22.04.2018
4. Sonntag in der Osterzeit 1987
„Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben, das Leben in Fülle.“
Gott braucht Menschen. Gott, der das ganze Universum aus dem Nichts ins Dasein gerufen durch sein allmächtiges: „Es werde!“
Er braucht die Krone seiner Schöpfung, den Menschen, um durch seine Mitwirkung die Schöpfung im Dasein zu erhalten und einem guten Ende zuzuführen.
So ruft er in seinen Dienst die einen, dass sie bereit sind, das natürliche Leben fortzupflanzen, und er befähigt sie dazu, durch das Sakrament der Gattenweihe; die anderen, dass sie willens sind, das übernatürliche Leben weiter zu geben, in der Teilnahme an seinem Hohepriestertum, und er beschenkt sie dafür mit der Gnadenkraft der Priesterweihe.
Ihnen gilt das Wort des heutigen Evangeliums: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben, das Leben in Fülle.“,um es weiterzugeben an alle, die danach dürsten.
Zu allen Zeiten hat der Herr auch in unserem Vaterland hochherzige, junge Menschen gefunden, die bereit waren, ihm Hand und Mund und Herz zu reichen und Zeugen seiner Botschaft zu werden.
So ruft er auch heute noch: „Die Ernte ist gross, aber der Arbeiter sind wenige.“ Aber seine Einladung findet wenig Gehör. Die Schnitter wollen nicht kommen,um die reiche Ernte in die Scheuer Gottes zu fahren.
Während in allen Sparten des Wirtschaftslebens wie ein Schreckgespenst die Arbeitslosigkeit umgeht, fehlt es der Kirche an den Kräften, Christi Auftrag der Heiligung der Menschen voll zu gewähren.
Und die Welt braucht Priester, die sich Mühe geben, dann ein Wort zu sprechen,wenn die Worte dieser Welt nutzlos sind, dann den Augen den Glanz zu verleihen, wenn alle Sterne erlöschen, dann den Herzen Trost zu spenden, wenn an die Stelle großer Erwartungen die bittere Enttäuschung getreten ist.
„Lass eine Gemeinde ein Jahrzehnt ohne Priester sein, und sie betet die Tiere an.“, sagt der Pfarrer von Ars. Und sind wir nicht schon so weit, wenn wir die ungesunde Verehrung der Schoßhündchen und Katzen erleben?
Wie konnte es dazu kommen?
Vor einem halben Jahrhundert sah sich der Christ eingebettet in ein christliches Abendland. Da pilgerte er noch an der Hand der Mutter Kirche auf „dem Wege“, dem einzig wahren Wege, der zum ewigen Leben führte. Heute ist er „unterwegs“ auf all den vielen Wegen und glaubt nach seiner Facon selig zu werden. Er lebt nicht mehr sein Leben. Er wird vom Leben verbraucht.
Das meinte vor zwanzig Jahren ein Weltverbesserer: Unsere Gesellschaft ist wie eine große Autobahnbaustelle, an deren Rand eine kleine Krankensammelstelle — die Kirche- liegt. Aber wenn einmal der gewaltige Bau der modernen Gesellschaft beendet ist, wird man die Krankensammelstelle abreißen. Und wie sieht es heute aus?
Die Autobahnbaustelle wird immer kleiner,- die Arbeitslosenzahl immer größer,- der Schrei nach helfenden, heilenden, sorgenden Händen immer lauter, und wir müssen erleben, was Nietzsche bereits vor hundert Jahren vorausgesagt hat: „Wenn die Irrtümer verbraucht sind, sitzt einem als letzter Gesellschaftler das Nichts gegenüber.“
Und dieser Ungeist ist leider hineingeflutet in unsere Familien und hat die Humusschicht, die nötig ist, um das Samenkorn des Priestertums aufnehmen zu können, hinweggespült.
Wir nennen die Familie „die Kirche im Kleinen“. Wie können wir aber von einer „Kirche im Kleinen“ sprechen, wenn die Eheleute nicht einmal die Bereitschaft zu einem Kind haben, wie sie es am Tage ihrer Trauung versprochen haben? Wenn sie ihr Kind nicht als Lehen Gottes, sondern als ihr Eigentum betrachten? Wenn sie jegliches Verfügungsrecht Gottes bestreiten und ihr Kind dem Herrgott versagen.
Wie kann ein Kind denn eine „Kirche im Kleinen“ erleben, wenn es am guten Beispiel im Elternhaus fehlt.
„Das Priesterideal ist ein hohes Ideal! Man verdankt dabei vieles der Gnade Gottes! Dabei darf man allerdings nicht verschweigen,dass die besten Kräfte des Menschen dafür eingesetzt werden müssen! Das Wagnis des Glaubens und der Liebe ist stets eine Sache der Tapferkeit, des Großmuts und der Treue. Es geht darum, die Hand an den Pflug zu legen und nicht zurückzuschauen.“, sagt Papst Paul VI.
Ja, von einem Priester erwartet der Meister eine Liebe, wie er sie uns erzeigt hat, die nicht erstirbt, wenn sie kein Echo findet, die sich beschimpfen, schmähen, verleumden lässt, vielleicht sogar sagen kann: „Herr verzeihe ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!“
Das Maß, an dem der Priester gemessen wird, ist Christus. Das Göttliche ist menschlichen Händen anvertraut.
Er ist berufen, am Lehr-, Priester- und Hirtenamt teilzunehmen, Christus zu vergegenwärtigen, bis er wiederkommt, um Gericht zu halten am Ende der Tage. Christus ist es, der durch den Mund des Priesters die Frohbotschaft verkündet, der durch die Hand des Priesters die Sakramente spendet, der durch das Herz des Priesters liebend, leitend, segnend unter uns zugegen sein will.
Ja der Priester ist im wahrsten Sinne der Repräsentant Christi.
„Die Gläubigen müssen den Priester wieder wollen.“(Bi. Graber) Das Gebet um gute Priester muss das Anliegen jeder Gemeinde sein, auch der unsrigen. Darum „bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.“