Auszug aus: Das Sakrament der Buße 

Die Sünde

Eine Schuld ist nicht nur ein Fremdkörper, der in uns eingedrungen ist und uns zu vergiften droht, der eine ganze Gemeinschaft, ja sogar ein Volk (Nationalsozialismus, Kommunismus) zu ruinieren vermag, sondern sie richtet sich auch gegen Gott und wird so zur Sünde: ein Verstoß gegen die Liebe, die Gott ist, eine Beleidigung seiner unendlichen Majestät, weil sie sein Gebot übertritt; Ungehorsam, weil wir unseren Willen dem seinigen vorziehen.

Die Sünde als Schuld vor Gott läßt sich mit dem Verstand allein nicht begreifen. Das vermag nur der Glaube. Erst wenn sich der Mensch vor Gott gestellt weiß, sich des gewaltigen Abstandes zwischen Gott und sich selber bewußt wird, erst wenn er eine Ahnung von der unendlichen Liebe Gottes und der menschlichen Bosheit hat, kann er in den gräßlichen Abgrund der Sünde schauen.

Die heilige Katharina von Siena bat Gott einst, ihr zu zeigen, wie schlimm eine Todsünde in seinen Augen sei. Da gab er ihr zu verstehen, daß sie dies nicht fassen könne. Er zeigte ihr aber eine andere Sünde in ihrer ganzen Abscheulichkeit, und der Anblick war so schrecklich, daß die Heilige erklärte, sie wolle lieber ihr Lehen lang barfuß über glühende Kohlen gehen, als wieder so Entsetzliches sehen.

Ähnlich äußert sich Lucie Christine, eine französische Mystikerin, in ihrem «Geistlichen Tagebuch». Es ging um ungute Gedanken gegen eine recht ungeschickte Angestellte. Sie schreibt: «Obwohl mir Jesus in der heiligen Kommunion verziehen hatte, beichtete ich es noch mit großer Reue. Danach ging plötzlich ein großes Licht auf in meiner Seele. In diesem Licht sah ich die Häßlichkeit des Fehlers, nicht in meiner Seele, denn da war er nicht mehr, aber im Fehler selbst. Er war häßlicher und abstoßender als alles, was man sich vorstellen kann. Und ich erkannte, wie groß die sogenannten kleinen Fehler sind.»

Der heilige Pfarrer von Ars, dieser große Beichtvater, zu dem jährlich Tausende Pilger aus ganz Frankreich strömten, sagt: «Die Sünde wirft eine schaudervolle Finsternis in unseren Geist, die die Augen der Seele verschließt.» Und gar von der Seele im Zustand der Todsünde: «Sie ist nur mehr ein stinkender Leichnam, ein Aas.»

So begreifen wir, wenn Jesus in der BOTSCHAFT mahnt (23.6.66): «Fürchte nur die Sünde, das schrecklichste aller Übel!» «Die Sünde» - so am 9.5.68 - «ist eine furchtbare Geißel, und ihre Folgen sind schrecklich für die Seele, die sie feige bejaht; sie bewirkt den Verlust der Freundschaft Gottes und verurteilt die Seele zur ewigen Verdammnis.» Solche Seelen «eilen, da sie nicht mehr lieben können, dorthin, wo nur Schrecken und Verzweiflung ist. Der Schlamm ihrer Sünden begräbt sie in einem bodenlosen Abgrund» (26.10. 70).

Voll Wehmut über seine geschmähte Liebe in unserer Zeit sagt er am 4.3.66: «Welche Trauer! Könntest du wie ich die Ausschweifung der Herzen sehen, die Wunde der Sünde, die sich über die ganze Welt ausbreitet.»

Müssen wir dabei nicht auch an die erschütternde Klage der Gottesmutter in Porto San Stefano denken - am 8. Mai 1972: «Meine Schmerzen sind ohne Maß, da ich euch auf einem finsteren, sehr finsteren Weg sehe... Mein Sohn», sagte sie zu dem stigmatisierten Enzo Alocci, «dies ist meine äußerste, sehr schmerzliche Botschaft; ich gebe sie euch voller Trauer und mit blutigen Tränen... Muß ich es euch sagen, daß viele Millionen Menschen im Begriff sind, sich in den höllischen Abgrund zu stürzen? Alles hat euch dieser höllische Drache gegeben, um euch von der Liebe Gottes abzuziehen... hat euch betört und eingeflüstert, ihr müßtet die Welt genießen in skandalösen Vergnügungen, Geldverschwendung,   Egoismus  und  unverschämten  Moden. Das verträgt sich nicht mit Gott und seinem Reich.»

Sünde ist jedoch nicht gleich Sünde. Bei Tausenden Abstufungen gilt es vor allem zwei wesentliche Arten zu unterscheiden:

 

die Todsünde (= schwere Sünde),

sie liegt vor, wenn wir ein schwer verpflichtendes Gebot, mit voller Erkenntnis und ganz freiem Willen übertreten. Danach kann ein Kind oder Geisteskranker kaum eine schwere Sünde begehen, weil ihm die volle Erkenntnis fehlt.

Als eindeutig schwer müssen wir folgende Sünden ansehen z.B.:

Der Entschluß, sein Leben nicht von Gott bestimmen zu lassen. -Die Gewohnheit, nie zu beten. - Abfall vom Glauben, Verleugnung und Abbringen anderer vom Glauben. - Meineid. - Mord, Abtreibung, Mitverschulden eines Krieges. - Grobe Mißachtung der Menschenrechte, Folterung und Unterdrückung. - Rauschgifthandel. - Unversöhnlichkeit und Haß, das Nicht-Auf geben einer Feindschaft. - Schwere Lieblosigkeit und Hartherzigkeit. -Vernachlässigung der alten Eltern. - Bedeutender Diebstahl oder Betrug. - Arme bestehlen, ausbeuten und betrügen. - Ehebruch und Leben in einer Zivilehe nach Ehescheidung. - Homosexualität. - Außerehelicher Geschlechtsverkehr. - Drogenmißbrauch und unmäßiger Alkoholgenuß. - Hemmungslose Verschwendung und Geiz, Habgier. - Schwere Verleumdung, die den Betroffenen außerordentlich schädigt.

Die Todsünde beraubt die Seele sofort der heiligmachenden Gnade, die das übernatürliche Leben darstellt und stiehlt ihr wie ein Dieb alle Tugenden und Gaben. Durch die Todsünde verlieren wir auch alle erworbenen Verdienste, die wir mit soviel Mühe gesammelt haben, und solange wir in diesem Zustand verbleiben, können wir auch nichts Verdienstliches für den Himmel tun. Dagegen entwickeln sich schlechte Leidenschaften und Gewohnheiten; Mutlosigkeit stellt sich ein und manchmal Verzweiflung. Daran ändert sich auch nichts, wenn wir der Sünde ein schönes Mäntelchen umhängen, um sie zu verharmlosen. So ist Abtreibung nicht Schwangerschaftsabbruch sondern Mord und Ehebruch nicht freie Lebensgestaltung sondern gemeiner Betrug am Ehepartner, Treuebruch und Zerstörung der Familie. Unbereute Todsünde führt unweigerlich in die Hölle.

Fehlt einer der obengenannten wichtigen Punkte, so sprechen wir von

 

der läßlichen Sünde.

Aber auch sie kann uns sehr schaden. Häufig vorsätzlich begangen, entreißt sie unserer Seele viele Gnaden, schwächt allmählich unseren Eifer für das Gute, hält neue Gnaden fern und macht uns mehr und mehr anfällig für die Todsünde. Überdies vermehren wir mit jeder läßlichen Sünde unsere Leiden im Fegfeuer. Wir können sie also nicht genug verabscheuen und sollten alles tun, sie durch Buße und Almosen wieder gutzumachen.

 

Krankheit und Sünde

Eine auffallende Erscheinung unserer Zeit ist: je weniger gebeichtet wird, umso mehr füllen sich die Wartezimmer der Psychotherapeuten. Wie die Erfahrung zeigt, können innere Konflikte, die vielfach durch Sünden verursacht sind, so grausam quälen, daß man eine Entladung in einem Geständnis sucht. Während aber der «Seelenarzt» seinen Patienten wohl anhören, manches Elend erklären und ihn trösten und Ratschläge geben kann, so ist es ihm doch nicht möglich, ihn von seiner Schuld zu befreien.