24.12.2017

1. Adventssonntag 1986

Die Nacht ist vorüber, der Tag hat sich genaht.

Der Dichter Bernanos hat das Wort geprägt von der „Vergewaltigung des Menschen durch die Welt“.

Der Mensch, den Gott als Abbild seiner Herrlichkeit geschaffen hat, ist in unserer Zeit seiner Würde beraubt. Statt Gottes Antlitz aufleuchten zu lassen, lebt er nach den Spielregeln des Teufels. Er vegetiert dahin in äußerlicher Betriebsamkeit und innere Lebensangst.

So ist es dringend nötig, sich wieder auf das „Eine Notwendige“ zu besinnen, in die Mitte unseres Seins zurückzufinden und in dieser Tiefe die Kraft zu suchen, um gegen die Stürme des Lebens zu bestehen und in Frieden des Herzens das Leben zu meistern.

Dazu will uns wieder die kommende Adventszeit befähigen.

In der Lesung hörten wir soeben den Mahnruf des Apostels Paulus an die Römer... „die Nacht ist vorüber, der Tag hat sich genaht...“

„Die Nacht ist vorüber...“

Wie mannigfach sind doch die Gesichter der Nacht, — wie die Bibel sie offenbart:

Wir denken an die Nacht, da die Menschen taub waren für die Mahnrufe eines Noah und über den Bau seiner Arche spotteten, — bis eines Tages

die „große Flut einbrach und Mensch und Vieh ein Massengrab bereitete ... und leben wir heute nicht in einer ähnlichen Nacht,

wenn man dem Noah, der Arche des Neuen Bundes, dem Papst, nach dem Leben trachtet, -

wenn man nur ein spöttisches Lächeln hat für alle Mahnungen und Weisungen der Bischöfe, -

wenn so viele — wie die Ratten das sinkende Schiff — die bergende Arche verlassen und sich dem Teufel als Freiwild ausliefern. -

Wir denken an die Nacht, da die Menschen blind waren für das vorbildliche Leben der Familie Lot und in dem Sumpf ihres dekadenten perversen Lebens ertranken...

... und leben wir nicht auch heute in einer ähnlichen Nacht,

da sich die Aussteiger aus jeglicher Sitte und Ordnung zum Wortführer einer morbiden Lebensführung aufspielen, -

da die christliche Moral verlacht wird und dem Niedrigen und Gemeinen das Wort gehört, -

da alles Hohe und Schöne in den Schmutz getreten wird und die tierischen Instinkte im Menschen zu hohen Werten des Menschen erhoben werden. -

Wir denken an die Nacht, da die Juden auf ihrer Wanderung in das Gelobte Land sich ein goldenes Kalb gossen, um vor ihm niederzufallen und ihm göttliche Ehre zu erzeigen...

... und leben wir nicht auch heute in einer ähnlichen Nacht,

indem man seinen Blick nicht mehr erhebt „zu den Bergen von denen uns Hilfe kommt“, sondern seinen ganzen Lebenssinn nur noch sieht in Wohlstand, Reichtum, Vergnügen und Lebensgenuß.

Ja, es ist die höchste Zeit „vom Schlafe auf zustehen, denn „der Tag hat sich genaht...“

der Tag, dem wir mit offenen Augen entgegengehen wollen während den Tagen des Advents, — der Tag, den wir erleben dürfen an dem heiligen Weihnachtsfest.

Advent heißt Erwartung

Erwartung dessen, der einst in Niedrigkeit gekommen wer in das auserwählte Volk der Juden, — der einst wiederkommen wird am Ende der Zeiten, -

Advent heißt aber auch Erfüllung,

Erfüllung der Erwartung in unserer Zeit, denn so ruft er uns zu ... „siehe, ich stehe vor deiner Tür und klopfe an, wenn du mir auftust, so will ich bei dir einkehren und mit dir Gastmahl halten...“

Wenn es uns gelänge, uns aus dem Lärm unserer Zeit in die Stille zu retten, dann könnten wir seine Verheißung hören...“fürchtet euch nicht, ich bin doch bei euch alle Tage...“

Wenn es uns gelänge, die Wand zu durchstoßen, die uns trennt von der anderen Welt, dann würden wir in die Hand Gottes fallen, so wie er es versprochen hat... „in meine Hand bist du mir eingeschrieben...“

Wenn es uns gelänge, mit den Augen der Ewigkeit zu schauen, dann würden wir mit Thomas jubeln ...''mein Herr und mein Gott“.

Ja, wer in diesen Adventstagen auf dem Weg zu Gott ist, der bleibt verschont von äußerer Betriebsamkeit, denn seine Sorge ist einzig der Herr, -

der bleibt frei von jeglicher inneren Lebensangst, denn er weiß seine Seele gebettet in Gottes Hand, -

der erfreut sich des Scheines der ersten Kerze unseres Adventskranzes, die uns kündet... „wir sagen euch an den heiligen Advent. Seht die erste Kerze brennt,

darum freut euch ihr Christen, freuet euch sehr, denn schon nahe ist der Herr.“