29.03.2018

Gründonnerstag 1987

Über dem heutigen Gründonnerstag, den der Meister beginnt mit den Worten: „Mit Sehnsucht habe ich verlangt, dieses Mahl mit euch zu essen.“, liegen Wehmut und Großmut.

Wehmut, denn wer will erahnen, welch furchtbares Leid das Herz des Herrn zu erdrücken droht, da es gilt Abschied zu nehmen von seiner Mutter, an der sich bald erfüllen wird, was der greise Simeon einst im Tempel ihr gesagt, von Johannes in seiner Freundesliebe und Maria Magdalena in ihrer sühnenden Liebe, von seinen Aposteln, die gegen all ihre Versprechungen fliehen werden, ein Petrus sogar verleugnen und ein Judas ihn verkaufen werden.

Großmut, denn in dieser Stunde gilt es, das Liebeswerk seines Lebens zu krönen: „Ich bin nicht gekommenem mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen.“ Und das besagt nicht nur zu geben, was ihm diese Erdentage anvertrauten, sondern auch noch hinzuschenken seine Freiheit und sein Leben.

Er schenkt seine Freiheit hin.

Er kniet nieder vor seinen Freunden, erfüllt den geringsten Dienst, zu dem der Sklave verurteilt ist. Er wäscht ihnen die Füße, die an diesem Abend wohl noch feige fliehen werden, die aber doch berufen sind, sein Liebeswerk fortzusetzen an allen Menschen bis an die Grenzen der Erde.

Er schenkt sein Leben hin.

Er weiß, dass man die menschliche Natur, die ihm die Mutter bereitet hat, morgen an den Balken des Kreuzes töten wird. Aber Gott hatte ihn, seinen innigst geliebten Sohn, gesandt, „damit alle, die an ihn glauben, dieses göttliche Leben haben“, und er nimmt das Brot und so nimmt er den Wein, um in diesen Gestalten „wahrhaft, wirklich und wesentlich“ bei uns bleiben zu können bis an das Ende der Zeiten.

Anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Cambridge sagte die Mutter Theresa: „Das Leben beginnt bei Gott selbst. Er liebt die Welt und gab seinen Sohn. Er wurde Mensch. Und dieser Sohn wiederum gab sich hin am Kreuz, machte sich zum Brot, um sich ständig weiterhin geben zu können. Und nun sind wir dran zu geben, wenn wir seinen Namen zu Recht tragen wollen.“

Ja, Christentum heißt „geben“:

Hergeben aus der Fülle dessen, was uns anvertraut ist, als ein Gut, das wir nur zur Verwaltung überkommen haben.

Wenn er einst im Gericht Rechenschaft über unsere Verwaltung fordern wird, hoffen wir doch das Urteil hören zu können: „Weil du über das Wenige getreu gewesen bist, will ich dich jetzt über Vieles setzen, geh ein in die Freude des Herrn.“

Welch ein wunderbares Geschäft. Das Wenige, was die Welt uns gönnt,

geben wir hin und empfangen dafür den Reichtum des Himmels.

Hingeben, weit wertvoller als das Hergeben, was doch nicht unser ist, ist das Geben dessen, woran unser Herz hängt: wenn wir den Alten im eigenen Haus einen Wohnraum zuweisen, der genau so schön ist, wie der eigene, wenn wir den Kranken das Essen und die Medizin nicht nur hinstellen, sondern mit ihnen die Einsamkeit teilen, wenn wir in Sterbensgefahr nicht nur den Arzt holen, sondern auch den Priester, der mit der Krankensalbung den Heimgang tröstlicher macht.

Vergeben — dies ist die größte Gabe.

Denn im Vergeben reißen wir nieder die Barriere, die unser Herz blockiert, reichen wir die Hand zur Versöhnung und wandeln in unserer Seele den Kriegsschauplatz in eine Heimstätte des Friedens. Und wenn der andere sich dir verschließt, er wird dir dein Liebesmühen lohnen.

Möge uns das Beispiel des Meisters immer fähig machen, ein Leben in Großmut zu führen. Er selbst in den Gestalten von Brot und Wein will unsere Kraft sein auf unserem Wege in dieser Zeit heimpilgernd zur Ewigkeit.