19.08.2018
20. Sonntag im Jahreskreis 1987
Der Jesus des heutige Evangeliums scheint nicht der Jesus zu sein von dem die Schrift sagt: „Die Güte und Menschenfreundlichkeit ist uns erschienen“, der „Wohltaten spendend durch die Lande ging“, der sagte: „Kommt alle zu mir, die ihr unter Lasten seufzt, ich will sie euch tragen helfen!“. Und wir fragen: „Warum verschließt er sich den Bitten einer Mutter für ihr krankes Kind?
Das heutige Evangelium zeichnet eine ganz besondere Situation: Wieder einmal hatten die Pharisäer ein Streitgespräch mit dem Meister führen wollen, sodass er traurig beklagen musste: „Ihr Heuchler! Der Prophet Jesaja hatte recht, als er über euch sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren.“
So hatte er enttäuscht die Grenzen seines Heimatlandes verlassen, um in dem heidnischen Gebiet von Tyrus und Sidon ein wenig Erholung zu finden.
Und da kommt auch schon eine kanaanäische Frau, eine Heidin, und ruft: „Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält.“ „Jesus aber gab keine Antwort.“ Wir können den Herrn wohl verstehen. Sein Volk, zu dem er sich vom Vater gesandt weiß, verschließt sich ihm, und diese Frau, die nur etwas gehört hat von ihm, dem Wundertäter, setzt ihr ganzes Vertrauen auf ihn.
Und als die Apostel, die sooft alle hilfesuchenden Menschen von ihrem Meister abzuhalten versuchten, für sie eintreten und bitten: „Befrei sie von ihrer Sorge, denn sie schreit hinter uns her!“, weist er hin auf den Sendungsauftrag seines Vaters: „Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“ Doch dafür hat die Frau kein Verständnis. Die Sorge für ihr Kind lässt sie auf den Knien immer wieder ihre Bitte wiederholen. Und es ist ein sehr wehtuendes 'Wort, das er ihr nun zuruft: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.“ O ja, ein hartes Wort! Muss es das, vom Leid so aufgewühlte Herz der Mutter nicht jeder Hoffnung auf Erhörung berauben? Doch nein, sie findet eine Antwort darauf. Sie sagt: „Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“ Und damit hat diese Frau die Glaubensprüfung bestanden und darf hören: „Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen?“
Welch eine heroische Frau! Sie ist bereit, die kleinen Verletzungen, die ihr Herz treffen, zu ertragen, wenn es nur gelingt, die große Wunde des Mutterherzens zu heilen, ihr Kind vom Dämon befreit zu wissen.
„Wider alle Hoffnung setzte sie auf Hoffnung“ die kanaanitische Frau, sodass auch ihr gilt, was Paulus im Römerbrief über Abraham sagt: „Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, dass er der Vater vieler Völker werde, nach dem Wort: „So zahlreich werden deine Nachkommen sein. Ohne im Glauben schwach zu werden, war er, der fast Hundertjährige, sich bewusst, dass Gott die Macht besitzt, zu tun, was er verheißen hat.“
Der Wert unseres Christseins ist nicht unsere Religiosität, ist nicht die an den Tag gelegte Frömmigkeit. Religiös können auch Nichtchristen sein, fromm waren auch die Pharisäer. Die wahre Religiosität, die wahre Frömmigkeit ist der felsenfeste, unerschütterliche Glaube: „Leben wir, dann leben wir im Herrn, sterben wir, dann sterben wir im Herrn. Ob wir leben, ob wir sterben, wir sind immer geborgen im Herrn.“
So wollen wir beten mit Alexander Solschenizyn:
„Wie leicht ist es für mich, mit dir zu leben, Herr! Wie leicht ist es für mich, an dich, zu glauben! Wenn ich Zweifeln Raum gebe, oder mein Verstand aufgibt, wenn die klügsten Leute nicht weitersehen als bis zum heutigen Abend und nicht wissen, was man morgen tun muss - dann sendest du mir eine unumstößliche Gewissheit: dass du existierst und dass du dafür sorgen wirst, dass nicht alle Wege zum Guten versperrt werden.“