ganzem Herzen, und so konnte er auch die Not all derer verstehen, die verurteilt waren, im Schatten dieses Lebens stehen zu müssen. Dem Blinden schenkte er das Augenlicht, damit er sich an der Schönheit der Schöpfung erfreuen könnte. Dem Gelähmten schenkte er die Gesundheit, damit er in Freude den Wege dieses Lebens wandern könnte. Ja, selbst die Toten holte er nochmals in dieses Leben zurück.

All diese harten Forderungen unseres heutigen Evangeliums können wir wohl und leicht begreifen, wenn wir sie hören unter dem Aspekt, unter dem sie Jesus sah: „Suchet zuerst das Reich Gottes!“ Dieser Gott ist die absolute Priorität, der alles unterstellt werden muss. Dieser Gott ist allein Anfang Mitte und Ziel, an dem alles gemessen werden muss. Dieser Gott ist das Zifferblatt unserer Lebensuhr, an dem wir die Stunden unserer Lebenstage ablesen müssen.

„Suchet zuerst das Reich Gottes!“

Ja, wenn wir von dieser Höhe des Gottesreiches hinabschauen in die Tiefe dieses Weltreiches, dann stehen die so dunklen Worte unseres Evangeliums in einem Licht, in dem wir sie gut verstehen können. Dann müssen wir bekennen:

Gott hat ein höheres Anrecht auf Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam des Menschenkindes. Denn ER hat ihm das Leben gegeben und seinen Eltern als Lehen anvertraut. Dann müssen wir „ja“ sagen zum Kreuz.

Denn wie Jesus durch seinen Kreuzestod uns von der Schuld der Sünde befreit hat, so müssen wir als seine Jünger im Kreuz unser Heil suchen. Dann müssen wir uns hier als Fremdlinge wissen. Denn wer allzu sehr liebäugelt mit dem Leben dieser Erdentage, kann sehr leicht die Orientierung verlieren auf seinem Wanderwege zur Ewigkeit.