Tagesspruch

Katharina Emmerich
Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

2022



01.06.2021

Die selige Anna Katharina Emmerich (flämisch Emmerick) (* 8. September 1774, in Coesfeld; † 9. Februar 1824 in Dülmen, Bistum Münster) war eine stigmatisierte Augustinerin im Kloster Agnetenburg in Dülmen. Ihr liturgischer Gedenktag ist der 9. Februar.
Anna Katharina wuchs in einer äußerst armen Familie auf. Sie konnte deshalb zunächst nicht ins Kloster eintreten, da ihre Familie die hierfür notwendig Mitgift nicht aufbringen konnte. Von früher Kindheit an hatte sie Träume von Jesu Leben und Visionen von Christus.
Erst mit 24 Jahren wurde sie bei den Augustinerinnen aufgenommen, allerdings nur deswegen, weil eine Freundin, die aufgrund ihrer Fähigkeit, Orgelzu spielen, dem Konvent sehr willkommen war, darauf beharrte, nur ins Kloster einzutreten, wenn auch Katharina aufgenommen werden würde.
Katharinas Wunsch, in ihrem Leben Jesus ähnlich zu werden, wurde durch das viele Leid, das sie zu tragen hatte, verwirklicht. Freiwillig bevorzugte sie Bitteres vor Schönem. So geschah es einmal, dass sie in einer Vision Jesus aus dem Tabernakel zu sich kommen sah. Er hielt einen Blumenstrauß und eine Dornenkrone in den Händen und stellte sie vor die Wahl, eines der beiden Dinge für sich zu beanspruchen. Katharina nahm die Dornenkrone und drückte sie fest auf ihren Kopf, was ihr unsägliche Schmerzen bereitete, die sie von diesem Zeitpunkt an bis zu ihrem Lebensende begleiten sollten.
Durch ihre Bereitschaft für die Sünder Buße zu tun und das Leid anderer auf sich zu nehmen, litt sie Angst, größte Verlassenheit und schwere Schmerzen. Nur einer, ihr Bräutigam Jesus Christus, konnte sie trösten. So erschien er ihr des öfteren während der heiligen Kommunion oder während der Anbetung und spendete den Trost, den sie in ihren Qualen so dringend benötigte.
Das Kloster der Augustinerinnen wurde 1811 in Folge der Säkularisation aufgelöst, was Katharina schwer zu schaffen machte. Sie fand keinen Gefallen mehr an der Welt und stieß ebenso wie auf offene Herzen und Menschen, die bei ihr religiöse Hilfe suchten, auf Ablehnung und Spott.
Nachdem ihr am Fest des heiligen Augustinus auf wunderbare Weise Kreuze, zwei davon blutig, in die Brust eingebrannt worden waren, erschien ihr zu Weihnachten 1811 Jesus, der Seiner Dienerin seine fünf Wunden einprägte.
Die letzten zwölf Jahre ihres Lebens verbrachte Anna Katharina Emmerick auf dem Krankenbett, litt schwerste Schmerzen für Christus und die Sünden der Welt, ernährte sich fast nur mehr von Wasser und ertrug zu alledem noch Verleumdungen und Anfeindungen. Denn das Wunder ihrer Stigmatisierung war in die Öffentlichkeit gedrungen, und obwohl sie vom Erzbischof und Medizinern bald schon als übernatürlich erkannt worden waren, gab es viele Leute, die sich darüber lustig machten.
Vor ihrem Lebensende wurden die Visionen und Entrückungen immer länger und intensiver. So sah sie die Heiligen des alten und des neuen Bundes, sie wurde in das gelobte Land geführt, durchwanderte Hölle, Fegefeuer, das Paradies und den Vorhof des Himmels. Die Muttergottes soll ihr das Jesuskind überreicht haben und sie soll mit Engeln und Heiligen verkehrt sein. In ihren Visionen wurden ihr auch Ereignisse, die sich in der Welt soeben ereignet hatten, offenbart. Die begnadete Mystikerin starb am 9. Februar 1824. Ihr Seligsprechungsprozess wurde 1892 eingeleitet.
Im Jahr 2004 wurde sie durch Papst Johannes Paul II. selig gesprochen und damit zur Ehre der Altäre erhoben. Auch hinsichtlich der Aufzeichnungen durch Clemens Brentano ist, wie bei den anderen, leider weiterhin unklar, ob er in allem detailgetreu notiert hat, was Anna Katharina berichtete.
Der Herr sagte zur seligen Anna Katharina Emmerich: Ich gebe dir diese Gesichte nicht für dich, sondern sie sind dir geschenkt, damit du sie auffassen lassest. Du musst sie mitteilen... Ich gebe dir diese Gesichte und habe es jeder Zeit so getan, um zu zeigen, dass Ich bei Meiner Kirche bin, bis zum Ende der Tage.



21.06.2022

Nachwort (Teil VI)

Ohne die Hilfe des Orientalisten Professor Haneberg, der seit dem Jahre 1839 in München alttestamentliche Exegese vortrug und mit dem Brentano in München zwei Jahre in gemeinsamem Haushalt lebte, wäre die Arbeit nicht vorangekommen. Ebenso ließ der Dichter sich von dem Kirchenhistoriker Johann Adam Möhler, dessen Buch über die christliche „Symbolik" Aufsehen erregte, beraten und las ihm stundenlang aus seinem Emmerick-Manuskript vor. Zugleich unterrichtete er sich über die Geschichte und die Altertümer des Orients sowie über Mariologie und Hagiographie. Eine Frucht dieser Studien sind die vielen Anmerkungen im „Marienleben", die auf die verschiedenen, von Brentano zu Rate gezogenen Werke hinweisen.
Die dichterische Potenz Brentanos stand vor dem Erlöschen. So sind viele, nicht sorgfältig genug ausgefüllte Stellen aus den Visionen nicht mit der Stärke gekommen wie in der „Passion". Trotz allem bleibt auch im „Marienleben" wie im „Armen Leben" genug des Interessanten und Erbaulichen, das den Aufzeichnungen des Dichters so viele Freunde gewinnen konnte.
Es war allerdings Brentano nicht beschieden, die beiden letzten Bände der Visionen fertigzustellen. Erst die Gattin seines Bruders Christian vollendete nach seinem Tode das „Marienleben" und gab es mit Hilfe gelehrter Freunde 1852 zum ersten Male heraus. Das „Arme Leben" wurde in drei Bänden durch P. Schmöger bearbeitet und erschien im Jahre 1858/1860.
Unsere Ausgabe des „Marienlebens" bringt den unveränderten Text der Originalausgabe mit den für die heutige Zeit erforderlichen orthographischen und satztechnischen geringfügigen Änderungen. Sie ist als Ergänzung zu den bereits erschienenen Bänden der „Passion" und des „Lebens Jesu" gedacht. So schließt sie eine Lücke zwischen den beiden bereits erschienenen Bänden. Bernard Pattloch



20.06.2022

Nachwort (Teil V)

Zudem wird der empfindsame Dichter, der von seiner Aufgabe der Aufschreibung der Schauung der Visionärin mehr und mehr besessen wird, durch unzählige Besuche des Bekannten- und Verwandtenkreises der Emmerick in seiner Arbeit gestört. Er möchte diese Besuche am liebsten verbieten und verhindern, denn sie fallen oft in wichtige Abschnitte der Verkündigungen und zerschneiden ihm unbarmherzig den Faden der Gesichte.
Dass es dem Dichter trotzdem gelungen ist, aus der Flut der aufgezeichneten Tagebuchnotizen das Wesentliche herauszuziehen, gehört zu den Gnadenerweisungen, durch die Gott seine Auserwählten wirken läßt. Es erscheint im Grunde genommen unwichtig, wieweit Brentano durch Überarbeitung den ungeheuren Stoff veränderte und in eine künstlerische Form goss. Dass der von so vielen Launen und Versuchungen Hin- und hergerissene wenigstens den größten Teil der Visionen bearbeiten und herausgeben konnte, ist das Entscheidende.
Nach dem Tode Anna Katharina Emmericks am 9. Februar 1824 machte sich Brentano an das Ordnen der Notizen. In Koblenz beginnt er 1826 mit der Anlage eines umfassenden Registers, „um nach einer Übersicht des Gleichartigen die Arbeit des Ganzen zu überschauen und zu beginnen".
Als erster zusammengefasater Band erschien im Jahre 1833 „Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi". Dieses Werk vermittelt einen außerordentlich plastischen Eindruck der Visionen und zeigt auch deutlich die Art der Bearbeitung des Dichters. Nicht so einfach gestaltete sich die Zusammenstellung der Tagebuchaufzeichnung für das geplante „Arme Leben unseres Herrn Jesu Christi" und des „Lebens der heiligen Jungfrau Maria". Erst nach seiner Übersiedlung nach München konnte Brentano darangehen, den spröden und ungeheuer umfangreichen Stoff zu bearbeiten. Der Dichter war alt und müde geworden, und oft schien es, als wolle er die ganze Arbeit liegen lassen. So schrieb er an einen Freund: „Ich sitze einsam wie in einer Wüste von Sandwogen über einem Schatz flüchtiger Blätter schützend hingebeugt und verschmachte mitten im Gewühle der Welt "



19.06.2022

Nachwort (Teil IV)

Es war am Donnerstag, dem 24. September 1818, als der „Pilger" das erste Mal mit der Stigmatisierten zusammentraf. Clemens Brentano, der in Frankfurt geborene Dichter der Romantik, dessen Lebenslauf durch alle Himmel und Höllen der irdischen und himmlischen Liebe hindurchführte, war von der göttlichen Gnade berührt. Nach einem unsteten Leben der Sinnenfreude fand Brentano nach langem inneren Ringen zur katholischen Kirche zurück. Am Bette der armen Leidenden, unter der Fülle der Gesichte, die sie ihm täglich bot, war er bald fasziniert von der Idee der Niederschrift. Trotz unzähliger Schwierigkeiten, die durch die Kranke und ihre Umgebung ihm, dem feinsinnigen und empfindlichen Dichter, entstanden, hat er dann mit Unterbrechungen bis zum Tode der Seherin an ihrem Krankenbett geweilt. Hier entstanden die Tagebücher und Aufzeichnungen in mühevoller und oft beschwerlicher Niederschrift.
Man hat Clemens Brentano den Vorwurf gemacht, er hätte die Visionen der Emmerick verfälscht und zu sehr mit seinen eigenen Empfindungen und Zusätzen angereichert. Wer die umfangreiche vorliegende Literatur über die Entstehung der Aufzeichnung aufmerksam verfolgt, wird aber bald die Feststellung treffen können, dass dem Aufzeichnenden gar keine andere Wahl blieb. Die genaue Überprüfung der einzelnen Zettel und Notizen zeigt die ungeheuren Schwierigkeiten auf, denen sich der Dichter gegenübersah. Hat doch die Emmerick in ihren Visionen keine fortlaufenden Bilder und Szenen geben können, sondern unzählige Male wird die Darstellung abgebrochen und unterbrochen. Oft klagt die Betrachtende, wenn sie aus ihren Visionen erwacht, dieses oder jenes sei ihr nicht mehr recht gegenwärtig, ein Name oder die Entwicklung einer Handlung seien ihr entfallen, und sie könne sich an nichts mehr erinnern. Dann bricht der Gang einer Vision plötzlich ab, um von neuen Bildern und Gleichnissen aus anderen Perioden des Lebens Christi überschachtelt zu werden.



18.06.2022

Nachwort (Teil III)

Es konnte nicht ausbleiben, dass die Kunde von der Stigmatisation der begnadeten Nonne nicht auf den engeren Kreis ihrer Bekannten beschränkt blieb. Von ärztlicher und kirchlicher Seite aus fanden Untersuchungen statt, die die Lage der leidenden Anna Katharina immer schwerer machen mussten. Sie sah sich gegen ihren Willen vor das Forum der ganzen Welt gezerrt. So wurde sie „aus einer Klostergemeinde in einer übermütigen, seichten und ungläubigen Zeit in die eitle Welt gestoßen und mit den Ordenszeichen der Passion Christi belehnt, musste das blutige Gewand des Keltertreters am lichten Tag vor vielen Menschen tragen, welche kaum an Jesu eigene Wunden, viel weniger an deren Ebenbild glaubten. So war sie, die so viele Stunden ihrer Jugend bei Tag und Nacht vor den Stationsbildern des Leidensweges Christi und vor den Kreuzen am Wege gebetet hatte, nun selbst wie ein Kreuz am Wege geworden, von den einen misshandelt, von den anderen mit Tränen der Buße begrüßt, von den dritten als Gegenstand der Kunst und Wissenschaft betrachtet und von den Unschuldigen mit Blumen geschmückt.
Gott aber hatte die arme demütige und leidende Nonne zu Seinem Werkzeug erwählt, auf dass Er verherrlicht würde. So berichtet sie: „Die vielen wunderbaren Mitteilungen aus dem Alten und Neuen Testamente und unzählbare Bilder aus dem Leben der Heiligen usw. waren mir alle durch die Barmherzigkeit Gottes gegeben, nicht allein zu meiner Belehrung, denn vieles konnte ich nicht fassen, sondern zur Mitteilung, um vieles Verschlossene und Versunkene wieder zu erwecken . .. Ich weiß, dass ich schon lange gestorben wäre; denn ich habe jetzt ein Bild gehabt und wäre längst gestorben, wenn nicht durch den ,Pilger' alles bekannt werden müsste. Er muss alles aufschreiben: denn die Prophezeiung, das heißt die Verkündigung der Gesichte ist meine Bestimmung. Und wenn der ,Pilger' erst alles in Ordnung hat und mit allem fertig ist, wird auch er sterben."



17.06.2022

Nachwort (Teil II)

In dem vom Ende des 15. Jahrhunderts stammenden Nonnenkloster herrschte bitterste Armut. In jener Zeit, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Aufklärung und der politischen Wirren in Deutschland, waren die religiösen Zustände in dem kleinen verarmten Kloster alles andere als ideal. Aber Anna Katharina begrüßte die Armut und die primitive Ausstattung der kleinen Zelle, in der es nicht einmal einen Stuhl mit Lehne gab. „Diese meine arme Zelle war mir doch so voll und prächtig, dass der ganze Himmel mir darin zu sein schien!"
Als im Dezember 1811 das Kloster Agnetenberg aufgehoben wurde, zog Anna Katharina in das Haus der Witwe Roters in Dülmen. Sie war so krank und schwach, dass sie nur mit Hilfe das neue Domizil erreichen konnte, das ihr nun die Klosterzelle ersetzen musste.
Hier in ihrem Stübchen im Dezember 1812, als sie mit ausgebreiteten Armen in ekstatischem Geist verweilte, wurde sie mit den Stigmen der Wundmale Christi begnadet. Dies war für sie eine neue große Pein, denn sie wünschte nichts sehnlicher, als dass ihre Leiden vor der Welt unbekannt blieben und dass sie nicht für viele zum Gegenstand der Bewunderung wurde. So sprach sie zum Dechant Rensing, als dieser sie aufsuchte:
„Gott erweist mir mehr Gnaden, als ich verdiene, und ich danke Ihm dafür; aber ich wünschte, dass Er diese Gnaden vor den Menschen verborgen hätte, denn ich fürchte, dass sie mich darum für besser halten als ich bin.



16.06.2022

Nachwort (Teil I)

Am Feste „Mariä Geburt", dem 8. September 1774, wurde dem Bauern Bernhard Emmerick und seiner Frau Anna, geb. Hillers zu Flamske bei Coesfeld in Westf., ein Mädchen geboren, das in der Taufe den Namen Anna Katharina erhielt. Schon als kleines Kind hatte sie Visionen, sie sah Bilder aus den Begebenheiten des Alten und Neuen Testamentes zu jeder Stunde des Tages und während jeglicher Beschäftigung. Da sie annahm, dass auch ihre Umgebung dieselben Gesichter wahrnahmen müsse, wurde sie bei der Erzählung über das Geschehene oft verspottet. Anna Katharina Emmerick berichtete in späteren Jahren hierüber:
„Als ich in meinem fünften bis sechsten Jahre den Artikel des katholischen Glaubensbekenntnisses betrachtete: ,Ich glaube an Gott Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde', da kamen mir allerlei Bilder von der Erschaffung des Himmels und der Erde vor die Seele. Ich sah den Sturz der Engel, die Erschaffung der Erde und des Paradieses, Adams und Evas und den Sündenfall. Ich dachte nicht anders, als dies sehe ein jeder Mensch so, wie die anderen Dinge um uns her, und so erzählte ich denn meinen Eltern, Geschwistern und Gespielen ganz unbefangen davon, bis ich merkte, dass man mich auslachte und fragte, ob ich ein Buch habe, worin das alles stehe. Da fing ich nach und nach an, von diesen Dingen zu schweigen . . . Ich habe diese Gesichte gehabt sowohl bei Nacht als auch bei hellem Tag im Feld, im Haus, gehend, arbeitend, bei allerlei Geschäften.
Schon in jungen Jahren spürte Anna Katharina eine heftige Sehnsucht zum Ordensstande. Trotz des Widerstandes der Eltern und ihres schlechten Gesundheitszustandes trat sie im September des Jahres 1802 in das Augustinerkloster Agnetenberg in Dülmen ein.



15.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil XIV)

Den Eingang in das Grab Mariä schlössen sie ganz, indem sie die vorgepflanzten Sträucher mit Erde fester anschlossen und den Graben davor verstärkten. Das Gärtchen vor dem Grab reinigten und verzierten sie und gruben einen Gang von der Rückseite des Grabhügels bis zu der hinteren Wand des Totenlagers und meißelten dort eine Öffnung in den Felsen, durch welche man auf das Grablager blicken konnte, wo der Leib der heiligsten Mutter geruht, die der sterbende Erlöser ihnen allen und Seiner Kirche in Johannes am Kreuze übergeben hatte. Oh, sie waren getreue Söhne, gehorsam dem vierten Gebot, und lange werden sie und ihre Liebe leben auf Erden! — Sie errichteten auch eine Art Zeltkapelle über der Grabhöhle, sie spannten ein Zelt von Teppichen und umgaben und deckten es mit Flechtwerk von Reisern. Sie bauten ein Altärchen hinein. Sie legten einen Stein als Stufe, richteten einen Stein auf und legten eine große ebene Steinplatte darüber. Hinter dieses Altärchen hängten sie einen kleinen Teppich an die Wand, auf welchen das Bild der heiligen Jungfrau ganz schlicht und einfach gewebt oder gestickt war, und zwar in bunten Farben, wie sie in ihrem Festkleide gekleidet war, braun und blau und rot gestreift. — Sie hatten, als sie fertig waren, einen Gottesdienst dort, wobei sie alle mit emporgehobenen Händen kniend beteten. — Sie richteten den Wohnraum Mariä in dem Hause ganz zu einer Kirche ein. Die Magd Mariä und einige andere Frauen blieben darin wohnen, und es wurden zwei Jünger, worunter einer von den Hirten jenseits des Jordans hier zurückgelassen zum geistlichen Troste der umherwohnenden Gläubigen. — Bald hierauf trennten sich auch die Apostel; Bartholomäus, Simon, Judas, Thaddäus, Philippus, Matthäus zogen zuerst nach einem rührenden Abschiede wieder nach ihren Berufsorten. Die übrigen, außer Johannes, der noch etwas verweilte, zogen vereint zuerst noch nach Palästina, wo sie sich auch wieder verteilten. Es waren viele Jünger dort, auch mehrere Frauen zogen von Ephesus mit nach Jerusalem. Maria Markus tat dort sehr viel für die Gemeinde, sie hatte eine Genossenschaft für wohl 20 Frauen errichtet, welche gewissermaßen klösterlich lebten, fünf derselben lebten ganz bei ihr im Haus. — Die Jünger versammelten sich immer bei ihr. Die christliche Gemeinde hatte die Kirche am Teiche Bethesda noch inne usw.
1Am 22. August sagte sie: Johannes allein ist noch in dem Hause. Alle anderen sind bereits abgereist. Ich sah Johannes nach dem Willen der heiligen Jungfrau die Kleider derselben an ihre Magd und eine andere Jungfrau verteilen, welche manchmal ihr zu dienen kam. Es war einiges aus Stoffen der heiligen drei Könige darunter. Ich sah zwei lange weißliche Kleider, mehrere lange Hüllen und Schleier, auch Decken und Teppiche. — Ich sah auch jenes gestreifte Überkleid ganz deutlich, das sie zu Kana und auf dem Kreuzweg angehabt und wovon ich ein kleines Streifchen besitze. — Einiges kam zur Kirche, und zum Beispiel aus dem schönen Brautkleid, himmelblau mit Gold durchnäht und mit Rosen bestreut, ward ein Opferornat für die Bethesdakirche in Jerusalem bereitet. In Rom sind noch Reliquien davon. Ich sehe sie, weiß aber nicht, ob man sie kennt. Maria hat es nur, während sie getraut ward, angehabt, nachher nie wieder.
Alles dieses Leben, Handeln und Wandeln ging still und heimlich, doch ohne jene Angst wie heutzutage vor sich. Die Verfolgung war noch keine Späherei geworden und der Friede nicht gestört.



14.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil XIII)

Der einfältige Knecht des Thomas war ihm aus dem fernen Lande, wo er zuletzt gewesen, gefolgt. Er hatte ein ganz fremdes Aussehen. Er hatte kleine Augen, eine eingedrückte Stirne und Nase und hohe Backenknochen. Seine Farbe war bräunlicher als hierzulande. Er war getauft und außerdem aber ganz wie ein unerfahrenes, gehorsames Kind. Er tat alles, was man ihm befahl, er blieb stehen, wo man ihn hinstellte, sah hin, wo man es gebot, und lachte jedermann an. Wo Thomas ihm gesagt hatte, sich hinzusetzen, da blieb er sitzen, und als er Thomas weinen sah, weinte auch er bitterlich. Dieser Mensch ist immer bei Thomas geblieben, er konnte große Lasten tragen, und ich habe ihn ganz gewaltige Steine heranschleppen sehen, als Thomas eine Kapelle baute.
Ich sah nach dem Tode der heiligen Jungfrau die versammelten Apostel und Jünger oft beieinander im Kreise stehen und sich gegenseitig erzählen, wo sie gewesen, und was ihnen begegnet war. — Ich habe alles gehört, es wird mir schon wieder einfallen, wenn es Gottes Wille ist.
20. August 1820 und 1821. — Nach mannigfacher Andacht haben die anwesenden Jünger nun meist Abschied genommen und sind wieder ihrem Berufe nachgezogen. Beim Hause sind noch die Apostel und Jonathan, der mit Thomas kam, und des Thomas Knecht anwesend. — Aber sie werden nun auch alle abreisen, sobald sie mit ihrer Arbeit fertig sind. Sie arbeiten nämlich alle daran, den Kreuzweg Mariä von Unkraut und Steinen zu reinigen und mit schönen passenden Sträuchern, Kräutern und Blumen zu verzieren. Sie tun dies alles unter Beten und Singen; es ist gar nicht zu sagen, wie rührend das anzusehen ist, es ist alles wie ein ernster Gottesdienst der trauernden Liebe, gar beweglich und doch so lieblich. Sie schmücken wie treue Kinder die Fußstapfen ihrer und ihres Gottes Mutter; die Fußstapfen, mit welchen sie den Marterpfad ihres göttlichen Kindes zum Erlösertode für uns in mitleidender Andacht gemessen hat.



13.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil XII)

Nun aber verlangten Thomas und Jonathan nach dem Grabe der heiligen Jungfrau, und die Apostel zündeten Leuchten an, die auf Stangen befestigt waren, und zogen alle mit ihnen hinaus auf dem Kreuzwege Mariä zu ihrem Grabe. Sie sprachen nicht viel, sie verweilten bei den Stationssteinen ein wenig, gedachten des Leidensweges des Herrn und der mitleidenden Liebe Seiner Mutter, welche diese Gedenksteine hier gegründet und so oft mit ihren Tränen begossen hatte. Bei dem Grabfelsen angekommen, warfen sich alle umher auf die Knie nieder, Thomas aber eilte mit Jonathan zuerst nach dem Eingang der Höhle, Johannes folgte ihnen. Zwei Jünger bogen das Gesträuch vor dem Eingang zurück, und sie traten hinein und knieten mit ehrfürchtiger Scheu vor dem Totenlager der heiligen Jungfrau nieder. -— Dann nahte sich Johannes dem leichten Korbsarge, der etwas über das Totenlager hervorragte, löste die drei grauen Binden auf, welche den Deckel umschlossen, und stellte diesen zur Seite, nun leuchteten sie in den Sarg und sahen mit tiefer Erschütterung die Grabtücher des heiligen Leibes in der ganzen Form der Einhüllung leer vor sich liegen. Uber dem Angesicht und der Brust waren sie auseinandergeschlagen, die Umwindungen der Arme lagen leicht aufgelöst, doch noch in gewickelter Form, wie sie gelegen, aber der verklärte Leib Marias war nicht mehr auf der Erde. Sie blickten mit aufgehobenen Armen staunend empor, als sei der heilige Leib ihnen jetzt erst entschwunden, und Johannes rief zu der Höhle hinaus: „Kommt und staunet, sie ist nicht mehr hier!" Da traten sie alle paarweise in die enge Höhle und sahen mit Staunen die leeren Grabtücher vor sich liegen, und hinausgetreten, knieten alle zur Erde, sahen die Arme gen Himmel hebend empor, weinten und beteten, priesen den Herrn und seine liebe verklärte Mutter, ihre liebe, treue Mutter, wie treue Kinder mit mancherlei süßen Liebesworten, wie der Geist sie ihnen auf die Lippen legte. — Da erinnerten sie sich wohl und gedachten jener Lichtwolke, welche sie gleich nach der Begrabung auf dem Heimwege aus der Feme gesehen, wie sie auf den Grabhügel niedergesunken und dann wieder emporgeschwebt war. — Johannes aber nahm die Grabtücher der heiligen Jungfrau mit großer Ehrfurcht aus dem Sargkorbe, faltete und rollte sie ordentlich zusammen und nahm sie zu sich, dann legte er den Deckel wieder über den Sarg und band ihn wieder mit den Binden zu. — Nun verließen sie die Grabhöhle, deren Eingang wieder mit dem Gesträuche geschlossen ward. — Betend und Psalmen singend, wandelten sie auf dem Kreuzwege zu dem Hause. Hier gingen sie alle in den Wohnraum Mariä. Johannes legte hier die Grabtücher ehrerbietig auf das Tischchen vor dem Betwinkel der heiligen Jungfrau. Thomas und die anderen beteten noch auf der Stelle, wo sie gestorben. — Petrus zog sich abgesondert zurück, als habe er eine geistliche Betrachtung; vielleicht bereitete er sich vor, denn ich sah hierauf den Altar vor dem Betort Mariä, wo deren Kreuz stand, aufrichten und Petrus einen feierlichen Gottesdienst hier halten, die übrigen standen reihenweise hinter ihm und beteten und sangen wechselseitig. Die heiligen Frauen standen mehr zurück an den Türen und an der Rückseite der Feuerstelle.



12.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil XI)

So habe ich denn die heilige Jungfrau nicht gewöhnlich sterben und nicht zum Himmel fahren sehen, sondern zuerst ihre Seele, dann ihren Leib von der Erde entnommen werden. Heimgekehrt, nahmen die Apostel und Jünger einige Speisen zu sich und gingen dann zur Ruhe. Sie schliefen außer dem Hause in angebauten Schoppen. Die Magd Mariä, welche in dem Hause zurückgeblieben war, um manches zu ordnen, und andere Frauen, welche zu ihrer Hilfe noch hier verweilten, schliefen in dem Räume hinter der Feuerstelle, wo die Magd während dem Begräbnis alles weggeräumt hatte, so dass es nun hier aussah wie in einer kleinen Kapelle, in welcher fortan die Apostel beteten und opferten. Heute abend sah ich die Apostel noch im Gebet und Trauer in ihrem Räume. Die Frauen waren schon zur Ruhe gegangen. Da sah ich den Apostel Thomas, mit zwei Begleitern reisemäßig geschürzt, vor dem Gitter des Hofes anlangen und pochen, dass man ihm öffne. — Es kam ein Jünger mit ihm, er hieß Jonathan und war der heiligen Familie verwandt.
Sein anderer Begleiter war ein sehr einfältiger Mann aus dem Lande, wo der fernste der heiligen drei Könige herkam, welches ich immer Partherme nenne, weil ich die Namen nicht genau behalten kann. Thomas hat ihn von daher mitgebracht, er trug ihm seinen Mantel und war wie ein kindlich gehorsamer Knecht. — Ein Jünger öffnete die Türe, und da Thomas mit Jonathan in den Raum der Apostel ging, befahl er seinem Diener, vor der Türe sitzen zu bleiben. Der gute braune Mann tat alles, was man ihm befahl, er setzte sich gleich ruhig nieder. Oh, wie waren sie betrübt, als sie hörten, dass sie zu spät gekommen. Thomas weinte wie ein Kind, da er von Maria Tod hörte. Die Jünger wuschen ihnen die Füße und erquickten sie ein wenig. Indessen waren die Frauen erwacht und aufgestanden, und als sie sich zurückzogen, führte man Thomas und Jonathan an die Stelle, wo die heilige Jungfrau gestorben. Sie warfen sich an die Erde und benetzten sie mit Tränen. Thomas kniete auch noch lange betend an Maria Altärchen. Seine Trauer war unaussprechlich rührend, ich muss noch weinen, wenn ich daran denke.— Als die Apostel mit ihrem Gebete, das sie nicht unterbrochen hatten, fertig geworden waren, gingen sie alle, die Angekommenen zu bewillkommnen. Sie fassten Thomas und Jonathan unter den Armen, zogen sie von den Knien auf, umarmten sie und führten sie in den vorderen Raum des Hauses und erquickten sie mit kleinen Broten und Honig, und sie tranken aus kleinen Krügen und Bechern. Sie beteten auch nochmals zusammen und umarmten sich alle untereinander.



11.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil X)

Ich sah in der Nacht mehrere Apostel und heilige Frauen in dem Gärtchen vor dem Grabfelsen beten und singen. Es senkte sich aber eine breite Lichtbahn von dem Himmel zu dem Felsen, und ich sah sich in ihr eine Glorie von drei Kreisen, von Engeln und Geistern niederbewegen, welche die Erscheinung unseres Herrn und der leuchtenden Seele Marias umgaben. Die Erscheinung Jesu Christi mit hellstrahlenden Wundmalen schwebte vor ihr her. Um die Seele Maria sah ich im innersten Kreis der Glorie nur kleine Kindergestalten, im zweiten Kreis erschienen sie wie von sechsjährigen Kindern und im äußersten gleich erwachsenen Jünglingen. Nur die Angesichter erkannte ich deutlich, alles übrige sah ich nur wie schimmernde Lichtgestalten. Als diese Erscheinung, immer deutlicher werdend, sich bis auf den Felsen ergossen hatte, sah ich von ihr bis hinauf in das himmlische Jerusalem eine leuchtende Bahn eröffnet. — Nun aber sah ich die Seele der heiligen Jungfrau, welche der Erscheinung Jesu folgte, bei dieser vorüber durch den Felsen in das Grab niederschweben und bald darauf, mit ihrem verklärten Leibe vereinigt, viel deutlicher und leuchtender aus demselben heraussteigen und mit dem Herrn und der ganzen Glorie in das himmlische Jerusalem hinaufziehen, worauf aller Glanz wieder einsank und der stille Sternhimmel die Gegend bedeckte.
Ob die vor dem Grabe betenden Apostel und heiligen Frauen alles dieses auch so gesehen haben, weiß ich nicht, aber ich sah, dass sie anbetend und staunend emporschauten oder sich erschüttert mit dem Gesicht auf die Erde niederwarfen. Auch sah ich, wie einzelne, die betend und singend auf dem Kreuzwege mit der Tragbahre heimzogen und bei den einzelnen Stationen verweilten, sich mit großer Rührung und Andacht nach dem Lichte über dem Grabfelsen hinwendeten.



10.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil IX)

Hierauf sah ich den Sarg auf eine Tragbahre legen und von Petrus und Johannes auf den Schultern aus dem Hause hinaustragen. Sie müssen wohl gewechselt haben, denn ich sah später sechs Apostel als Träger, vom Jakob den Kleineren und Größeren, in der Mitte Bartholomäus und Andreas und hinten Thaddäus und Matthäus. Die Tragestangen steckten wohl in einer Matte oder einem Leder, denn ich sah den Sarg zwischen ihnen wie in einer Wiege hängen. Ein Teil der anwesenden Apostel und Jünger ging voraus, andere und die Frauen folgten. Es dämmerte schon, und es wurden vier Leuchter auf Stangen um den Sarg getragen. — So ging der Zug auf dem Kreuzweg Marias bis zur letzten Station und kam über den Hügel dem Stationsstein vorüber zur Rechten des Grabeinganges an. Hier setzten sie den heiligen Leib nieder, und vier brachten ihn in die Grabhöhle und legten ihn in das ausgetiefte Totenlager. Alle Anwesenden gingen noch einzeln hinein, legten Gewürze und Blumen umher, knieten und opferten Tränen und Gebet.
Es waren viele, Schmerz und Liebe machten sie verweilen; es war schon Nacht, als die Apostel den Grabeingang verschlossen. Sie machten einen Graben vor dem engen Eingang der Höhle und pflanzten ein Flechtwerk von verschiedenen grünen, teils blühenden, teils Beeren tragenden Sträuchern, die sie mit den Wurzeln anderwärts ausgehoben hatten, hinein; so dass auch keine Spur von dem Eingang zu sehen war, um so mehr, da sie eine nahe Quelle vor diesem Busche vorüber leiteten. Man konnte nicht anders mehr in die Höhle, als wenn man sich von der Seite hinter dem Strauche hineindrängte. — Sie kehrten zerstreut zurück und verweilten noch hie und da betend auf dem Kreuzwege, einzelne wachten auch im Gebet bei dem Grabe. -— Die Heimkehrenden sahen aus der Feme ein wunderbares Leuchten über dem Grabe Mariä und waren dadurch gerührt, ohne zu wissen, was es eigentlich sei. Ich sah es auch und erinnere mich aus vielem anderen nur noch so viel davon. Es war, als senke sich vom Himmel eine Lichtbahn gegen das Grab nieder und eine feine Gestalt in ihr, gleich der Seele der heiligen Jungfrau, begleitet von der Gestalt unseres Herrn; aus dem Grabe aber erhob sich der Leib Marias leuchtend mit der leuchtenden Seele vereinigt und zog mit der Erscheinung des Herrn zu dem Himmel empor. Alles das liegt noch gleich einer Ahnung und doch deutlich vor meiner Erinnerung.



09.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil VIII)

Die Apostel hatten indes dem feierlichen Opfer des Petrus beigewohnt und das heilige Sakrament mit ihm empfangen, worauf ich Petrus und Johannes noch in großen bischöflichen Mänteln aus dem Vorhaus zu dem heiligen Leibe hereintreten sah. Johannes trug ein Salbengefäß, und Petrus tauchte den Finger der rechten Hand hinein und salbte die Stirne, die Mitte der Brust, die Hände und Füße der heiligen Jungfrau unter Gebet. Es war dieses nicht die Letzte Ölung, welche sie noch lebend empfangen. Er strich mit der Salbe über Hände und Füße, Stirn und Brust bezeichnete er mit Kreuzen. Ich glaube, es war Ehrerweisung gegen den heiligen Leib, wie es auch bei der Beerdigung des Herrn geschehen ist. — Als die Apostel hinweggegangen, setzten die Frauen die Leichenbereitung fort. Sie legten dem heiligen Leibe Myrrhenbüsche unter die Arme in die Achselhöhlen und in die Herzgrube, sie füllten den Raum zwischen den Schultern, um den Hals und um die Kinnladen und die Wangen damit aus; auch die Füße lagen ganz von solchen Gewürzbüschen umgeben. Nun kreuzten sie die Arme über die Brust, schlugen den heiligen Leib in das große Grabtuch ein und wickelten ihn vermittelst der unter dem einen Arm eingeklemmten Binde wie eine lange Puppe. Über dem Angesicht lag ein durchsichtiges Schweißtuch zurückgeschlagen, und man sah es weiß und leuchtend zwischen den Kräuterbüschen ruhen. Nun legten sie den heiligen Leib in den Sarg, der wie ein Bettchen zur Seite stand, er war wie ein Brett mit niederem Rand und hatte eine leichte, gewölbte Decke und war wie ein länglicher Korb. Jetzt legten sie ihm einen Kranz von weißen, roten und himmelblauen Blumen als Zeichen der Jungfräulichkeit auf die Brust. — Nun traten alle Apostel, Jünger und Anwesende herein, um das liebe heilige Antlitz noch einmal zu sehen, ehe es verhüllt war. Sie knieten unter vielen Tränen still um die heilige Jungfrau herum und berührten die auf der Brust eingewickelten Hände Marias, Abschied nehmend, worauf sie sich hinwegbegaben. Jetzt nahmen auch die heiligen Frauen den letzten Abschied, verhüllten dann das heilige Angesicht und deckten den Deckel über den Sarg, den sie mit grauen Binden an beiden Enden und in der Mitte umwickelten.



08.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil VII)

Die Frauen legten den Leib der heiligen Jungfrau in seiner ganzen Einhüllung von dem Sterbelager in einen langen Korb, der mit der Leib über ihm erhoben lag. Jetzt hielten zwei Frauen ein breites Tuch über dem Leibe ausgespannt, und zwei andere entkleideten den Leib unter diesem Tuche von seiner Hülle und Kopfbedeckung, so dass er nur mit dem langen wollenen Hemde bekleidet war. Sie schnitten die schönen Locken der heiligen Jungfrau zu ihrem Andenken ab. Ich sah hierauf, dass diese beiden Frauen den heiligen Leib wuschen, sie hatten etwas Krauses in den Händen, wahrscheinlich Schwämme, das lange Hemd, das den Leib bedeckte, war zertrennt. Sie verfuhren mit großer Scheu und Ehrfurcht, sie wuschen den Leib mit den Händen unter der übergehaltenen Decke, ohne ihn anzublicken, denn die Decke trennte ihre Augen von demselben. Jede Stelle, welche der Schwamm berührt hatte, ward sogleich wieder bedeckt, die Mitte des Leibes blieb verhüllt, nicht die kleinste Entblößung fand statt. Eine fünfte der Frauen drückte die Schwämme in ein Becken aus und füllte sie neuerdings, dreimal sah ich das Becken in eine Grube bei dem Hause ausleeren und frisches Wasser zutragen. — Der heilige Leib ward mit einer neuen offenen Hülle bekleidet und mittels untergelegter Tücher ehrerbietig auf eine Tafel gehoben, auf welcher schon die Leichentücher und Binden zum bequemen Gebrauch nach der Ordnung untergelegt waren. Sie wickelten nun den Leib von den Fußknöcheln bis gegen die Brust in die Tücher und Binden fest ein; Haupt, Brust, Hände und Füße waren noch frei von den Binden.



07.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil VI)

Nun deckten die Frauen eine Decke über den heiligen Leib, und die Apostel und Jünger begaben sich in den vorderen Teil des Hauses. Das Feuer des Herdes ward zugedeckt, alles Geräte des Hauses ward beiseite geräumt und verdeckt. Die Frauen verhüllten und verschleierten sich und saßen im Vorhaus in der Kammer an der Erde zusammen und hielten abwechselnd kniend und sitzend eine Totenklage. — Die Männer verhüllten das Haupt mit jener Zeugbahn, die sie um den Hals trugen, und hielten einen Trauergottesdienst. Zwei knieten immer abwechselnd betend zu Häupten und Füßen des heiligen Leibes. Matthäus und Andreas gingen auf dem Kreuzwege der heiligen Jungfrau bis zu der letzten Station, jener Höhle, die das Grab Christi vorstellte. Sie hatten Werkzeuge bei sich, um das Grablager noch mehr auszuarbeiten, denn hier sollte der Leib der heiligen Jungfrau ruhen. Die Grabhöhle war nicht so geräumig wie das Grab des Herrn und kaum so hoch, dass ein Mann aufrecht hineingehen konnte. Der Boden senkte sich beim Eingang, dann stand man vor dem Totenlager wie vor einem schmalen Altar, über den sich die Felsenwand herüberwölbte. Die beiden Apostel arbeiteten noch manches daran aus und bereiteten eine Türe, die man vor das Grablager schließend setzte. In dem Grablager war eine Vertiefung von der ungefähren Form eines eingehüllten Leibes, an dem Kopf etwas erhöht ausgehöhlt. Vor der Höhle war wie vor Christi Grab ein durch Stangen umzäuntes kleines Gärtchen. Nicht weit davon lag die Station des Kalvarienberges auf einem Hügel, es war kein Kreuz darauf errichtet, sondern nur in einem Stein eingehauen; es war wohl eine halbe Stunde Wegs von Mariä Wohnhaus bis hierher. Viermal habe ich die Apostel, welche bei dem heiligen Leibe betend wachten, abwechseln sehen. Heute sah ich eine Anzahl Frauen, worunter ich mich einer Tochter Veronikas und der Mutter des Johannes Markus erinnere, kommen, um den Leib zur Beerdigung zu bereiten. Sie brachten Tücher und Gewürze mit, um ihn auf judische Weise zu balsamieren. Alle hatten sie auch kleine Töpfe, mit einem noch frischen Kraut, zugetragen. Das Haus ward geschlossen, sie hatten Lichter bei ihrem Geschäft, die Apostel beteten in der Vorstube chorweise.



06.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil V)

Sie aber schwebte durch alle hindurch zum Throne Gottes und ihres Sohnes hin, Der, mit dem Lichte Seiner Wunden das Licht Seiner ganzen Erscheinung noch überstrahlend, sie mit göttlicher Liebe empfing und ihr etwas, gleich einem Zepter, überreichte und rings wie über die Erde niederzeigte, als übergebe Er ihr eine Gewalt. — So sah ich sie in die himmlische Glorie eingehen und hatte das ganze Bild auf der Erde um sie her vergessen. — Einige Apostel, zum Beispiel Petrus und Johannes, müssen dieses auch gesehen haben, denn sie hatten ihr Angesicht emporgerichtet. Die anderen knieten meistens ganz zur Erde gebeugt. Alles war voll Licht und Glanz. Es war wie bei Christi Himmelfahrt. Ich sah, was mich sehr erfreute, der Seele Marias, als sie zum Himmel einging, eine große Anzahl erlöster Seelen aus dem Fegfeuer folgen — und auch heute am Gedächtnistag sah ich viele arme Seelen in den Himmel eingehen, worunter mehrere, die ich kannte. Es ward mir auch die tröstliche Mitteilung, dass jährlich an ihrem Sterbetag viele Seelen ihrer Verehrer dieser Gnadenwirkung teilhaftig würden.
Als ich wieder zur Erde niederschaute, sah ich den Leib der heiligen Jungfrau glänzend, mit blühendem Angesicht, geschlossenen Augen und über der Brust gekreuzten Armen auf dem Lager ruhen. — Die Apostel, Jünger und Frauen lagen rings auf den Knien und beteten. — Es war, während ich alles dieses sah, ein liebliches Tönen und eine Bewegung in der ganzen Natur, auf die Weise, wie ich es in der Christnacht vernommen habe. — Ihre Todesstunde erkannte ich als nach der Nona, wo auch der Herr gestorben.



05.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil IV)

Petrus nahte ihr und gab ihr die heilige Letzte Ölung ungefähr auf dieselbe Weise, wie es auch heutzutage geschieht, er salbte sie mit dem heiligen Öle aus den Büchsen, die Johannes hielt, im Angesicht, auf Händen und Füßen und an der Seite, wo ihr Gewand eine Öffnung hatte, so dass sie nicht im mindesten enthüllt ward. Es ward dabei von den Aposteln chorweise gebetet. — Dann reichte Petrus ihr das heilige Sakrament. Ohne sich zu stützen, richtete sie sich auf, um es zu empfangen, und sank dann wieder zurück. Die Apostel beteten eine Weile, und nun empfing sie, etwas weniger aufgerichtet, den Kelch von Johannes. — Ich sah beim Empfang des heiligen Sakraments einen Glanz in Maria eingehen, worauf sie wie entzückt niedersank und nicht mehr sprach. — Die Apostel begaben sich nun mit den heiligen Gefäßen in feierlicher Ordnung wieder zum Altar im Vorhaus zurück, wo sie den Gottesdienst fortsetzten. Jetzt empfing auch der heilige Philippus das heilige Sakrament. — Es waren nur ein paar Frauen bei der heiligen Jungfrau geblieben.
Später sah ich die Apostel und Jünger wieder um das Lager der heiligen Jungfrau betend stehen. Marias Angesicht war blühend und lächelnd wie in ihrer Jugend. Sie hatte die Augen mit heiliger Freude gen Himmel gerichtet. — Da sah ich ein wunderbar rührendes Bild. Die Decke über Marias Zelle war verschwunden, die Lampe hing in freier Luft, ich sah wie durch den offenen Himmel in das himmlische Jerusalem hinein. Es senkten sich zwei Flächen von Glanz wie Lichtwolken herab, aus welchen viele Angesichter von Engeln erschienen. Zwischen diesen Wolken goß sich eine Lichtbahn zu Maria nieder. Ich sah von Maria über einen leuchtenden Berg hinan bis in das himmlische Jerusalem hinein. — Sie streckte die Arme mit unendlicher Sehnsucht entgegen, und ich sah ihren Leib in seiner ganzen Enthüllung so hoch über ihrem Lager emporschweben, dass man darunter hinwegsehen konnte. — Ich sah aber ihre Seele wie eine kleine, unendlich reine Lichtgestalt mit emporgestreckten Armen aus ihrem Leibe ausgehen und auf der Lichtbahn, die wie ein glänzender Berg himmelan stieg, hinaufschweben. — Die zwei Engelchöre in den Wolken schlössen sich unter ihrer Seele zusammen und trennten sie von dem heiligen Leibe, der im Momente der Scheidung die Arme über der Brust kreuzend wieder auf das Lager sank. — Mein Blick, ihrer Seele folgend, sah sie auf der leuchtenden Straße in das himmlische Jerusalem hineingehen bis zum Throne der allerheiligsten Dreifaltigkeit. Ich sah ihr viele Seelen, worunter ich viele Patriarchen und Joachim, Anna, Joseph, Elisabeth, Zacharias und Johannes den Täufer erkannte, mit freudiger Ehrfurcht entgegenziehen.



04.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil III)

Sie waren noch mit ihrer Kleidung beschäftigt, als Jakobus der Größere mit drei Gefährten ankam. Er kam mit Timon, dem Diakon, aus Spanien über Rom und war diesseits dieser Stadt mit Eremensear und einem dritten zusammengetroffen. — Die Anwesenden, im Begriff, an den Altar zu treten, bewillkommneten ihn mit feierlichem Ernst und sagten ihm mit wenigen Worten, zu der heiligen Jungfrau zu gehen. — Da wusch man ihnen die Füße, sie ordneten ihr Gewand, und so gingen sie noch in Reisekleidern zu der heiligen Jungfrau und empfingen ihren Segen gleich den anderen, zuerst er allein, dann seine drei Begleiter zusammen, worauf er sich auch zu dem Gottesdienste begab. — Der Gottesdienst war schon etwas vorgerückt, als Philippus mit einem Begleiter aus Ägypten ankam. Er begab sich sogleich zu der Mutter des Herrn, empfing ihren Segen und weinte heftig.
Petrus hatte indessen das heilige Opfer vollendet, er hatte konsekriert, den Leib des Herrn empfangen und den anwesenden Aposteln und Jüngern gereicht. — Die heilige Jungfrau konnte nicht auf den Altar sehen, aber sie saß während der heiligen Handlung immer in tiefer Andacht aufrecht auf ihrem Lager. — Nachdem Petrus kommuniziert hatte, reichte er auch allen anderen Aposteln das heilige Sakrament, und nun brachte er der heiligen Jungfrau das heilige Abendmahl und die Letzte Ölung.
Alle Apostel begleiteten ihn in feierlicher Ordnung. Thaddäus schritt mit einem Weihrauchbecken räuchernd voraus, Petrus trug das Allerheiligste in dem kreuzförmigen Behälter, von dem ich früher gesprochen, vor der Brust; ihm folgte Johannes, er trug ein Tellerchen, worauf der Kelch mit dem heiligen Blute und einige Büchsen standen. Der Kelch war klein, weiß und dick wie gegossen. Er hatte einen so kurzen Stiel, dass man ihn nur mit ein paar Fingern fassen konnte, er hatte einen Deckel und war übrigens von der Gestalt des Abendmahlkelches. — In dem Betwinkel neben dem Lager der heiligen Jungfrau war vor dem Kreuze ein kleiner Altar durch die Apostel errichtet worden. Die Magd hatte einen Tisch hingebracht, den sie rot und weiß bedeckt hatten. Es brannten Lichter darauf, ich glaubte, es seien Kerzen und Lampen. — Die heilige Jungfrau ruhte still und bleich auf dem Rücken. Sie schaute mit unverwandten Blicken aufwärts, redete mit niemand und war wie in steter Entzückung. Sie schimmerte von Sehnsucht, ich konnte diese Sehnsucht, welche sie emporzog, fühlen; — ach, mein Herz wollte auch mit dem ihren zu Gott hinauf!



03.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil II)

Gegen Abend, als die heilige Jungfrau erkannte, dass ihr Ende herannahe, wollte sie nach dem Willen Jesu die anwesenden Apostel, Jünger und Frauen segnen und von ihnen Abschied nehmen. — Ihre Schlafzelle war nach allen Seiten hin geöffnet, sie saß schimmernd weiß, wie durchleuchtet, aufgerichtet auf ihrem Lager. — Die heilige Jungfrau betete und segnete einen jeden mit kreuzweis gelegten Händen, indem sie seine Stirne berührte. Sie redete dann noch zu allen und tat überhaupt, wie Jesus ihr zu Bethanien befohlen hatte. Als Petrus zu ihr ging, sah ich, dass er eine Schriftrolle in der Hand hatte. Zu Johannes sagte sie, wie es mit ihrem Leibe solle gehalten werden und wie er ihre Kleider an ihre Magd und eine andere arme Jungfrau aus der Gegend, welche ihr manchmal zu dienen kam, verteilen solle. — Die heilige Jungfrau zeigte hierauf nach dem Verschlage hin, der ihrer Schlafzelle gegenüber stand, und ich sah, dass ihre Magd hinging, den Verschlag öffnete und wieder verschloss. — Da sah ich alle Kleidungsstücke der heiligen Jungfrau und will sie später erzählen. — Nach den Aposteln nahten sich die anwesenden Jünger dem Lager der heiligen Jungfrau und empfingen den Segen gleich diesen. — Die Männer begaben sich hierauf wieder in den vorderen Raum des Hauses und bereiteten sich zu dem Gottesdienst, während die anwesenden Frauen dem Lager der heiligen Jungfrau nahten, niederknieten und ihren Segen empfingen. Ich sah, dass eine unter ihnen, welche sich ganz über Maria hinbeugte, von ihr umarmt wurde.
Unterdessen ward der Altar gerüstet, und die Apostel kleideten sich zum Gottesdienst in ihre langen weißen Kleider und breiten Gürtel mit Buchstaben. Fünf von ihnen, welche bei der feierlichen Opferhandlung beschäftigt waren, wie ich sie Petrus nach Himmelfahrt zuerst in der neuen Kirche am Teiche Bethesda halten gesehen, legten die großen prächtigen Priesterkleider an. Der Priestermantel Petri, welcher die heilige Handlung hielt, war hinten sehr lang, ohne doch zu schleppen. Es muss unten etwas wie ein Reif darin sein, denn ich sehe ihn rund und breit abstehen.



02.06.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Tod der heiligen Jungfrau. Bestimmung des Todesjahres. Vision vom Eingang ihrer Seele in den Himmel (Teil I)

(Am 14. August 1821 erzählt.)
Am 14. August 1821 nach Mittag sprach die Seherin zu dem Schreiber: „Ich will jetzt vom Tode der heiligen Jungfrau erzählen, wenn ich nur nicht gestört werde, sagen sie, dass mein Nichtchen mich nicht unterbrechen soll, sie möge sich in der Vorstube ein wenig gedulden." — Als der Schreiber dieses getan und zurückgekehrt war, sprach er: „Nun erzähle"; — sie aber sprach vor sich hinstarrend: „Wo bin ich denn, ist es Morgen oder Abend?" — Der Schreiber: „Du wolltest vom Tode der heiligen Jungfrau erzählen!" — „Da sind ja die Leute, die Apostel, frage sie selbst, du bist gelehrter als ich, du kannst sie besser fragen, sie gehen den Kreuzweg und arbeiten am Grabe der Muttergottes usw." —- (Sie sah bereits die Handlung nach dem Tode Mariä, als sie dies äußerte. Nach einer Pause fuhr sie fort, indem sie die vorkommenden Zahlen mit den Fingern darstellte.) — „Sieh, welche Zahl, ein Strich I und dann ein V zusammen, ist das nicht vier? Dann wieder ein V und drei Striche, ist das nicht acht? Dies ist mit Buchstabenzahlen nicht richtig geschrieben; ich sehe es aber so, als seien es Ziffern, weil ich so hohe Zahlen in Buchstaben nicht verstehe. •— Es soll heißen: das Jahr 48 nach Christi Geburt ist das Jahr des Todes der heiligen Jungfrau. Weiter sehe ich X und III und dann zwei Vollmonde • wie man sie im Kalender abbildet, das heißt dreizehn Jahre und zwei Monate nach Christi Himmelfahrt starb die heilige Jungfrau. Es ist jetzt der Monat ihres Todes nicht. Ich meine, es ist schon ein paar Monate vorüber, dass ich dieses Bild auch gesehen habe. Ach, ihr Tod war voll Trauer und voll Freude! usw. — (Fortwährend in diesem Zustande von Innigkeit erzählte sie hierauf folgendes:)
Ich sah schon gestern Mittag große Trauer und Sorge im Hause der heiligen Jungfrau. Ihre Magd war aufs äußerste betrübt, sie warf sich bald hie und da in Winkeln des Hauses, bald vor dem Hause auf die Knie und betete weinend mit ausgebreiteten Armen.
Die heilige Jungfrau ruhte still und wie todesnah in ihrer Zelle. Sie war ganz, selbst über die Arme, in eine weiße Schlafhülle eingewickelt, wie ich es bei ihrem Schlafengehen in Elisabeths Haus bei der Heimsuchung beschrieben habe. Der Schleier über ihrem Haupte war in Querfalten auf der Stirne geschürzt; mit Männern sprechend, zog sie ihn über das Antlitz nieder. Selbst ihre Hände waren nur, wenn sie allein war, unbedeckt. — Ich sah sie in der letzten Zeit nie etwas nehmen als dann und wann ein Löffelchen voll eines Saftes, den ihr die Magd aus einer traubenartigen Frucht von gelben Beeren in das Schälchen neben ihrem Lager drückte.



01.06.2022

Wirkung der Reliquien der Apostel bei diesen Anschauungen

Während diesen Anschauungen standen unter den vielen Reliquien, die ich besitze, auch jene von Andreas, Bartholomäus, Jakobus Major, Jakobus Minor, Thaddäus, Simon, Kannaneus, Thomas und mehreren Jüngern und heiligen Frauen an meiner Seite; alle diese traten in jene Folge, in der sie zu Maria gekommen, heller und deutlicher erst zu mir heran und dann in das Bild ein. — Thomas sah ich auch zu mir herantreten, aber er trat nicht in das Bild von Marias Tod ein, er war fern und kam zu spät. — Ich sah auch, dass er jener Zwölfte war, welcher fehlte.
Ich sah ihn sehr fem unterwegs. Ich sah auch fünf Jünger in das Bild eintreten und erinnere mich des Simeon Justus und Barnabas (oder Barsabas), deren Gebeine bei mir waren, besonders deutlich. — Von den drei anderen war einer der Hirten Söhne, welche Jesum auf Seinen weiten Reisen nach Lazari Erweckung begleitet (Eremenzear), — die beiden anderen waren aus Jerusalem.
Ich sah auch Maria Heli, die ältere Schwester der heiligen Jungfrau, und ihre jüngere Stiefschwester, eine Tochter Annas aus zweiter Ehe, bei ihr eintreten. Maria Heli (Weib des Kleophas, Mutter der Maria Kleophä, Großmutter des Apostels Jakob Minor, Thaddäus, Simon usw.) war schon eine sehr alte Frau. (20 Jahre älter als die heilige Jungfrau.) — Alle diese heiligen Frauen wohnten in der Nähe, sie waren schon früher vor der Verfolgung aus Jerusalem in diese Gegend geflüchtet. Manche wohnten in Felsenhöhlungen, die durch Flechtwerk zu Wohnungen ergänzt waren.


31.05.2022

Wie die Apostel zu Mariä Tod berufen wurden (Teil III)

Thomas war in Indien, als er die Mahnung erhielt, hatte sich aber schon vor dieser Mahnung entschlossen, mehr mitternächtlich bis in die Tartarei zu ziehen, und konnte sich nicht bezwingen, es zu unterlassen. Er wollte immer zu viel tun und kam darum oft zu spät. So zog er denn noch weiter gen Mitternacht, schier über China, wo jetzt Russland ist, da ward er nochmals gerufen und eilte nach Ephesus. — Der Knecht, den er bei sich hatte, war ein Tartare, den er getauft. Es ist später noch etwas aus diesem Menschen geworden. Ich habe es vergessen. -— Thomas kam nicht wieder in die Tartarei nach Mariä Tod. Er ward in Indien mit einer Lanze durchstochen. Ich habe auch gesehen, dass er in diesem Land einen Stein aufgerichtet, auf ihn gekniet und gebetet hat, dass die Spuren seiner Knie sich darauf abgedrückt und dass er gesagt, wenn das Meer bis zu diesem Steine reiche, werde ein anderer hier Jesum Christum verkünden. Johannes war kurz vorher in Jericho gewesen, er reiste öfters ins gelobte Land. Er verweilte gewöhnlich in Ephesus und der Umgegend, und in dieser war auch der Ruf an ihn ergangen.
Bartholomäus war östlich vom Roten Meer in Asien. Er war schön und sehr gewandt. Er war weiß von Farbe, hatte eine hohe Stirne, große Augen, schwarze krause Haare, einen kleinen, krausen, gespaltenen, schwarzen Bart. Er hatte gerade einen König und dessen Familie bekehrt. Ich sah alles und will es seiner Zeit erzählen. Als er dorthin zurückgekehrt, ward er vom Bruder jenes Königs gemordet.
Wo Jakob der Kleinere gerufen ward, habe ich vergessen. Er war sehr schön und hatte eine große Ähnlichkeit mit unserem Herrn, weswegen er auch von allen seinen Brüdern der Bruder des Herrn genannt ward.
Von Matthäus sah ich heute wieder, dass er der Sohn des Alphäus aus früherer Ehe war, den er seiner zweiten Frau Maria (Kleophä Tochter) als Stiefsohn zubrachte. — Andreas vergaß ich.
Paulus ward nicht gerufen. Es wurden nur jene gerufen, die mit der heiligen Familie verwandt oder bekannt waren.



30.05.2022

Wie die Apostel zu Mariä Tod berufen wurden (Teil II)

Als der Ruf des Herrn an die Apostel erging, sich nach Ephesus zu begeben, befand sich Petrus, und ich meine, auch Matthias in der Gegend von Antiochien. — Andreas, von Jerusalem kommend, wo er Verfolgung erlitten, befand sich nicht weit von ihm. — Ich sah Petrus und Andreas nachts und unterwegs an verschiedenen Orten, doch nicht sehr weit voneinander schlafen. Sie befanden sich beide in keiner Stadt, sondern ruhten in solchen öffentlichen Herbergen, wie sie sich dort in den heißen Ländern am Wege befinden. — Petrus lag an einer Mauer. Ich sah einen leuchtenden Jüngling ihm nahen, der ihn, bei der Hand fassend, weckte und ihm sagte, er solle sich erheben und zu Maria eilen, er werde Andreas auf dem Wege finden. Ich sah, dass Petrus, der vor Alter und Anstrengimg schon steif war, sich aufrichtete und mit den Händen auf die Knie stützte, während er den Engel anhörte. — Kaum war die Erscheinung verschwunden, so erhob er sich, legte seinen Mantel um, schürzte sich in seinen Gürtel, ergriff seinen Stab und machte sich auf den Weg. — Bald begegnete ihm Andreas, den dieselbe Erscheinung gerufen; weiter reisend, trafen sie mit Thaddäus zusammen, dem es auch so gesagt worden war. So kamen sie bei Maria an, wo sie Johannes trafen.
Judas Thaddäus und Simon waren in Persien, als der Ruf sie traf.
Thomas war von untersetzter Statur und hatte rotbraune Haare. Er war am weitesten entfernt und kam erst nach dem Tod Mariä. Ich habe gesehen, wie der rufende Engel zu ihm kam. Er war sehr fern. Er war in keiner Stadt, sondern in einer Hütte von Rohr und betete, als ihm der Engel befahl, nach Ephesus zu ziehen. — Ich habe ihn mit einem gar einfältigen Diener allein in einem kleinen Kahn weit übers Wasser fahren sehen; dann zog er quer durchs Land und berührte, wie ich meine, keine Stadt. Es kam noch ein Jünger mit ihm.



29.05.2022

Wie die Apostel zu Mariä Tod berufen wurden (Teil I)

Einige Zeit vor dem Tode der heiligen Jungfrau, als sie das Herannahen ihrer Wiedervereinigung mit ihrem Gotte, ihrem Sohne, ihrem Erlöser, inne ward, betete sie, dass an ihr erfüllt werden möge, was Jesus ihr am Tage vor Seiner Himmelfahrt im Hause Lazari zu Bethanien verheißen. — Es ward mir aber im Geiste gezeigt, wie damals Jesus ihr, die flehte, nach Seiner Himmelfahrt nicht mehr lange in diesem Jammertale zu leben, im allgemeinen sagte, welche geistliche Arbeiten sie noch bis zu ihrem Ende auf Erden verrichten solle, und ihr eröffnete, dass auf ihr Gebet die Apostel und mehrere Jünger bei ihrem Tode gegenwärtig sein würden, und was sie diesen sagen und wie sie dieselben segnen solle. — Ich sah auch, wie Er damals der trostlosen Magdalena sagte, sich in die Wüste zu verbergen, und ihrer Schwester Martha, eine Genossenschaft von Frauen zu bilden; Er aber wolle immer bei ihnen sein.
Als die heilige Jungfrau um die Ankunft der Apostel bei ihr gebetet hatte, sah ich nach sehr verschiedenen Gegenden der Welt hin den Ruf an die Apostel ergehen, im Augenblick ist mir noch folgendes erinerlich:
Die Apostel hatten an mehreren Orten, wo sie gelehrt, bereits kleine Kirchen errichtet, wenn auch manche davon noch nicht von Steinen gemauert, sondern bloß von Reisern geflochten und mit Lehm beworfen waren, so hatten doch alle, die ich gesehen, an der hinteren Seite die halbrunde oder dreiseitige Form wie das Haus Mariä bei Ephesus. — Sie hatten Altäre darin und opferten das heilige Meßopfer.
Alle, auch die Entferntesten, sah ich durch Erscheinungen zu der heiligen Jungfrau berufen. — Überhaupt geschahen die unbeschreiblich weiten Reisen der Apostel nicht ohne wunderbare Mitwirkung des Herrn. Ich glaube, dass sie oft, ohne es vielleicht selbst zu wissen, auf eine übernatürliche Weise gereist sind, denn oft sah ich sie mitten durch das Gedränge der Menschen hindurch ziehen, ohne dass irgend jemand sie zu sehen schien.
Ich sah die Wunder der Apostel bei verschiedenen heidnischen und wilden Völkern von ganz anderer Art als ihre Wunder, die wir aus der heiligen Schrift kennen. Sie wirkten überall Wunder nach dem Bedürfnisse der Menschen. — Ich sah, dass sie alle auf ihren Reisen Gebeine der Propheten oder in den ersten Verfolgungen umgekommener Märtyrer mit sich führten und bei ihrem Gebete und Opfer in der Nähe hatten.



28.05.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Jakobus der Ältere mit drei Jüngern und Philippus kommen. Sie begrüßen die heilige Jungfrau

(Am 13. August 1821 erzählt)
Ich sah heute den Gottesdienst wie sonst. Ich sah die heilige Jungfrau am Tage mehrmals aufrichten und mit dem Löffelchen erquicken. — Abends gegen 7 Uhr sagte sie im Schlafe: „Jetzt ist auch Jakobus der Größere angekommen aus Spanien über Rom mit drei Begleitern, Timon, Eremensear und noch einem Gekommenen. Später kam noch Philippus mit einem Begleiter aus Ägypten.
Die Apostel und Jünger sah ich meist sehr ermüdet ankommen. Sie hatten lange Stäbe mit Haken und Knöpfe verschiedener Art in der Hand, welche ihren Rang bezeichneten.
Ihre wollweißen langen Mäntel trugen sie teils zur Bedeckung wie Kapuzen über das Haupt gezogen. Sie hatten darunter lange, weiße, wollene Priesterhemden an; diese waren von oben bis unten offen, aber mit geschlitzten Riemchen als Schlingen und kleinen Wülsten als Knöpfen geschlossen. Ich sah dies immer so, aber vergaß es zu sagen. Sie hatten diese Kleidungsstücke zum Gehen hoch im Gürtel aufgeschürzt. Einige trugen einen Beutel zur Seite am Gürtel hängend.
Die Eintretenden umarmten die bereits Anwesenden zärtlich, und ich sah manche vor Freud und Leid weinen, dass sie sich wiedersahen, und zwar bei so trauriger Veranlassung. Nun legten sie die Stäbe, Mäntel, Gürtel und Beutel ab, da fiel ihr weißes Leibgewand bis zu den Füßen nieder. Sie legten einen breiten, mit Buchstaben bezeichneten Gürtel um, den sie bei sich trugen. Man wusch ihnen die Füße, und sie nahten dem Lager Mariä und begrüßten sie ehrerbietig. Sie konnte nur noch einige Worte mit ihnen reden. —- Ich sah sie keine Speise zu sich nehmen als kleine Brote, und sie tranken aus den kleinen Flaschen, die sie anhängen hatten.



27.05.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Gottesdienst der Apostel. Maria hat ein Kreuz bei sich, sie empfängt das heilige Sakrament (Teil II)

Der Kreuzweg Mariä hat zwölf Stationen. Sie hat sie selbst alle mit Schritten abgemessen, und Johannes hat ihr die Denksteine setzen lassen. Anfangs waren es nur rohe Steine, die Stelle zu bezeichnen, später ward alles zierlicher. Jetzt waren es niedere, glatte, weiße Steine von mehreren, ich meine schier acht Ecken, oben etwas zusammenlaufend, wo in einer kleineren Fläche eine Vertiefung war. — Jeder dieser Denksteine ruhte auf einer Platte desselben Steines, deren Dicke man vor dem dichten Rasen und den schönen Blumen, die sie einfassten, nicht sehen konnte. Die Steine und Platten waren alle mit hebräischen Buchstaben bezeichnet.
Diese Stationen lagen alle in Vertiefungen wie in kleinen, runden, ausgehöhlten Becken eingezäunt. In diesen Gruben führte ein Pfad, für einen oder zwei Menschen breit genug, rings um den Stein, um die Aufschriften zu lesen. Die mit Gras und schönen Blumen bewachsenen Plätze umher waren teils größer, teils kleiner. — Diese Steine lagen nicht immer frei; an der einen Seite war eine Matte oder Wetterdecke befestigt, welche, wenn man nicht dort betete, über sie gedeckt und auf der anderen Seite mit zwei Pflöcken befestigt wurde.
Diese 12 Stationssteine waren alle gleich, alle mit hebräischen Inschriften bezeichnet, die Orte aber ihrer Lager waren verschieden. -— Die Station des Ölbergs befand sich in einem kleinen Tale neben einer Höhle, in welcher mehrere Menschen knien konnten. — Die Station des Kalvarienberges allein war in keiner Vertiefung, sondern auf einem Hügel. — Zur Station des heiligen Grabes ging man über den Hügel und kam jenseits in einer Vertiefung zu dem Denkstein und noch tiefer am Fuße des Hügels in einer Felsenhöhle zu dem Grabelager selbst, in welches auch die heilige Jungfrau begraben wurde. — Ich meine, dieses Grab muss unter der Erde noch bestehen und wird noch einstens zutage kommen.
Ich sah, dass die Apostel, heilige Frauen und andere Christen, wenn sie diesen Stationen nahten, um kniend oder auf dem Antlitz liegend, davor zu beten, ein etwa schuhlanges Kreuz Y unter dem Gewände hervorzogen und es mittels einer beweglichen Stütze an seiner Rückseite in der Vertiefung oben auf dem Stationssteine aufstellten.



26.05.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Gottesdienst der Apostel. Maria hat ein Kreuz bei sich, sie empfängt das heilige Sakrament (Teil I)

(Am 12.August 1821 mitgeteilt)
In allem sind jetzt höchstens zwölf Männer in Marias Wohnung versammelt. — Heute sah ich den Gottesdienst in ihrem Betwinkel halten, es ward Messe dort gelesen. Ihr Kämmerchen war rings geöffnet. Es kniete eine Frau neben dem Lager Marias, welche sie dann und wann aufrecht hielt. Ich sehe dieses auch sonst unter Tags geschehen, und dass sie ihr etwas Saft mit dem Löffelchen aus der Schale reicht. — Maria hat ein Kreuz auf ihrem Lager, beinahe einen halben Arm lang von der Gestalt Y, wie ich das heilige Kreuz sehe. Der Stamm ist etwas breiter als die Arme. Es ist wie von verschiedenem Holz eingelegt, der Körper Christi ist weiß. — Die heilige Jungfrau empfing das heilige Sakrament. — Sie hat gelebt von Christi Himmelfahrt vierzehn Jahre und zwei Monate.
Heute am Abend entschlummernd, sang die Erzählerin mit leiser, friedlicher, ungemein rührender Weise Muttergotteslieder. Aufwachend von dem Schreiber gefragt, was sie singe, antwortete sie noch schlaftrunken: „Ich bin mit der Prozession gegangen, mit der Frau da —- nun ist sie fort!" — Am folgenden Tage sagte sie über dieses Singen:
Ich folgte am Abend zweien der Freundinnen Mariä auf dem Kreuzweg hinter ihrem Haus. Sie gehen abwechselnd alle Tage diesen Weg am Morgen und Abend, und ich schleiche dann ganz sachte hinten drein. Gestern riss es mich hin, und ich begann zu singen, da war alles fort.



25.05.2022

Jerusalem zur Zeit vom Tode der heiligen Jungfrau

Ich kam an den Ölberg und sah alles verwüstet und verändert gegen sonst. Ich konnte jedoch noch jegliche Stelle erkennen. — Das Haus bei dem Garten Gethsemane, wo die Jünger verweilten, war niedergerissen und mancherlei Graben und Mauern dort gezogen, um die Zugänge unwegsam zu machen. — Ich begab mich hierauf zu dem Grabe des Herrn. Es war verschüttet und vermauert, und oben darüber auf der Höhe des Felsens hatte man ein Gebäude wie das eines kleinen Tempels begonnen. Es standen erst nur die leeren Mauern.
Als ich, über die Verwüstung betrübt, in der Gegend umherschaute, erschien mir mein himmlischer Bräutigam in der Gestalt, wie Er einst Magdalena hier erschienen ist, und tröstete mich.
Den Kalvarienberg fand ich auch verwüstet und verbaut. Der kleine Hügel oben, auf welchem das Kreuz gestanden, war abgegraben, außerdem waren Gräben und Wälle umhergezogen, so dass man nicht dazu konnte. — Ich kam aber doch hinauf und betete dort, da nahte mir der Herr abermals mit Trost und Erquickung. Bei diesen Annäherungen des Herrn sah ich die heilige Susanna nicht neben mir.
Ich kam hierauf in ein Bild von Christi Wundern und Heilungen in der Gegend von Jerusalem und sah viele dieser Heilungen wieder. Als ich dabei an die Gnade der Heilungen im Namen Jesu gedachte, welche besonders den Priestern verliehen ist, und wie namentlich die Ausübung dieser Gnade am Fürsten Hohenlohe in unseren Tagen wieder besonders hervorgetreten, sah ich diesen Priester in seiner Wirkung. Ich sah vielerlei Kranke durch sein Gebet geheilt werden, auch Menschen, die alte Geschwüre mit schmutzigen Lumpen bedeckt trugen. — Ich weiß jetzt nicht, ob dieses wirklich Geschwüre oder nur Sinnbilder alter Gewissenslasten waren. — Selbst in meiner Nähe kam ich nun auf andere Priester, welche auch diese Heilkraft in gleichem Grade besaßen, sie aber durch Menschenfurcht, Zerstreutheit, Durcheinandertuerei und Mangel an Ausdauer der Gesinnung nicht aufkommen ließen. — Einen unter ihnen sah ich besonders deutlich, er half zwar vielen Leuten, in deren Herzen ich hässliche Tiere nagen sah, was wohl Sünden bedeuten sollten, andere aber, die hie und da körperlich krank lagen und denen er sicher helfen konnte, versäumte er aus Zerstreutheit zu helfen. Er hatte allerhand störende Hindernisse in sich.



24.05.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Ankunft Simeons. Fünfzehn Apostel und Jünger. Gottesdienst

(Am 11. August 1821 erzählt.)
Ich sah heute noch einen neunten Apostel ankommen, es war Simon. Es fehlten nur noch Jakobus der Ältere, Philippus und Thomas. Auch mehrere Jünger sah ich noch angelangt, unter welchen ich mich des Johannes, Markus und jenes Sohnes oder Enkels des alten Simeons erinnere, der Jesu letztes Osterlamm geschlachtet und am Tempel bei der Beschauung der Opfertiere angestellt war. Es waren jetzt wohl an zehn Männer versammelt. Es war wieder Gottesdienst bei dem Altar, und einige der Neuangekommenen sah ich hoch aufgeschürzt, so dass ich meinte, sie wollten nachher gleich wieder abreisen. — Vor dem Bett der heiligen Jungfrau stand ein kleines, niederes, dreieckiges Schemelchen wie jenes, worauf sie in der Krippenhöhle die Geschenke der Könige empfangen hatte. Es stand ein Schälchen mit einem braunen, durchsichtigen Löffelchen darauf. — Ich sah heute nur eine Frau in dem Wohnraum der heiligen Jungfrau. Ich sah, dass ihr Petrus nach dem Gottesdienst das heilige Sakrament wieder reichte; er brachte es in jenem Kreuzbehälter zu ihr. Die Apostel bildeten zwei Reihen vom Altar bis zu ihrem Lager und verbeugten sich tief, als Petrus mit dem heiligen Sakrament durch sie durchging. Die Schirme um das Lager der heiligen Jungfrau waren von allen Seiten offen. Nachdem ich dieses bei Ephesus gesehen, verlangte mich zu schauen, wie es um diese Zeit in Jerusalem aussah, aber mir bangte vor der langen Reise von Ephesus bis dorthin; da trat die heilige Jungfrau und Märtyrerin Susanna, deren Fest heute ist und deren Reliquie ich bei mir habe und welche die ganze Nacht hindurch bei mir war, zu mir heran und sprach mir Mut ein, sie wolle mich begleiten. Da zog ich neben ihr her über Meer und Land hin, und wir waren bald in Jerusalem. Sie war aber ganz anders als ich, sie war ganz leicht, und wenn ich sie anfassen wollte, konnte ich nicht. Wenn ich in ein bestimmtes örtliches Bild eintrat, wie zum Beispiel hier in Jerusalem, war sie verschwunden, aber auf jedem Übergangsweg, von einem Bilde zum anderen, war ich von ihr begleitet und getröstet.



23.05.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Noch zwei Apostel sind angekommen. Gottesdienst der Apostel im Vorhaus (Teil II)

Sie hatten auf dem Altar ein kreuzförmiges Gefäß von einer mit Perlmutter schimmernden Substanz liegen oder stehen. Es war kaum eine Spanne lang und breit und enthielt fünf mit silbernen Deckeln geschlossene Büchsen. In der mittelsten befand sich das heilige Sakrament, in den anderen aber Chrisam, Öl, Salz und Fasern oder vielleicht Baumwolle und anderes Heiligtum. Sie waren so zusammengefügt und geschlossen, dass nichts herausfließen konnte.
Die Apostel pflegten auf ihren Reisen dieses Kreuz, unter dem Gewände auf der Brust hängend, zu tragen. — Da waren sie mehr als der Hohepriester, wenn er das Heiligtum des Alten Bundes auf der Brust trug.
Ich erinnere mich jetzt nicht bestimmt, ob in einer der Büchsen oder sonstwo heilige Gebeine sich befanden. Ich weiß aber, dass sie bei dem Opfer des Neuen Bundes immer Gebeine von Propheten und später von Märtyrern in der Nähe hatten, ebenso wie die Patriarchen immer bei ihrem Opfer Gebeine Adams oder anderer Altväter, auf denen die Verheißung geruht, auf den Altar stellten. Christus hatte sie bei dem letzten Abendmahl also zu tun gelehrt.
Petrus im Priesterornat stand vor dem Altare, die anderen chorweis hinter ihm. — Die Frauen wohnten im Hintergrunde stehend bei.



22.05.2022

Haus Mariä bei Ephesus. Noch zwei Apostel sind angekommen. Gottesdienst der Apostel im Vorhaus (Teil I)

(Am 10. August 1821 erzählt.)
Die Jahreszeit der kirchlichen Todesfeier der heiligen Jungfrau ist wohl richtig; nur trifft sie nicht alle Jahre auf denselben Tag. -— Ich sah heute noch zwei Apostel mit geschürzten Kleidern, wie Reisende, eintreten, nämlich Jakob den Kleineren und Matthäus, der dessen Stiefbruder ist, denn Alphäus heiratete als ein Witwer die Maria, Kleophä Tochter, und brachte ihr aus früherer Ehe den Matthäus zu. Ich sah die versammelten Apostel gestern Abend und heute morgen Gottesdienst im vorderen Teile des Hauses halten, wo sie zu diesem Zweck die beweglichen Schirmwände aus Flechtwerk, welche dort Schlafzellen bildeten, teils beiseite gebracht, teils anders geordnet hatten. — Der Altar bestand aus einem rot und weiß darüber bedeckten Tisch. Er ward zu der heiligen Handlung jedes Mal rechts von der Feuerstelle, welche noch im täglichen Gebrauch stand, an der Mauer aufgestellt und nachher wieder hinweggebracht. — Vor dem Altar stand ein bedecktes Gestell, worüber eine Schriftrolle hing. Es brannten Lampen über dem Altar. —



21.05.2022

Haus bei Ephesus. Die heilige Jungfrau auf ihrem Sterbelager

(Am 9. August 1821 morgens erzählt.)
Ich kam in das Haus Mariä, etwa drei Stunden von Ephesus. Ich sah sie in ihrem ganz weiß überspannten Schlafzelt, im Raume hinter dem Feuerherd zur Rechten auf einem niederen, ganz schmalen Lager liegen. Ihr Kopf ruhte auf einem runden Wulst. Sie war sehr schwach und bleich und ganz wie von Sehnsucht verzehrt. Ihr Kopf und ihre ganze Gestalt waren in ein langes Tuch eingewunden. Eine braune, wollene Decke lag über ihr.
Ich sah etwa fünf Frauen nacheinander in ihr Schlafzelt ein-und austreten, als nähmen sie Abschied von ihr. Die aus dem Zelt tretenden machten mancherlei rührende Gebets- oder Trauergebärden mit den Händen. — Ich bemerkte Hannas Nichte und Mara, Elisabeths Nichte, die ich auf dem Kreuzweg gesehen, wieder unter ihnen. Ich sah nun schon sechs Apostel versammelt, nämlich Petrus, Andreas, Johannes, Thaddäus, Bartholomäus und Matthias und auch einen der sieben Diakone, den Nikanor, der immer so dienend und hilfreich war. — Ich sah die Apostel rechts, im vorderen Teil des Hauses, wo sie sich einen Gebetsraum bereitet hatten, betend zusammenstehen.



20.05.2022

Bei Ephesus. Die heilige Jungfrau besucht zum letzten Male vor ihrem Tod den von ihr errichteten Kreuzweg (Teil II)

Dass ich die heilige Jungfrau in diesem Bilde so ganz besonders deutlich sah, mag wohl durch eine kleine Reliquie eines Kleides herrühren, das sie bei dieser Gelegenheit trug. — Ich besitze diese Reliquie und will versuchen, dieses Kleid zu beschreiben, so deutlich ich es vermag. Es war ein Oberkleidungsstück. Es bedeckte nur den Rücken ganz, von welchem es in einigen Falten bis zu den Füßen niederhing. Ein Teil legte sich oben am Halse über die Schulter und Brust zur anderen Schulter herüber, auf welcher es mit einem Knopfe befestigt war und so ein Halstuch bildete. Indem es durch den Gürtel an die Mitte des Leibes angeschlossen war, fasste es den Leib von unter den Armen bis zu den Füßen nieder, zu beiden Seiten des bräunlichen Unterkleides, an dessen Seiten von dem Gürtel abwärts es einen Umschlag bildete, als zeige sich das Futter. Dieser Umschlag war nach der Länge und Quere rot und gelb gestreift. Von der rechten Seite dieses Umschlages, nicht aber von dem Futter, ist das Streifchen, das ich besitze. — Es war ein Feierkleid, das nach altjüdischer Sitte so getragen ward. Die Mutter Anna trug es auch. — Dieses Gewand bedeckte nur die Rückseite des bräunlichen Unterkleides, dessen Bruststück und ganzes Vorderteil wie auch dessen anschließende, nur um Hand und Ellbogen etwas krause Armbedeckung sichtbar war. — Die Haare trug sie in der gelblichen Mütze verborgen, welche auf der Stime sich etwas hereinbog und am Hinterkopf in Falten zusammengezogen war. Hierüber trug sie noch einen schwarzen Schleier von weichem Stoff, der bis zum halben Rücken niederhing. — Ich sah sie einmal in diesem Kleide bei der Hochzeit zu Kana. — Im dritten Lehrjahr Jesu, da der Herr jenseits des Jordans bei Bethabara, das auch Bethanäa heißt, heilte und lehrte, sah ich die heilige Jungfrau auch in diesem Feierkleide in Jerusalem, wo sie in einem schönen Haus nächst den Häusern des Nikodemus, dem es, glaube ich, auch gehörte, wohnte. — Auch bei der Kreuzigung des Herrn sah ich sie unter dem ganz verhüllenden Gebets- oder Trauermantel damit bekleidet. —-Wahrscheinlich trug sie dieses Feierkleid zur Erinnerung, das sie auf Jesu Leidensweg damals getragen, auch jetzt hier auf dem Kreuzweg bei Ephesus.



19.05.2022

Bei Ephesus. Die heilige Jungfrau besucht zum letzten Male vor ihrem Tod den von ihr errichteten Kreuzweg (Teil I)

(Am 7. August 1821 morgens erzählt.)
Ich hatte gestern und heute Nacht viel mit der Muttergottes in Ephesus zu schaffen. -—. Ich bin mit ihr und etwa fünf anderen heiligen Frauen ihren Kreuzweg gegangen. Es war die Nichte der Prophetin Hanna und die Witwe Mara, Elisabeths Nichte, dabei. -— Die heilige Jungfrau ging vor allen her. Ich sah sie schon alt und schwach, sie war ganz weiß und wie durchsichtig. Sie war unbeschreiblich rührend anzusehen. — Es war mir, als gehe sie diesen Weg zum letzten Mal. Es schien mir, während sie hier wandelte, als seien Johannes, Petrus und Thaddäus in ihrem Hause bereits anwesend. Ich sah die heilige Jungfrau schon sehr bejahrt, sie hatte jedoch keinen anderen Ausdruck des Alters in ihrer Erscheinung als den einer verzehrenden Sehnsucht, welche sie wie zur Verklärung hinzog. — Sie war unbeschreiblich ernst. Ich habe sie nie lachen sehen, wohl rührend lächeln. Je älter sie geworden, je weißer und durchsichtiger erschien ihr Angesicht. Sie war mager, aber ich sah keine Runzeln, kerne Spur einer Verwelkung an ihr. Sie war wie im Geist.



18.05.2022

Bei Ephesus. Verschiedene Verwandte und befreundete Frauen der heiligen Familie, welche auch hier in der christlichen Ansiedlung leben (Teil II)

Rhode hatte weit aus ihrer Stammgegend weggeheiratet, sie wohnte anfangs in der Gegend von Sichern, dann in Nazareth und Casaloth am Tabor — sie hatte außer der Tochter Mara noch zwei Töchter, und unter diesen war eine Mutter von Jüngern. -— Weiter war einer der zwei Söhne Rhodes der erste Ehemann der Maroni, welche nach seinem Tode als kinderlose Witwe Eliud, einen Neffen der Mutter Anna, heiratete und nach Naim zog. Maroni hatte einen Sohn von diesem Eliud, den der Herr, als sie abermals verwitwet war, in Naim von den Toten erweckte. Es war der Jüngling von Naim und wurde als Jünger Martialis getauft.
Rhodes Tochter Mara, die hier bei Marias Tod anwesend, war in der Nähe von Bethlehem verheiratet. — Als bei Christi Geburt sich die Mutter Anna einmal von Bethlehem entfernte, war sie bei ihr. — Mara war nicht wohlhabend, denn auch Rhode hatte ihren Kindern nur ein Drittel der Erbschaft gelassen, die zwei anderen Dritteile aber dem Tempel und den Armen gegeben.
Nathanael, der Bräutigam von Kana, war, wie ich meine, ein Sohn dieser Mara und erhielt in der Taufe den Namen Amator. Sie hatte noch andere Söhne, alle waren Jünger.



17.05.2022

Bei Ephesus. Verschiedene Verwandte und befreundete Frauen der heiligen Familie, welche auch hier in der christlichen Ansiedlung leben (Teil I)

Unter den heiligen Frauen, welche auch hier in der christlichen Ansiedlung lebten und am meisten bei Maria waren, befand sich eine Schwestertochter der Prophetin Hanna vom Tempel. Ich habe sie vor Jesu Taufe einmal mit Seraphia (Veronika) nach Nazareth reisen sehen. Diese Frau war durch Hanna mit der heiligen Familie verwandt, denn Hanna war mit Anna, näher aber noch mit Elisabeth, der Schwestertochter Annas, verwandt.
Eine andere der hier um Maria lebenden Frauen, die ich auch vor Jesu Taufe nach Nazareth reisen gesehen, war eine Nichte Elisabeths und hieß Mara. — Ihre Verwandtschaft mit der heiligen Familie war folgende: Annas Mutter Ismeria hatte eine Schwester Erementia, beide lebten in der Hirtengegend Mara, zwischen dem Berge Horeb und dem Roten Meere. — Auf die Mahnung des Essener Oberhauptes am Berge Horeb, dass aus ihren Nachkommen Freunde des Messias werden würden, heiratete sie den Aphras aus jenem Priestergesehlechte, das die Bundeslade getragen hatte. — Erementia hatte drei Töchter, Elisabeth, die Mutter des Täufers, Enue, die als eine Witwe bei der Geburt der heiligen Jungfrau im Hause Annas war, und Rhode, deren eine Tochter die hier anwesende Mara ist.



16.05.2022

Mariä Reisen von Ephesus nach Jerusalem. Sie besucht die Leidensorte daselbst, wird ohnmächtig und erkrankt zum Tode (Teil II)

Man brachte sie auf Sion in das Zönakulum, in dessen Vorgebäuden sie wohnte. — Hier ward die heilige Jungfrau während mehrerer Tage so schwach und krank und erlitt so viele Ohnmächte, dass man ihren Tod öfters erwartete und darauf bedacht war, ihr ein Grab zu bereiten. — Sie selbst erwählte eine Höhle am Ölberg hierzu, und die Apostel ließen ihr daselbst ein schönes Grab durch einen christlichen Steinmetz bereiten.
Unterdessen ward sie mehrmals totgesagt, und ward das Gerücht von ihrem Tode und Grab in Jerusalem auch an anderen Orten verbreitet. Als aber das Grab vollendet war, war sie bereits genesen und kräftig genug, wieder in ihre Wohnung nach Ephesus zurückzureisen, wo sie nach anderthalb Jahren wirklich starb. — Man hielt das für sie am Ölberg bereitete Grab allezeit in Ehren, baute auch später eine Kirche darüber, und Johannes Damaszenus — so hörte ich im Geiste —, was ist das für einer? — schrieb dann vom Hörensagen, sie sei in Jerusalem gestorben und begraben.
Die Nachrichten von ihrem Tode, ihrem Grabe, ihrer Aufnahme in den Himmel hat Gott wohl unbestimmt nur einen Gegenstand der Überlieferung werden lassen, um dem damals noch so heidnischen Sinn keinen Spielraum im Christentum zu geben, denn sie würde leicht als eine Göttin angebetet worden sein.



15.05.2022

Mariä Reisen von Ephesus nach Jerusalem. Sie besucht die Leidensorte daselbst, wird ohnmächtig und erkrankt zum Tode (Teil I)

Nach dem dritten Jahre ihres Hierseins hatte Maria eine große Sehnsucht nach Jerusalem. Johannes und Petrus brachten sie dahin. -— Ich meine, es waren mehrere Apostel dort versammelt; ich sah Thomas, ich glaube, es war ein Konzilium, und Maria stand ihnen mit ihrem Rate bei.
Bei ihrer Ankunft sah ich sie am Abend in der Dämmerung, ehe sie in die Stadt gingen, den Ölberg, Kalvarienberg, das heilige Grab und alle heiligen Stellen um Jerusalem her besuchen. — Die Mutter Gottes war so traurig und von Mitleid bewegt, dass sie sich kaum aufrecht erhalten konnte und Petrus und Johannes sie unter den Armen stützend hinwegbrachten.
Sie ist nochmals anderthalb Jahre vor ihrem Tode von Ephesus hierher gereist; da sah ich sie abermals verhüllt zur Nachtzeit mit den Aposteln die heiligen Orte besuchen. Sie war unaussprechlich traurig und seufzte immer: „O mein Sohn, mein Sohn!" — Als sie an das hintere Tor jenes Palastes kam, wo sie Jesus, der unter dem Kreuze niedersank, begegnet war, sank sie, von schmerzlicher Erinnerung bewegt, ohnmächtig zur Erde, und ihre Begleiter glaubten, sie sterbe.



14.05.2022

Ephesus. Hausgenossen Mariä.
Johannes reicht ihr das heilige Sakrament. Der Kreuzweg Mariä (Teil III)

Bald nach ihrer Ankunft hier in der Gegend sah ich sie täglich hinter ihrem Hause den Berg hinan eine Strecke Wegs in diesen Leidensbetrachtungen wandeln. — Sie ging anfangs allein und maß nach der Zahl der Schritte, die sie so oft gezählt hatte, die Entfernung der Stelle ab, wo dem Heiland irgend etwas widerfahren war. — An jeder solchen Stelle richtete sie einen Stein auf oder, so ein Baum daselbst stand, bezeichnete sie denselben. — Der Weg führte in einen Wald, wo sie auf einem Hügel den Kalvarienberg und in der kleinen Höhle eines anderen Hügels das Grab Christi bezeichnete.
Als sie diesen ihren Kreuzweg in zwölf Stationen abgemessen hatte, ging sie ihn unter stiller Betrachtung mit ihrer Magd; an jeder der Leidensstellen saßen sie nieder und erneuerten das Geheimnis ihrer Bedeutung im Herzen und lobten den Herrn um seine Liebe unter Tränen des Mitleids. — Dann ordnete sie die Stellen noch besser, und ich sah, dass die heilige Jungfrau mit einem Griffel auf den bezeichneten Stein die Bedeutung des Ortes, die Zahl der Schritte und dergleichen hinschrieb.
Ich sah auch, dass sie die Höhle des heiligen Grabes reinigten und zum Gebete bequem machten.
Ich sah damals kein Bild, auch kein feststehendes Kreuz diese Stelle bezeichnen, es waren nur einfache Denksteine mit Inschriften; aber durch öfteres Wandeln und Ordnen sah ich diese Anlage immer wegsamer und schöner werden. Auch nach dem Tode der heiligen Jungfrau sah ich diesen Weg von Christen gewandelt, die sich niederwarfen und den Boden küssten.



13.05.2022

Ephesus. Hausgenossen Mariä.
Johannes reicht ihr das heilige Sakrament. Der Kreuzweg Mariä (Teil II)

Einmal sah ich Johannes in das Haus eintreten, auch er sah viel älter aus. Er war hager und schlank und hatte eintretend sein langes, weißes, faltiges Kleid im Gürtel geschürzt. Er legte diesen Gürtel ab und legte einen anderen, mit Buchstaben bezeichneten, um, den er unter seinem Gewand hervorzog. An den Arm legte er eine Art von Manipel und eine Stola um. — Die heilige Jungfrau trat, ganz in ein weißes Gewand verhüllt, auf den Arm ihrer Magd gestützt, aus ihrer Schlafzelle heraus. Ihr Antlitz war schneeweiß und wie durchsichtig. Sie schien vor Sehnsucht zu schweben. Seit der Himmelfahrt Jesu war der Ausdruck ihres ganzen Wesens eine wachsende, sie immer mehr auflösende Sehnsucht. — Johannes und sie begaben sich nach dem Gebetsort. Sie zog an einem Band oder Riemen, da drehte sich der Tabernakel in der Wand, und das darin befindliche Kreuz zeigte sich. — Nachdem beide eine Zeitlang kniend davor gebetet hatten, erhob sich Johannes und zog eine metallene Büchse aus dem Busen, öffnete an einer Seite, nahm einen Umschlag von feiner Wollfarbe heraus und aus diesem ein gefaltetes Tüchlein von weißem Stoff, zwischen welchem er das heilige Sakrament in Form eines kleinen, viereckigen, weißen Bissen hervornahm; dann sprach er mit feierlichem Ernste einige Worte und reichte der heiligen Jungfrau das Sakrament. Er reichte ihr einen Kelch.
Hinter dem Hause, eine Strecke Wegs den Berg hinan, hatte sich die heilige Jungfrau eine Art von Kreuzweg angelegt. Sie hatte, da sie noch in Jerusalem wohnte, seit dem Tode des Herrn nie unterlassen, dort seinen Leidensweg unter Tränen und Mitleid zu wandeln.
Sie hatte alle Stellen des Wegs, wo Jesus gelitten, nach ihrer Entfernung voneinander mit Schritten abgemessen, und ohne die stete Betrachtung dieses Leidensweges konnte ihre Liebe nicht leben.



12.05.2022

Ephesus. Hausgenossen Mariä.
Johannes reicht ihr das heilige Sakrament. Der Kreuzweg Mariä (Teil I)

Die heilige Jungfrau wohnte hier mit einer jüngeren Person, ihrer Magd, allein, welche das wenige, was sie zur Nahrung brauchten, zusammentrug. — Sie lebten gar still und in tiefem Frieden. —- Es befand sich kein Mann in dem Hause. Manchmal besuchte sie ein reisender Apostel oder Jünger.
Am öftersten sah ich einen Mann bei ihr aus- und eingehen, den ich immer für Johannes gehalten habe, aber weder in Jerusalem noch hier war er fortgesetzt in ihrer Nähe. Er reiste ab und zu. — Er trug jetzt ein anderes Gewand als zu Jesu Zeiten. Sein Gewand war sehr lang und faltig, von grauweißlichem dünnem Zeug. Er war sehr schlank und beweglich, sein Angesicht lang, schmal und fein, auf seinem bedeckten Haupte hatte er die langen blonden Haare gescheitelt hinter die Ohren gestrichen. Er machte in seiner zarten Erscheinung gegen die anderen Apostel einen schier weiblichen, jungfräulichen Eindruck.
In der letzten Zeit ihres Hierseins sah ich Maria immer stiller und inniger werden, sie nahm schier gar keine Nahrung mehr zu sich. Es war, als scheine sie nur noch hier zu sein, als sei sie bereits mit ihrem Geiste jenseits. Sie hatte das Wesen einer Abwesenden an sich. — Ich sah in den letzten Wochen vor ihrem Ende sie bejahrt und schwach manchmal von ihrer Magd in dem Hause herumführen.



11.05.2022

Das Haus Mariä bei Ephesus.
Einteilung. Feuerstelle. Schlafzelle. Betwinkel. Kleiderkammer (Teil III)

Auch sah ich ein Tüchlein bei dem Kreuze liegen und hatte die Empfindung, es sei dasselbe, womit die heilige Jungfrau nach der Kreuzabnahme alle Wunden des heiligen Leibes von Blut gereinigt hat. — Ich hatte diese Empfindung, denn mir ward bei dem Anblick dieses Tüchleins jene Handlung der heiligen Mutterliebe gezeigt. Zugleich fühlte ich, es sei dieses jenes Tüchlein, womit die Priester, wenn sie das Opferblut des Erlösers getrunken, den Kelch reinigen, und Maria schien mir, die Wunden des Herrn reinigend, ähnliches zu tun; auch hatte sie bei dieser Handlung das Tüchlein auf dieselbe Weise gefasst. — Solches empfand ich bei dem Anblick dieses Tüchleins neben dem Kreuze. Rechts von diesem Gebetsraum, an einer Nische in der Mauer lehnend, stand die Schlafzelle der heiligen Jungfrau und dieser gegenüber zur Linken des Gebetsraumes eine Zelle, worin ihre Kleider und Geräte bewahrt wurden. -— Von einer dieser Zellen zu der anderen hing ein Vorhang nieder und schloss den zwischen ihnen liegenden Betort ab. — In der Mitte vor diesem Vorhang pflegte Maria zu sitzen, wenn sie arbeitete oder las. Die Schlafzelle der heiligen Jungfrau lehnte mit der Rückseite an der mit einem geflochtenen Teppich behängten Mauer, die beiden Seitenwände waren leicht von Splint oder Bast in abwechselnder Naturfarbe des Holzes nach einem Muster geflochten. Die vordere Wand, mit einem Teppich überspannt, enthielt in der Mitte die leichte, sich doppelt nach innen öffnende Türe. — Die Decke dieser Zelle war auch von Flechtwerk und lief von den vier Seiten oben wie ein Gewölb zusammen, von dessen Mitte eine mehrarmige Lampe niederhing.
— Das Lager Marias, mit einer Seite an der Mauer stehend, war ein anderthalb Schuh hoher hohler Kasten von der Breite und Länge eines schmalen Bettes. Die darüber ausgespannte Decke war an vier Knöpfen an seinen Ecken befestigt. Die Seiten dieses Kastens waren bis zum Boden hinab auch mit Teppichen bekleidet und mit Quasten und Fransen verziert. Das Kopflager auf diesem Bette war ein runder Wulst und ein bräunlich gewürfelter Teppich die Decke. Das kleine Haus lag zwischen glattstämmigen, pyramidenförmigen Bäumen in der Nähe eines Waldes. Es war gar still und einsam hier. Die Wohnungen der anderen Familien waren, alle zerstreut, in einiger Entfernung. Die ganze Ansiedlung war wie eine Bauernschaft.



10.05.2022

Das Haus Mariä bei Ephesus.
Einteilung. Feuerstelle. Schlafzelle. Betwinkel. Kleiderkammer (Teil II)

Das äußerste runde oder Winkelende dieses Raumes, durch einen Vorhang abgeschlossen, bildete den Betort Mariä. In der Mitte der Mauer war in einer Nische ein Behälter angebracht, den man, gleich einem Tabernakel drehend, öffnete und schloss, indem man an einem Bande zog. — Es stand ein etwa armlanges Kreuz mit aufwärtsragenden, eingesetzten Armen darin, in der Gestalt Y, wie ich das Kreuz Christi immer gesehen. Es war ohne besondere Zierlichkeit und Schärfe kaum so geschnitzt wie die Kreuze, die noch heutzutage aus dem gelobten Lande kommen. Ich meine, Johannes und Maria haben es wohl selbst verfertigt. — Es bestand aus verschiedenem Holze. Mir wurde gesagt, der weißliche Stamm sei Zypressen-, der eine bräunliche Arm Zedern-, der andere gelbliche Palmenholz, der obere Aufsatz mit den Täfelchen aber von gelbem glatten ölbaumholz. Das Kreuz war in einer Erhöhung von Erde oder Stein, wie das Kreuz Christi im Kaivariafelsen, befestigt. Zu seinen Füßen befand sich ein Pergamentzettel, worauf etwas geschrieben, ich glaube Worte Christi. — Auf dem Kreuze selbst war die Gestalt des Herrn einfach, ohne Zierlichkeit eingeritzt und diese Linien mit dunklerer Farbe eingerieben, damit man die Figur bestimmt sehen könne. — Mir wurden auch die Betrachtungen Marias bei dem verschiedenen Holze des Kreuzes mitgeteilt. Leider vergaß ich diese schöne Weisung. — Ich weiß auch in diesem Augenblicke nicht, ob das Kreuz Christi auch aus diesen verschiedenen Holzarten bestand, oder ob dies Kreuz Mariä bloß der Betrachtung halber so verfertigt war. Es stand dasselbe zwischen zwei Töpfchen voll lebendiger Blumen.



09.05.2022

Das Haus Mariä bei Ephesus.
Einteilung. Feuerstelle. Schlafzelle. Betwinkel. Kleiderkammer (Teil I)

Das Haus Mariä war von Steinen, viereckig und an dem hinteren Ende rund oder eckig, die Fenster waren hoch oben angebracht, das Dach war platt. Es war in zwei Teile geteilt durch den in der Mitte angelegten Feuerherd. Das Feuer brannte der Türe gegenüber an der Erde in einer Zugvertiefung an einer Mauer, welche sich von beiden Seiten stufenförmig bis an die Decke des Hauses erhob. In der Mitte dieser Mauer lief von der Feuerstelle bis an die Decke des Hauses eine Vertiefung gleich einem halben Rauchfang hinan, worin sich der Rauch hinaufzog und dann durch die in der Decke befindliche Öffnung seinen Ausgang fand. Auf dieser Öffnung sah ich eine schiefe kupferne Röhre über das Haus hervorragen. Dieser vordere Teil des Hauses ward durch leichte bewegliche Wände von Flechtwerk an beiden Seiten der Feuerstelle von dem Raum hinter der Feuerstelle getrennt. —- In diesem vorderen Raum, dessen Wände ziemlich roh und auch wohl von Rauch etwas geschwärzt waren, sah ich zu beiden Seiten kleine Zellen durch zusammengestellte geflochtene Schirme gebildet. — Sollte dieser Teil des Hauses als ein größerer Saal dienen, so wurden diese Schirme, welche bei weitem nicht zur Decke reichten, auseinandergenommen und beiseite gestellt. — In dieser Zelle schliefen die Magd Mariä und andere Frauen, die sie besuchten. Links und rechts neben der Feuerstelle ging man durch leichte Türen in den hintersten, finstersten, halbrund oder in Winkel endenden Raum des Hauses, welcher sehr angenehm und reinlich verziert war. Alle Wände waren mit Holzflechtwerk bekleidet und die Decke von den Seiten heran gewölbt. — Die überliegenden Balken, mit anderem Getäfel und Geflecht verbunden und mit mancherlei Blätterverzierung geschmückt, machten einen einfachen und doch anständigen Eindruck.



08.05.2022

Vom Alter Mariä. Sie zieht mit Johannes gen Ephesus. Christliche Ansiedlung bei Ephesus. Örtlichkeit. Lage von Marias Haus (Teil II)

Als Johannes die heilige Jungfrau hierher brachte, deren Haus er vorher hatte bauen lassen, wohnten schon mehrere christliche Familien und heilige Frauen in dieser Gegend, teils in Erd- und Felsenhöhlen, die mit leichtem Holzwerk zu Wohnungen ergänzt waren, teils in gebrechlichen Zelthütten. — Sie waren schon vor der heftigen Verfolgung hierher gezogen. Da sie die Höhlen und Örtlichkeiten zur Zuflucht benutzten, wie die Natur sie darbot, so waren ihre Wohnungen einsiedlerisch, meist eine Viertelstande weit voneinander getrennt, und die ganze Ansiedlung hier in der Gegend glich einer zerstreuten Bauernschaft. — Das Haus Mariä allein war von Stein. — Eine kleine Strecke Wegs hinter diesem Hause stieg die Höhe des Berges felsig zu dessen Gipfel heran, von welchem man über die Hügel und Bäume hinaus auf Ephesus und das Meer mit seinen vielen Inseln sieht. Der Ort hier liegt näher am Meer als Ephesus, das wohl einige Standen vom Meer sein mag. Die Gegend ist einsam und unbesucht.
Es ist hier in der Nähe ein Schloss, wo ein wie abgesetzter König wohnt. Johannes hielt sich oft bei ihm auf, bekehrte ihn auch. Es ist dieser Ort später ein Bistum geworden. — Zwischen diesem Wohnort der heiligen Jungfrau und Ephesus läuft ein ganz wunderbar geschlängeltes Flüsschen.



07.05.2022

Von dem Tode der heiligen Jungfrau Maria in Ephesus
(Die folgenden Mitteilungen, welche in verschiedenen Jahren meistens in der Mitte des Augusts vor dem Feste Mariä Himmelfahrt geschahen, wurden natürlicher Folge hier zusammengestellt)

Vom Alter Mariä. Sie zieht mit Johannes gen Ephesus. Christliche Ansiedlung bei Ephesus. Örtlichkeit. Lage von Marias Haus (Teil I)

Am 13. August 1822 sagte sie morgens: Ich hatte heute Nacht eine große Anschauung von dem Tode der heiligen Jungfrau, habe aber schier alles wieder vergessen. — Auf die Frage, wie alt wohl die heilige Jungfrau geworden sei, blickte sie plötzlich mitten in gleichgültigem anderem Gespräche zur Seite und sprach: „Sie ist vierundsechzig Jahre, weniger dreiundzwanzig Tage, alt geworden, ich sah soeben sechsmal das Zeichen X, dann I, dann V neben mir, ist das nicht vierundsechzig? Maria lebte nach Christi Himmelfahrt drei Jahre auf Sion, drei Jahre in Bethanien und neun Jahre in Ephesus, wohin Johannes sie bald, nachdem die Juden Lazarus und seine Schwester auf das Meer ausgesetzt hatten, gebracht hat. Maria wohnte nicht in Ephesus selbst, sondern in der Gegend, wo sich schon mehrere ihr vertraute Frauen niedergelassen hatten. — Mariä Wohnplatz war, wenn man von Jerusalem kommt, etwa dreieinhalb Stunden von Ephesus auf einem Berg zur Linken. Dieser Berg fällt schief ab gen Ephesus, welches man, von Südost kommend, an einem Berge wie dicht vor sich liegen sieht, das sich aber ganz herumzieht, wenn man weiter geht. — Südlich (etwa) von Ephesus, vor welchem große Alleen sind, unter denen gelbe Früchte am Boden liegen, führen schmale Pfade auf einen Berg, der wild bewachsen ist, und gegen die Höhe des Berges zu ist eine hügelige, auch bewachsene Ebene von etwa einer halben Stande im Umfange, auf welcher diese Ansiedlung geschah. Es ist eine sehr einsame Gegend mit vielen fruchtbaren, anmutigen Hügeln und reinlichen Felshöhlen zwischen kleinen Sandflächen, wild und doch nicht wüst, mit vielen zerstreuten, glattstämmigen, pyramidenförmigen, unten breitschattenden Bäumen.



06.05.2022

Rückkehr der heiligen Familie aus Ägypten (Teil IV)

Ich sah sie in vielen Bildern auf dieser Heimreise und immer ohne Gefahr. Der Jesusknabe, Maria und Joseph hatten eine Scheibe von dünner Baumrinde auf dem Kopf mit einem Tuche unter dem Kinn befestigt, um sich gegen die Sonne zu schützen. Jesus hatte sein braunes Röckchen an und trug ganze Schuhe von Bast, die ihm Joseph verfertigt hatte. Sie waren bis an die halben Füße festgebunden. Maria hatte nur Sohlen. — Ich sah sie öfters bekümmert, weil dem Jesusknaben das Gehen in dem heißen Sand so beschwerlich war. Ich sah sie oft still stehen und ihm den Sand aus den Schuhen schütteln. Er muss oft auf dem Lasttiere sitzen, um auszuruhen.
Ich sah sie durch mehrere Städte und an anderen vorüberziehen. Die Namen sind mir entfallen, doch ist mir der Name Ramesses noch erinnerlich. Sie kamen auch über ein Wasser, über das sie bei der Herreise auch gekommen. Es geht vom Roten Meer zum Nil. Joseph wollte eigentlich nicht wieder nach Nazareth ziehen, sondern sich in seiner Vaterstadt Bethlehem niederlassen. Jedoch war er noch unschlüssig, weil er im gelobten Lande hörte, dass nun Archelaus über Judäa regiere, welcher auch sehr grausam war.
Ich sah aber, dass die heilige Familie, in Gaza angekommen, an drei Monate dort verweilte. Es wohnten viele Heiden in dieser Stadt. Nun aber erschien ihm wieder ein Engel im Traum und gebot ihm, nach Nazareth zu kehren, welches er auch sogleich tat. Anna lebte noch. Sie und einige Verwandte wussten vom Aufenthalt der heiligen Familie.
Die Rückkehr aus Ägypten geschah im September. Jesus war acht Jahre, weniger drei Wochen, alt.



05.05.2022

Rückkehr der heiligen Familie aus Ägypten (Teil III)

Sie zogen zwischen On und dem Judenort hin und wendeten sich von On etwas mittäglich zu der Quelle, welche auf das Gebet Marias entsprungen war, ehe sie zuerst nach On oder Heliopolis gekommen waren. — Es war hier ganz schön grün geworden. Der Quell umfloss rings einen Garten, der viereckig von Balsamstauden umgeben war. Der Raum, in welchem ein Eingang, war etwa so groß wie hier die Reitbahn des Herzogs. Mitten innen waren junge Fruchtbäume angewachsen, Dattelbäumchen und Sykomoren und dergleichen. Die Balsamstauden waren bereits so groß wie mäßige Weinreben. Joseph hatte kleine Gefäße von Baumbast gemacht, sie waren an gewissen Stellen verpicht, sonst sehr glatt und zierlich. Er machte öfters, wo sie auf der Reise rasteten, solche Gefäße zu verschiedenem Gebrauch. Er brach an den rötlichen Balsamranken die kleeförmigen Blätter ab und hängte solche Bastflaschen daran, um die ausfließenden Balsamtropfen zu sammeln, die sie mit auf die Reise nahmen. — Nachdem ihre Begleiter hier einen rührenden Abschied von ihnen genommen hatten, verweilten sie mehrere Stunden. Die heilige Jungfrau wusch und trocknete einiges Geräte, sie erquickten sich an dem Wasser und füllten den Schlauch zur Reise, die ich sie dann auf der allgemeinen Heerstraße antreten sah.



04.05.2022

Rückkehr der heiligen Familie aus Ägypten (Teil II)

Am folgenden Morgen, da ihr Entschluss bekannt ward, kamen viele Leute sehr betrübt zu ihnen, Abschied zu nehmen, und brachten ihnen allerlei Geschenke in kleinen Gefäßen von Bast. — Diese Leute waren aufrichtig betrübt. Sie waren teils Juden, mehr aber noch bekehrte Heiden. Die Juden waren im ganzen hierzulande so in Abgötterei versunken, dass sie schier nicht mehr zu erkennen waren. — Doch gab es auch Menschen hier, welche froh waren, dass die heilige Familie fortreiste, denn sie hielten sie für Zauberer, die alles durch den mächtigsten unter den bösen Geistern vermöchten.
Ich sah unter den guten Leuten, welche ihnen Geschenke brachten, auch Mütter mit ihren Knäbchen, welche Gespielen Jesu gewesen waren, besonders aber eine vornehme Frau dieser Stadt mit ihrem mehrjährigen Söhnlein, welches sie den Mariensohn zu nennen pflegte, denn diese Frau hatte sich lange nach den Kindern gesehnt, und auf das Gebet der heiligen Jungfrau hatte sie Gott mit diesem Knaben gesegnet, diese Frau hieß Mira und der Knabe Deodatus.
Ich sah, dass sie dem Knaben Jesus Geld schenkte, es waren dreieckige, gelbe, weiße und braune Stückchen. Jesus blickte bei dem Empfang Seine Mutter an. Als Joseph ihr nötigstes Geräte auf den Esel gepackt hatte, traten sie, von allen diesen Freunden geleitet, ihre Reise an. Es war noch dasselbe Lasttier, auf welchem Maria nach Bethlehem gereist war. Auf der Flucht nach Ägypten hatten sie auch noch eine Eselin bei sich gehabt, die aber hatte Joseph in der Not verkauft.



03.05.2022

Rückkehr der heiligen Familie aus Ägypten (Teil I)

Endlich sah ich auch, wie die heilige Familie Ägypten wieder verließ. Herodes war zwar schon früher tot, aber sie konnten doch noch nicht zurück, weil noch immer Gefahr war. — Dem heiligen Joseph ward der Aufenthalt in Ägypten immer schwerer. Die Leute hatten einen greulichen Götzendienst, sie opferten selbst missgestaltete Kinder, und wer ein gesunderes opferte, glaubte sehr fromm zu sein. Außerdem hatten sie einen unzüchtigen, geheimen Dienst. Auch die Juden in dem Judenort waren von diesem Greuel angesteckt. — Sie hatten einen Tempel und sagten, er sei wie der Tempel Salomons, aber das war eine lächerliche Prahlerei, denn er war ganz anders. Sie hatten eine nachgemachte Bundeslade und unzüchtige Figuren darin und trieben greuliche Dinge. Die Psalmen sangen sie gar nicht mehr. — In der Schule zu Matarea hatte Joseph alles recht gut eingerichtet, und der Götzenpriester, der in der kleinen Stadt bei Heliopolis, als die Götzenbilder umstürzten, für die heilige Familie gesprochen hatte, war auch mit mehreren Leuten hierhergezogen und hatte sich an die jüdische Gemeinde angeschlossen.
Ich sah den heiligen Joseph an seiner Zimmermannsarbeit beschäftigt, der Feierabend trat ein, er war sehr betrübt, man gab ihm seinen Lohn nicht, er konnte nichts mit nach Hause bringen, wo sie es doch sehr bedurften. — In dieser Sorge kniete er im Freien in einem Winkel, klagte Gott seine Not und flehte um Hilfe. — Ich sah aber, dass in der folgenden Nacht im Traume ein Engel zu ihm trat und ihm sagte, die dem Kinde nachgestellt, seien gestorben, er solle aufstehen und sich rüsten, auf der gewöhnlichen Heerstraße aus Ägypten nach Haus zu ziehen; er solle sich nicht fürchten, denn er wolle bei ihm sein. Ich sah, wie der heilige Joseph diesen Befehl Gottes der heiligen Jungfrau und dem Jesuskinde bekannt machte und wie sie ebenso schnell alles gehorsam zur Heimreise zurüsteten, als sie es bei der Mahnung, nach Ägypten zu fliehen, getan hatten.



02.05.2022

Der Brunnen zu Matarea. Abraham lebt längere Zeit bei demselben. Auch Lot war hier. Warum Pharao nach Abrahams Weib trachtet. Vom Charakter der Ägypter (Teil III)

Abraham hatte sich sehr demütig bei dem Könige um Getreide gemeldet. Er hatte ihn als einen Hausvater der Völker angeredet und dadurch seine Gunst gewonnen, so dass er ihm viele Geschenke gemacht. Als er ihm nun Sara zurückgab und ihn das Land zu verlassen bat, sagte Abraham, dass er dieses nicht könne, ohne jenen Stammbaum wieder mitzunehmen, der ihm gehöre, und erzählte genau die ganze Weise, wie er hierher gekommen sei. Da ließ der König die Priester zusammenkommen, und sie gaben Abraham gern, was ihm gehörte, baten aber vorher, sich das Ganze abschreiben zu dürfen, was auch geschah. — Nun zog Abraham wieder mit seinem Gefolge ins Land Kanaan.
Von den Brunnen in Matarea habe ich noch vieles bis in unsere Zeit gesehen, wovon ich mich des folgenden entsinne: Schon zu den Zeiten der heiligen Familie ward er von Aussätzigen als ein Heilquell gebraucht. In viel späterer Zeit, als schon eine kleine christliche Kirche über die Wohnstelle Marias gebaut war, in welcher man neben dem hohen Altar in die Höhle hinabging, in welcher sie so lange verweilten, bis Joseph die Wohnung eingerichtet, sah ich den Brunnen auch noch von Menschen umwohnen und gegen verschiedene Arten von Aussatz gebrauchen. Ich sah auch Menschen, die sich darin badeten, um ihre üble Ausdünstung loszuwerden. Das war noch, als Mohammedaner hier waren. Auch sah ich, dass die Türken immer ein Licht in der Kirche von Marias Wohnung unterhielten. Sie fürchteten irgendein Unglück, wenn sie es anzuzünden versäumten. In der neueren Zeit sah ich den Brunnen einsam eine Strecke weit von den Wohnungen entlegen. Die Stadt lag nicht mehr dabei, und es wuchsen verschiedene wilde Fruchtbäume umher.



01.05.2022

Der Brunnen zu Matarea. Abraham lebt längere Zeit bei demselben. Auch Lot war hier. Warum Pharao nach Abrahams Weib trachtet. Vom Charakter der Ägypter (Teil II)

Als Abraham hier ins Land kam, mussten sie wohl durch ihre Sternseher und zauberischen Prophetinnen von ihm wissen, und zwar, dass er vom edelsten Stamme mit seinem Weibe der Vater eines erwählten Geschlechtes werden sollte. Sie forschten in ihren Wahrsagereien immer nach edlen Geschlechtern und suchten sich mit ihnen zu vermählen, wodurch der Satan sie zu Gewalttaten und Unzucht verleitete, um die reinen Stämme zu verunedeln.
Abraham, welcher fürchtete, er möge von den Ägyptern wegen der Schönheit Saras, seiner Frau, getötet werden, hatte sie für seine Schwester ausgegeben, und dies war auch keine Lüge, denn sie war seine Stiefschwester, die Tochter seines Vaters Tharah mit einer anderen Mutter (Gen 20,12). — Der König ließ Sara in sein Schloss bringen und wollte sie zum Weibe nehmen. Da waren beide sehr betrübt und beteten zu Gott um Hilfe, und Gott strafte den König mit Krankheit und alle seine Weiber, und die meisten Frauen der Stadt wurden krank. — Der König dadurch erschreckt, erkundigte sich und hörte, dass sie Abrahams Weib sei, und gab sie ihm mit der Bitte wieder, sobald als möglich Ägypten zu verlassen, denn er hatte erkannt, dass die Götter sie schützten.
Die Ägypter waren ein wunderliches Volk. Sie waren teils sehr hoffärtig und hielten sich für die Größten und Weisesten. Sie waren aber auch wieder ungemein feig und kriechend und gaben nach, wo sie fürchteten, es walte eine höhere Macht über ihnen. Dieses aber geschah, weil sie alles ihres Wissens nicht recht sicher waren, indem sie das meiste durch dunkle, zweideutige Wahrsagereien wussten, wobei eine Menge verwickelter, sich widersprechender Erfolge bevorstehen konnte. Da sie nun alles Wunderbare glaubten, fürchteten sie sich auch gleich bei jedem abweichenden Erfolg.


30.04.2022

Der Brunnen zu Matarea. Abraham lebt längere Zeit bei demselben. Auch Lot war hier. Warum Pharao nach Abrahams Weib trachtet. Vom Charakter der Ägypter (Teil I)

Abraham hat bei seinem Aufenthalt in Ägypten auch hier bei dem Brunnen seine Zelte gehabt, und ich habe gesehen, dass er bei denselben das Volk gelehrt hat.
Er wohnte mehrere Jahre hier im Lande mit Sara und mehreren Söhnen und Töchtern, deren Mütter in Chaldäa zurückgeblieben waren. Sein Bruder Lot war auch mit seiner Familie hier. Ich weiß nicht mehr, welcher Ort ihm angewiesen war. -—- Abraham zog auf Gottes Befehl nach Ägypten, erstens wegen einer Hungersnot im Lande Kanaan und zweitens, um einen Familienschatz dort abzuholen, der durch eine Schwestertochter von Saras Mutter dahin gekommen war. — Dieses Weib war von dem Stamme des Hirtenvolkes von Hiobs Geschlecht, welches früher einen Teil von Ägypten beherrschte, sie war zu diesen als eine dienende Magd gekommen und hatte dann einen Ägypter geheiratet. Es ist auch durch sie ein Stamm entstanden, dessen Namen ich vergessen habe. Ein Nachkomme von ihr und also aus Saras Geschlecht war Hagar, die Mutter Ismaels.
Diese Frau nun hatte jenen Familienschatz wie Rahel die Götter Labans entführt und in Ägypten um eine große Summe Geldes verkauft. So war er durch sie in den Besitz des Königs und der Priester gekommen. Es war dieses aber ein aus zusammengereihten dreieckigen Goldstücken bestehendes Geschlechtsregister der Kinder Noahs und besonders der Kinder Sems bis auf Abrahams Zeit.
Dieses Geschlechtsregister war wie eine Waagschale mit ihren Schnüren gemacht. Die Schnüre bestanden aus den zusammengekettelten dreieckigen Stückchen mit einzelnen Nebenlinien. Auf den Stückchen waren die Namen der Stammglieder eingestochen, und alle diese Schnüre, in der Mitte eines Deckels zusammenlaufend, lagen in der Waagschale beisammen, wenn man den Deckel mit den Schnüren niederließ und die Waagschale dadurch gleich einer Büchse schloß. — Die einzelnen Münzen waren dick und gelb, die Zwischenglieder dünn und weiß wie von Silber. Sie glitzerten. An manchen der gelben Stücke hingen wieder viele andere nieder. — Ich habe auch gehört, aber wieder vergessen, wieviel Säckel, was eine gewisse Summe war, das Ganze betrug. — Die Priester hier hatten allerlei an diesem Stammbaum ausgerechnet, aber nach ihren ewigen Rechnungen gar nicht richtig.



29.04.2022

Der Brunnen zu Matarea. Hiob wohnte hier vor Abraham und entdeckte den Brunnen (Teil V)

Zwischen den schweren Geschicken, die ihn trafen, hatte Hiob das erste Mal neun, das zweite Mal sieben, das dritte Mal zwölf Jahre Ruhe. Die Worte in dem Buch Hiob: „Und als der Bote des Unglücks noch davon redete", heißen soviel als: „Es war dieses sein Unglück noch im Munde des Volkes, da ihn das Folgende traf." -— Er hat seine Leiden in drei verschiedenen Gegenden erlebt. Das letzte Missgeschick und auch die Herstellung alles seines Glückes traf ihn, da er in einer flachen Gegend, von Jericho gerade gegen Morgen gelegen, lebte. Es war dort Weihrauch und Myrrhen und auch ein Goldbergwerk, und sie schmiedeten usw.
Ich sah bei anderer Gelegenheit noch sehr vieles von dem Wesen Hiobs, was ich später erzählen werde. Jetzt will ich nur noch sagen: Hiobs Geschichte und Reden mit Gott schrieben zwei vertraute Knechte, die wie seine Rentmeister waren, aus seinem Munde auf. Sie hießen Hai und Uis oder Ois.
Diese Geschichte war seinen Nachkommen heilig. Sie kam von Geschlecht zu Geschlecht zu Abraham und seinen Söhnen. Man unterrichtete danach. Sie kam mit den Kindern Israel nach Ägypten. Moses zog sie zum Trost der Israeliten in der ägyptischen Bedrückung und dem Zug durch die Wüste zusammen, denn sie war viel weitläufiger, und vieles darinnen hätten sie nicht verstanden. Salomon hat sie nochmals umgearbeitet, und so ward sie ein Erbauungsbuch voll der Weisheit Hiobs, Moses‘ und Salomons. Die wahre Geschichte Hiobs ward schwer daraus zu kennen, denn sie ward auch in Orts- und Volksnamen dem Lande Kanaan näher gerückt, und man glaubte, Hiob sei ein Edomiter, weil die letzte Gegend, wo er lebte, lange nach seinem Tode von den Edomitern, den Nachkommen Esaus, bewohnt ward. Hiob kann bei der Geburt Abrahams noch gelebt haben.



28.04.2022

Der Brunnen zu Matarea. Hiob wohnte hier vor Abraham und entdeckte den Brunnen (Teil IV)

Die Leute waren hier recht greulich, das Land war voll scheußlicher Tiere. — In großen Scharen flogen große, schwarze Tiere mit feurigen Mäulern umher. Es ging wie Feuer von ihnen, wo sie flogen. Alles vergifteten sie, und die Bäume, worauf sie gesessen, verwelkten. — Ich sah auch Tiere mit langen Hinterfüßen und kurzen Vorderfüßen wie Maulwürfe, sie konnten von einem Dach auf das andere springen. — Auch lauerten zwischen Steinen und in Höhlen greuliche Tiere, welche die Menschen umschlangen und erwürgten. Im Nil aber sah ich ein dickes, plumpes Tier mit hässlichen Zähnen und dicken, schwarzen Füßen, es war von der Größe eines Pferdes und hatte auch etwas Schweinartiges.
Ich sah auch noch viele andere hässliche Tiere. Das Volk aber war noch viel abscheulicher hier, und Hiob, den ich mit seinem Gebete die Gegend seiner Wohnung von den bösen Tieren befreien sah, hatte einen solchen Abscheu vor diesen gottlosen Menschen, dass er oft gegen seine Begleiter in Klagen ausbrach; er wolle lieber mit diesen greulichen Tieren als den schändlichen Menschen hier leben.
Oft auch sah ich ihn mit Sehnsucht gegen Sonnenaufgang hin nach seinem Vaterlande schauen, welches etwas mittäglicher als das äußerste Land der heiligen drei Könige lag. — Hiob sah prophetische Vorbilder von der Ankunft der Kinder Israel hier im Lande und überhaupt vom Heil der Menschheit wie auch von den Prüfungen, die ihm daselbst bevorstanden. — Er ließ sich nicht bewegen, hier zu bleiben, und zog nach fünf Jahren mit seinen Begleitern wieder aus Ägypten.



27.04.2022

Der Brunnen zu Matarea. Hiob wohnte hier vor Abraham und entdeckte den Brunnen (Teil III)

Hiob war zwar ein Heide, aber ein gerechter Mann, er erkannte den wahren Gott und betete Ihn als den Schöpfer an, in Betrachtung der Natur, der Gestirne und des wechselnden Lichtes. Er redete gar zu gern mit Gott von Seinen wunderbaren Geschöpfen. Er betete keine greulichen Tierbilder an wie andere Volksstämme damals.
— Er hat sich aber ein Bild von dem wahren Gott ersonnen. Es war dieses ein kleines Menschenbild mit Strahlen um das Haupt, und ich meine auch geflügelt. Es hatte die Hände unter der Brust vereinigt und trug auf denselben eine Kugel, worauf ein Schiffchen auf Wellen abgebildet war. Vielleicht sollte es die Sündflut vorstellen. Er verbrannte bei seinem Gottesdienst Körner vor diesem Bildchen. — Solche Bildchen wurden nachher auch in Ägypten eingeführt. Sie hatten es wie in einer Kanzel sitzen und ein Dach darüber. Hiob fand einen greulichen Götzendienst hier in dieser Stadt, er rührte noch von der zauberischen Abgötterei her, die beim Turmbau von Babel getrieben wurde. Sie hatten einen Götzen mit breitem, oben spitzem wie emporgerichtetem Ochsenkopf mit offenem Maul und nach hinten zu gebogenen Hörnern. Er war hohl, sie machten Feuer in ihn und legten ihm lebendige Kinder in die glühenden Arme. Aus Löchern in seinem Leib sah ich etwas herausholen.



26.04.2022

Der Brunnen zu Matarea. Hiob wohnte hier vor Abraham und entdeckte den Brunnen (Teil II)

Es war dort eine elende moorige Gegend, ich meine, es wohnt jetzt ein Volk mit kleinen Augen, platten Nasen und hohen Backenknochen dort. — Hier traf den Hiob sein erstes Leiden, und er zog hierauf südlicher auf den Kaukasus und begann aufs neue.
Aus dieser Gegend machte Hiob einen großen Zug nach Ägypten, wo damals fremde Könige von Hirtenvölkern aus dem Vaterlande Hiobs herrschten. Einer war aus Hiobs Gegend, ein anderer aus dem fernsten Lande der heiligen drei Könige. Sie beherrschten nur einen Teil Ägyptens und wurden später von einem ägyptischen König vertrieben. In einer Stadt war einmal eine große Menge dieses Hirtenvolkes zusammengedrängt. Dieses Volk war dahin eingewandert.
Der König dieser Hirten aus Hiobs Gegend verlangte für seinen Sohn ein Weib aus seinem Stammvolk am Kaukasus, und Hiob brachte diese Königsbraut, die mit ihm verwandt war, mit einem großen Zuge nach Ägypten. Er führte an dreißig Kamele, große Geschenke und sehr viele Knechte mit sich. Er war noch jung, ein großer Mann von angenehmer, gelbbrauner Farbe und rötlichen Haaren. Die Menschen in Ägypten waren schmutzigbraun. — Es war damals noch nicht sehr volkreich in Ägypten, nur hie und da lebte ein sehr großer Haufen beisammen. Es waren auch damals noch keine so großen Bauwerke hier, welche erst zur Zeit der Kinder Israel aufkamen.
Der König ehrte den Hiob sehr und wollte ihn nicht wieder fortlassen. Er wünschte gar sehr, er möge mit seinem ganzen Stamm hierher ziehen. Er wies ihm die Stadt, wo nachher die heilige Familie gewohnt, zum Aufenthalt an. Sie war damals ganz anders. Er wohnte fünf Jahre in Ägypten. — Ich sah, dass er auf derselben Stelle gewohnt, wo die heilige Familie wohnte, und dass ihm jener Brunnen von Gott gezeigt ward. Er hat auch bei seinem Gottesdienste auf jenem großen Steine geopfert.



25.04.2022

Der Brunnen zu Matarea. Hiob wohnte hier vor Abraham und entdeckte den Brunnen (Teil I)

Der Brunnen in Matarea ist nicht zuerst durch die heilige Jungfrau hier entstanden, er ist nur wieder hervorgebrochen. Er war verschüttet und inwendig noch ganz ausgemauert. — Ich sah aber, dass Hiob lange vor Abraham in Ägypten war und an diesem Orte an dieser Stelle wohnte. Er hat den Brunnen gefunden und hat auf dem großen Stein, der hier lag, geopfert.
Hiob war der jüngste von dreizehn Brüdern. Sein Vater war ein großer Stammführer zur Zeit des babylonischen Turmbaues. Sein Vater hatte noch einen Bruder, von welchem Abrahams Geschlecht abstammt. Die Stämme dieser zwei Brüder verehelichten sich meistens untereinander. — Hiobs erste Frau war aus diesem Stamm Phaleg. Und als er schon viele Schicksale erlebt und an seinen dritten Wohnort gezogen war, heiratete er noch drei Frauen aus dem Stamm Phaleg. Eine davon gebar ihm einen Sohn, dessen Tochter sich wieder in den Stamm Phaleg verheiratete und die Mutter Abrahams gebar. Hiob war also der Urgroßvater von Abrahams Mutter.
Der Vater Hiobs hieß Joktan, ein Sohn Hebers, er wohnte mitternächtlich vom Kaspischen Meer, in der Gegend eines Gebirges, auf dessen einer Seite es ganz warm, auf dessen anderer Seite es kalt und voll Eis ist. Es gab Elefanten in dem Lande. Wo Hiob zuerst hinzog und seinen Stamm für sich anfing, hätten die Elefanten wohl nicht gut gehen können, es war da sehr moorig. — Es lag dies Land gen Mitternacht eines Gebirges, welches zwischen zwei Meeren ist, wovon das abendliche vor der Sündflut auch ein hohes Gebirge war, auf welchem böse Engel wohnten, welche die Menschen in Besitz nahmen.



24.04.2022

Matarea. Die heilige Jungfrau entdeckt einen Brunnen bei ihrer Wohnung. Joseph bringt den verschütteten Brunnen in Ordnung. Der Knabe Jesu schöpft anderen Kindern Wasser
(Teil II)

Ich sah auch, wie Jesus zum ersten Mal Seiner Mutter Wasser holte, Maria lag in ihrem Gewölbe betend auf den Knien, da schlich sich Jesus mit einem Schlauch zum Brunnen und holte Wasser, es war das erste Mal. Maria war unbeschreiblich gerührt, als sie Ihn zurückkommen sah, und bat Ihn noch kniend, Er möge es nicht wieder tun, damit Er nicht in den Brunnen falle. Jesus aber sagte, Er werde sich in acht nehmen und wünsche aber immer, das Wasser zu schöpfen, wenn sie es bedürfe.
Der kleine Jesus leistete Seinen Eltern Dienste aller Art mit großer Aufmerksamkeit und Besonnenheit. So sah ich zum Beispiel, wie Er, wenn Joseph nicht zu weit von Haus arbeitete und etwa ein Werkzeug zurückgelassen hatte, es ihm alsbald holte. Er achtete auf alles. Ich meine die Freude, die sie mit Ihm hatten, musste alles Leid überwiegen. — Ich sah auch Jesus manchmal nach dem Judenorte, der wohl eine Meile von Matarea entfernt war, gehen, um Brot für die Arbeit Seiner Mutter zu holen. — Die vielen hässlichen Tiere hier im Lande taten Ihm nichts. Sie waren ganz freundlich mit Ihm. Ich habe Ihn mit Schlangen spielen sehen.
Als Er zum ersten Mal allein nach dem Judenorte ging, weiß ich nicht mehr bestimmt, ob in Seinem fünften oder siebenten Jahre, hatte Er zum ersten Mal ein braunes Röckchen, unten herum mit gelben Blumen, an, das Ihm die heilige Jungfrau gewirkt hatte. — Ich sah aber, dass Er unterwegs kniend betete und dass Ihm zwei Engel erschienen, die Ihm den Tod des Herodes des Großen verkündeten. — Jesus sagte dieses Seinen Eltern nicht, ich weiß die Ursache nicht mehr, ob aus Demut oder ob die Engel es Ihm verboten oder weil Er erkannte, dass sie Ägypten noch nicht verlassen sollten.
Einmal sah ich Ihn auch mit anderen Judenkindern nach diesem Orte gehen, und als Er wieder nach Hause kam, bitterlich über die Versunkenheit der dortigen Juden weinen.



23.04.2022

Matarea. Die heilige Jungfrau entdeckt einen Brunnen bei ihrer Wohnung. Joseph bringt den verschütteten Brunnen in Ordnung. Der Knabe Jesu schöpft anderen Kindern Wasser
(Teil I)

Auch in Matarea, wo die Einwohner sich mit dem trüben Nilwasser behelfen mussten, fand Maria auf Gebet einen Brunnen. Sie litten anfangs großen Mangel und mussten von Früchten und schlechtem Wasser leben. Sie hatten lange kein gutes Wasser gehabt, und Joseph wollte schon, mit seinen Schläuchen auf dem Esel Wasser zu holen, nach dem Balsamquell in die Wüste ziehen, als die heilige Jungfrau auf ihr Gebet durch die Erscheinung eines Engels ermahnt wurde, eine Quelle hinter ihrer Wohnung zu finden. — Ich sah sie über den Wall, worin ihre Wohnung war, zu einem tiefer gelegenen freien Raum zwischen verfallenen Wällen hinabgehen, wo ein sehr dicker alter Baum stand. — Sie hatte einen Stab, woran eine kleine Schaufel, in der Hand, wie man sie dort häufig auf Reisen trägt, und stach damit bei dem Baume in die Erde, worauf ein schöner heller Wasserstrahl hervorquoll.
Freudig eilte sie, Joseph zu rufen, der, den Brunnen aufgrabend, entdeckte, dass er in der Tiefe früher schon ausgemauert und nur versiegt und verschüttet gewesen. Joseph stellte ihn her und legte ihn sehr schön mit Steinen aus. — Es war bei diesem Brunnen, von der Seite, wo Maria herkam, ein großer Stein, schier wie ein Altar, und ich meine, es ist auch einmal ein Altar gewesen; ich habe die Gelegenheit jetzt vergessen.
Hier hat die heilige Jungfrau nachher in der Sonne oft die Kleider und Tücher Jesu getrocknet, die sie gewaschen. — Dieser Brunnen blieb unbekannt und allein im Gebrauche der heiligen Familie, bis Jesus so groß war, dass Er allerlei kleine Bestellungen machte und auch Seiner Mutter Wasser holte. Da sah ich einmal, dass Er andere Kinder an den Brunnen brachte und ihnen mit einem hohl gebogenen Blatt zu trinken schöpfte. Da die Kinder dieses ihren Eltern erzählten, kamen nun auch andere Leute zu dem Brunnen, der jedoch hauptsächlich im Gebrauch der Juden blieb.



22.04.2022

Herodes lässt den Zacharias gefangen nehmen und töten. Elisabeth begibt sich zu Johannes in die Wüste und stirbt daselbst. Johannes dringt weiter in die Wüste (Teil III)

Johannes zog nun von Haus entfernter in die Wüste. Er verließ die Felsenschlucht, die Gegend ward offener, und ich sah ihn in der Wildnis bis zu einem kleinen See gelangen. Da war weißer Sand und ebenes Ufer, und ich sah ihn da weit in das Wasser gehen und alle die Fische ohne Scheu zu ihm heranschwimmen. Er war ganz vertraulich mit ihnen. — Er lebte in dieser Gegend längere Zeit, und ich sah, dass er sich dort eine Schlafhütte im Gebüsch aus Zweigen flocht. Sie war ganz niedrig und nicht größer, als darin schlafend zu liegen. Hier und später sah ich besonders oft leuchtende Gestalten oder Engel bei ihm, mit welchen er demütig, doch ganz kindlich fromm vertraut und unerschrocken umging. Sie schienen ihn zu lehren und auf allerlei aufmerksam zu machen. Ich sah nun auch ein Querstäbchen an seinem Stabe befestigt, so daß er ein Kreuz bildete; hieran hatte er ein Band von breiten Buchen oder Baumbast gleich einem Fähnchen befestiget, womit er hin und wieder wehend spielte.
Das väterliche Haus des Johannes in Juta bei Hebron bewohnte nun eine Schwestertochter der Elisabeth. Es war ein ganz wohl eingerichtetes Haus. Johannes kam erwachsener noch einmal heimlich dorthin und drang dann immer weiter in die Wüste, bis er unter den Menschen erschien, was ich später mitteilen werde.



21.04.2022

Herodes lässt den Zacharias gefangen nehmen und töten. Elisabeth begibt sich zu Johannes in die Wüste und stirbt daselbst. Johannes dringt weiter in die Wüste (Teil II)

Seine Freunde begruben nachher seinen Leib unfern vom Tempel. — Es war dieses aber nicht der Zacharias, der zwischen Tempel und Altar erschlagen ward und den ich, da die Toten bei Christi Tod aus ihren Gräbern hervorgingen, aus den Tempelmauern neben der Betkammer des alten Simeon hervorgehen gesehen, da sein Grab aus der Mauer hervorstürzte. Es stürzten damals noch mehrere heimliche Gräber im Tempel ein. Bei der Veranlassung, da dieser Zacharias zwischen Tempel und Altar ermordet ward, waren mehrere, welche über das Geschlecht des Messias stritten und über gewisse Rechte, Stellen und Standorte einzelner Familien am Tempel. Es durften zum Beispiel nicht alle Familien ihre Kinder am Tempel erziehen lassen. Dabei fällt mir ein, dass ich auch einmal einen Knaben, ich glaube einen Königssohn, dessen Namen mir entfallen ist, in der Pflege von Hanna am Tempel gesehen habe. Zacharias allein ward unter den Streitenden ermordet. Sein Vater hieß Barachias.
Als die Seherin von der Ermordung dieses Zacharias zwischen Tempel und Altar und dem erwähnten veranlassenden Streite sprach, kämpfte sie gegen ekstatischen Schlaf und erklärte sich deshalb etwas unbestimmt.
Ich sah auch, wie einmal später die Gebeine dieses Zacharias wiedergefunden wurden, habe aber die näheren Umstände vergessen. Zur Zeit, da Elisabeth die Heimkehr ihres Mannes nach Juta erwartete, kehrte sie auch dahin aus der Wüste zurück. Johannes begleitete sie einen Teil des Wegs, worauf sie ihn segnete und auf die Stirn küsste, er aber unbekümmert in die Wüste zurückeilte. Zu Haus fand Elisabeth die schreckliche Botschaft von der Ermordung des Zacharias. Sie fiel in so großes Leid und Wehklagen, dass sie hier keine Ruhe mehr finden konnte, so eilte sie dann für immer in die Wüste zu Johannes und starb daselbst nicht lange Zeit nachher, noch vor der Rückkehr der heiligen Familie aus Ägypten. Der Essener von dem Berge Horeb, welcher immer dem kleinen Johannes beistand, hat sie in der Wüste begraben.



20.04.2022

Herodes lässt den Zacharias gefangen nehmen und töten. Elisabeth begibt sich zu Johannes in die Wüste und stirbt daselbst. Johannes dringt weiter in die Wüste (Teil I)

Als Johannes in der Wüste ungefähr sein sechstes Lebensjahr erreicht hatte, zog Zacharias einmal mit Opferherden zum Tempel, und Elisabeth benützte die Zeit seiner Abwesenheit, um ihren Sohn in der Wüste heimzusuchen. Zacharias ist wohl nie bei Johannes in der Wüste gewesen, damit er, von Herodes um den Aufenthalt seines Sohnes gefragt, der Wahrheit gemäß sagen könne, er wisse nicht, wo er sei. Um aber seine große Sehnsucht nach Johannes zu befriedigen, geschah es, dass dieser mehrmals mit großer Heimlichkeit in der Nacht aus der Wüste in das Haus seiner Eltern zurückkehrte und eine kleine Zeit dort verweilte. Wahrscheinlich führte ihn, wenn es sein sollte und ohne Gefahr sein konnte, sein Schutzengel dahin. Ich sah ihn immer von höheren Mächten geleitet und geschützt und oft leuchtende Gestalten wie Engel bei ihm.
Johannes war bestimmt, abgesondert von der Welt und den gewöhnlichen menschlichen Nahrungsmitteln in der Wüste von dem Geiste Gottes erzogen und belehrt zu werden, und so fügte es die Vorsehung, dass er auch, durch die äußeren Umstände genötigt, in die Wüste gebracht wurde, wohin ihn schon sein innerer Naturtrieb unwiderstehlich führte, denn ich habe ihn von frühester Kindheit an immer einsam und nachdenkend gesehen. Wie nun aber auf eine göttliche Mahnung das Kindlein Jesus nach Ägypten geflüchtet ward, so wurde Johannes, Sein Vorläufer, in der Wüste versteckt. Auch auf ihn war der Verdacht gerichtet, denn es war viel Gerede über Johannes seit seinen ersten Tagen im Lande gewesen, die Wunder seiner Geburt waren bekannt wie auch, dass man ihn oft von Licht umgeben gesehen, weswegen Herodes ihm besonders nachstellte.
Schon mehrere Male hatte Herodes den Zacharias über den Aufenthalt des Johannes zur Rede stellen lassen, noch immer aber hatte er nicht die Hände an ihn gelegt. Jedoch als Zacharias diesmal zum Tempel zog, ward er in einem Hohlweg vor dem Bethlehemstor von Jerusalem, wo man die Stadt noch nicht sehen konnte, von den Soldaten des Herodes, die ihm auflauerten, überfallen und schwer misshandelt. Sie schleppten ihn in ein Gefängnis, an der Seite des Berges Sion gelegen, wo ich nachmals die Jünger Jesu so oft zum Tempel hinaufwandeln sah. Hier ward der Greis sehr gequält und selbst gefoltert, um ihm das Geständnis von dem Aufenthalt seines Sohnes zu entreißen, und, da dies nicht gelang, auf Befehl des Herodes erstochen.



19.04.2022

Elisabeth führt den Knaben Johannes zum dritten Mal in die Wüste (Teil III)

Alles das verwunderte mich nicht, denn ich habe als Kind schon, wenn ich einsam unsere Kühe hütete, immer ein vertrauliches Leben mit Johannes in der Wüste geführt; denn oft, wenn ich mich nach ihm sehnte und in die Büsche hineinrief: „Häimsken mit sien Stöcks ken und sien Fell up de Schulter sali to mi kommen", so kam auch Hännschen mit seinem Stöckchen und seinem Fell auf der Schulter oft zu mir, und wir spielten wie die Kinder, und er erzählte mir und lehrte mich allerlei Gutes. Auch befremdete mich nie, dass er in der Wüste von Pflanzen und Tieren so vieles erlernt, denn auch ich habe als Kind im Walde, auf der Heide und im Felde, bei der Herde oder wenn ich Ähren las, Gras rupfte, Kräuter sammelte, jedes Blättchen, jede Blume wie ein Buch betrachtet, jeder Vogel, jedes vorübereilende Tier, alles, was mich umgab, belehrte mich. Bei jeder Gestalt und Farbe, bei jedem Blattgerippe kamen mir allerlei tiefe Gedanken, welche die Leute, wenn ich sie wieder vorbrachte, teils mit Verwunderung anhörten, meist aber verlachten, wodurch ich mich endlich gewöhnte, alles dergleichen zu verschweigen, denn früher meinte ich und meine es manchmal noch jetzt, solches begegne einem jeden Menschen, und man lerne nirgends besser, weil Gott das ABC-Buch selbst geschrieben.
Als ich nun in meinen Betrachtungen dem Knaben Johannes wieder in die Wüste folgte, sah ich wie früher sein ganzes Tun und Treiben. Ich sah ihn mit Blumen und Tieren spielen. Die Vögel waren ihm ganz besonders vertraut. Sie flogen ihm auf den Kopf, wenn er ging oder kniend betete. Oft sah ich ihn seinen Stab quer in die Zweige legen, da kamen auf seinen Ruf viele bunte Vögel herzugeflogen und setzten sich in eine Reihe auf seinen Stab. Er betrachtete sie und sprach ganz vertraut mit ihnen, als halte er Schule. Ich sah ihn auch anderen Tieren in ihre Lager nachgehen, sie füttern und aufmerksam betrachten.



18.04.2022

Elisabeth führt den Knaben Johannes zum dritten Mal in die Wüste (Teil II)

Als sie eine Strecke Wegs in diese Schlucht hineingegangen waren, nahm Elisabeth von dem Knaben Abschied. Sie segnete ihn, drückte ihn an ihr Herz, küsste ihn auf die beiden Wangen und Stirn und trat ihren Rückweg an. Mehrmals wendete sie sich auf ihrem Wege und sah sich weinend nach Johannes um. Dieser aber war ganz unbekümmert und wanderte sicher vorwärtsschreitend weiter in die Schlucht hinein.
Da ich während dieser Betrachtungen sehr krank war, gab mir Gott die Gnade, mich bei allem, was vorging, als ein Kind gegenwärtig zu fühlen. Sogleich glaubte ich, als ein Kind desselben Alters mit Johannes auf dem Weg zu sein und ward bange, das Kind entferne sich zu sehr von seiner Mutter und werde nicht mehr nach Hause finden; bald aber beruhigte mich eine Stimme: Sei unbekümmert, der Knabe weiß sehr wohl, was er tut. Hierauf glaubte ich, mit ihm als mit einem vertrauten Gespielen meiner Jugend ganz einzig in die Wüste hineinzuziehen, und sah vielerlei, was ihm darin begegnet ist. Ja, Johannes selbst erzählte mir in diesem Zusammensein vieles aus seinem Leben in der Wüste; zum Beispiel wie er sich auf alle Weise Abbruch getan und seine Sinne getötet und immer heller und klarer gesehen habe und wie er auf eine unbeschreibliche Weise von allem, was ihn umgeben, unterrichtet worden sei.



17.04.2022

Elisabeth führt den Knaben Johannes zum dritten Mal in die Wüste (Teil I)

Der kleine Johannes ist während des Aufenthalts der heiligen Familie in Ägypten nochmals heimlich in Juta bei seinen Eltern gewesen, denn ich sah ihn, etwa vier bis fünf Jahre alt, von Elisabeth abermals in die Wüste begleiten. Als sie das Haus verließen, war Zacharias nicht anwesend; ich glaube, er ist vorher verreist, um den Abschied nicht zu sehen, denn er liebte den Johannes über alle Maßen. Er hatte ihm aber doch seinen Segen gegeben; denn er segnete Elisabeth und Johannes jedes Mal, ehe er verreiste.
Der kleine Johannes hatte ein Fell von der linken Schulter quer über Brust und Rücken hängen, es war unter der rechten Achsel zusammengeheftet. Später in der Wüste sah ich ihn dieses Fell, wie es ihm bequem war, bald über beide Schultern, bald quer vor der Brust, bald um den Unterleib geschlagen, tragen. Außer diesem Fell war der Knabe nackt. Er hatte bräunliche, dunklere Haare als Jesus und trug noch das weiße Stäbchen in der Hand, das er vom Hause schon früher mitgenommen und ich immer in der Wüste bei ihm gesehen habe.
So sah ich ihn an der Hand seiner Mutter Elisabeth, einer langen, sehr eingehüllten, raschen, alten Frau mit kleinem, feinem Gesichte über Land eilen. Oft lief er voraus und war ganz unbefangen und kindlich, ohne jedoch zerstreut zu sein.
Ihr Weg ging anfangs lang mitternachtswärts, und sie hatten ein Wasser zu ihrer rechten Seite; dann sah ich sie über einen kleinen Fluß setzen, es war keine Brücke da, sie fuhren auf Balken hinüber, welche darin lagen, wobei Elisabeth, die eine sehr entschlossene Frau war, mit einem Zweige ruderte. Als sie über dem Flüsschen waren, wendete sich ihr Weg mehr gegen Morgen, und sie zogen in eine Felsenschlucht hinein, welche oben öd und steinig, im Talgrund aber mit manchem Gebüsch und anderen Früchten mit vielen Erdbeeren bewachsen war, von welchem der Knabe hie und da eine aß.



16.04.2022

Matarea. Armut des Ortes. Schlafstelle Marias und Jesu. Gebetsraum der heiligen Familie (Teil II)

Ich sah auch von Joseph einen Betort in der Wohnung eingerichtet. Er war in einem abgesonderten Gang. Joseph und die heilige Jungfrau hatten ihre besonderen Stellen darinnen, und auch das Jesuskind hatte Sein eigenes Winkelchen, wo Es betend saß, stand oder kniete. — Die heilige Jungfrau hatte eine Art Altärchen, vor dem sie betete. Ein kleines Tischchen, rot und weiß bedeckt, wurde wie eine Klappe vor einem Fach in der Mauer, welche es gewöhnlich verschloss, niedergelassen. — Es befand sich aber in der Mauervertiefung eine Art Heiligtum. Ich sah kleine Büschchen in kelchförmigen Töpfchen. Ich sah ein Ende des Stabs des heiligen Joseph mit der Blüte, wodurch er im Tempel durch das Los zum Gemahl Marias gewählt worden war. Es stak dieses Ende in einer anderthalb Zoll dicken Büchse. — Außer diesem sah ich noch ein Heiligtum, von dem ich aber jetzt nicht mehr bestimmen kann, was es eigentlich war. In einer durchsichtigen Büchse sah ich etwa fünf weiße Stäbchen von der Dicke starker Strohhalme. Sie standen gekreuzt wie in der Mitte gebunden und erschienen oben etwas breiter, kraus, nach Art einer kleinen Garbe. — (Sie kreuzte die Finger, um sich deutlich zu machen, und sprach auch von Brot. Vielleicht hat es Bezug auf Ähren und Weinreben, die sie neulich in dem ägyptischen Bilde sah, da den Engeln die Geburt Mariä verkündet ward, oder waren es Gebeine?)



15.04.2022

Matarea. Armut des Ortes. Schlafstelle Marias und Jesu. Gebetsraum der heiligen Familie (Teil I)

Anfangs ging es ihnen in Matarea ganz beschwerlich. Es mangelte an gutem Wasser und Holz hier. Die Einwohner kochten mit trockenem Gras oder Schilf. Die heilige Familie aß meistens kalte Nahrungsmittel. — Joseph erhielt manche Arbeit, er verbesserte die Hütten. Die Leute aber behandelten ihn schier wie einen Sklaven, sie gaben ihm, was sie wollten; bald brachte er etwas für seine Arbeit nach Haus, bald nichts. Die Einwohner hier waren sehr ungeschickt, ihre Hütten zu bauen. Es fehlte an Holz, und wenn ich auch hie und da einen Stamm Hegen sah, so merkte ich doch, dass es ihnen hier an Werkzeug mangelte. Die meisten hatten nur Messer von Stein oder Bein und waren wie Torfstecher. Joseph hatte sein nötigstes Werkzeug mitgebracht.
Die heilige Familie hatte sich bald ein wenig eingerichtet. Joseph teilte den Raum sehr bequem durch leichte Flechtwände, er bereitete eine ordentliche Feuerstelle und verfertigte Schemel und kleine niedere Tischchen. Die Leute hier aßen alle an der platten Erde.
Sie lebten mehrere Jahre hier, und ich habe allerlei Bilder gesehen aus verschiedenen Lebensjahren des Jesuskindes. — Ich sah, wo Jesus schlief. In der Wand des Gewölbes, wo Maria schlief, sah ich eine Vertiefung von Joseph ausgearbeitet, in der das Lager Jesu war. Maria schlief daneben, und ich habe oft gesehen, wie sie nachts vor dem Lager Jesu zu Gott betend kniete. Joseph schlief in einem anderen Raum.



14.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug nach Matarea. Götzenbilder in einer kleinen Stadt fielen um (Teil III)

Hier wohnten nur einige sehr arme Juden, die in elenden Gruben und Löchern steckten. — In dem Judenort zwischen On und dem Nil aber wohnten viele Juden und hatten einen ordentlichen Tempel, sie waren jedoch ganz in einer getreulichen Abgötterei versunken, hatten ein goldenes Kalb, eine Figur mit einem Ochsenkopf und hatten rings kleine Tierbilder wie Iltisse oder Frettchen stehen und kleine Thronhimmel darüber. Es waren dies Tiere, welche einen gegen die Krokodile verteidigen (Ichneumon).
Sie hatten auch eine nachgemachte Bundeslade und greuliche Sachen darin. Sie übten einen scheußlichen Götzendienst, wobei sie in einem unterirdischen Gang allerlei Unzucht trieben und meinten, dadurch solle der Messias entstehen. Sie waren sehr hartnäckig und wollten sich nicht bessern. — Es zogen aber später viele aus diesem Orte, der höchstens zwei Stunden entfernt war, hierher. Sie konnten aber der vielen Kanäle und Dämme wegen nicht in gerader Richtung hierher, sondern mussten einen Umweg um On herum machen. Diese Juden im Lande Gosen hatten schon in On Bekanntschaft mit der heiligen Familie, und Maria arbeitete bis dahin allerlei weibliche Arbeit für sie, an Strick-, Flecht- und Stickwerk, auch anderes. Sie wollte aber nie überflüssige Sachen und Prachtsachen arbeiten, sondern nur das Notdürftige und die Betkleider. Ich sah, dass Frauen ihr Arbeit brachten, welche sie nach der Mode und zur Eitelkeit verlangten, und dass Maria die Arbeit zurückgab, so sehr sie einigen Erwerbes bedurfte. Ich sah auch, dass die Frauen ganz schnöd über sie schimpften.



13.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug nach Matarea. Götzenbilder in einer kleinen Stadt fielen um (Teil II)

Sie zogen aber von Troja wieder nördlich stromabwärts gegen Babylon, das wüst, schlecht gebaut und kotig war. Sie zogen zwischen dem Nil und Babylon um diese Stadt herum, in der Richtung, die sie gekommen waren, wieder eine Strecke rückwärts.
Sie zogen auf einem Damm nilabwärts, auf welchem Damm später auch Jesus gezogen ist, da er nach Lazarus' Erweckung durch Arabien und Ägypten reiste und dann am Brunnen Jakobs bei Sichar wieder mit den Jüngern zusammenkam.
Sie zogen etwa zwei Stunden nilabwärts. Der ganze Weg war hie und da mit zerstörten Bauwerken besetzt. Sie mussten auch noch einen kleinen Flußarm oder Kanal überschreiten und kamen nach einem Ort, dessen damaligen Namen ich vergessen habe, der später aber Matarea hieß. Er war nahe bei Heliopolis. Dieser Ort, der auf einer Landzunge lag, so dass das Wasser ihn auf zwei Seiten berührte, war sehr wüst und zerstreut, und die jetzigen Wohnungen meistens ganz schlecht von Dattelholz und festem Schlamm gebaut und mit Binsen gedeckt, so dass Joseph hier viele Bauarbeit erhielt. -— Er machte die Häuser fester von Flechtwerk und baute Galerien darauf, wo sie gehen konnten.
Hier wohnten sie in einem dunklen Gewölbe in einsamer Gegend an der Landseite, nicht weit von dem Tore, durch das sie eingezogen. Joseph baute wieder einen leichten Vorbau vor das Gewölbe. — Auch hier fiel bei ihrer Ankunft das Götzenbild in einem kleinen Tempel und später alle Götzenbilder um. Ein Priester beruhigte auch hier das Volk durch die Erinnerung an die Plagen Ägyptens. — Später, als sich eine kleine Gemeinde von Juden und bekehrten Heiden um sie gesammelt hatte, überließen ihnen die Priester den kleinen Tempel, dessen Götze bei ihrem Einzüge gefallen war, und Joseph richtete ihn zur Synagoge ein. Er wurde wie der Vater der Gemeinde und führte ein, dass sie die Psalmen ordentlich sangen, denn ihr Gottesdienst war ganz verwildert.



12.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug nach Matarea. Götzenbilder in einer kleinen Stadt fielen um (Teil I)

Ungefähr nach einem Aufenthalt von eineinhalb Jahren, da Jesus etwa zwei Jahre alt war, verließ die heilige Familie Heliopolis wegen Mangel an Arbeit und mancherlei Verfolgungen. Sie zogen mittagwärts gegen Memphis zu. — Als sie nicht weit von Heliopolis durch eine kleine Stadt kamen und sich in der Vorhalle eines offenen Götzentempels zu ruhen niedersetzten, stürzte das Götzenbild nieder und zerbrach. Es hatte einen Ochsenkopf und drei Hörner und mehrere Löcher im Leibe, die Opfer hineinzusetzen und zu verbrennen. Es entstand hierüber ein Auflauf unter den Götzenpriestern, welche die heilige Familie anhielten und bedrohten. Ein Priester aber stellte den anderen im Rate vor, er halte es für besser, sich dem Gotte dieser Leute zu empfehlen, indem er sie erinnerte, welche Plagen über ihre Voreltern gekommen seien, als sie dieses Volk verfolgt, und wie in der Nacht vor ihrem Auszug in jedem Hause der Erstgeborene gestorben sei usw. Auf diese Beratung wurde die heilige Familie ungestört entlassen.
Sie zogen nun bis nach Troja, einem Ort an der Morgenseite des Nils, Memphis gegenüber. Der Ort war groß, aber sehr kotig. Sie gedachten, hier zu bleiben, wurden aber nicht aufgenommen, ja sie konnten nicht einmal einen Trunk Wasser noch einige Datteln erhalten, worum sie baten. — Memphis lag westlich des Nils. Der Strom war da sehr breit und hatte Inseln. Diesseits des Nils war auch ein Teil der Stadt und zu Pharaos Zeit ein großer Palast mit Gärten und einem hohen Turm, von welchem Pharaos Tochter oft umherschaute. Ich sah auch die Stelle, wo im hohen Schilf das Kind Moses aufgefunden worden ist. — Memphis war, gleich drei Städten, diesseits und jenseits des Nils, und es war, als gehöre Babylon, eine Stadt, welche östlich des Flusses mehr stromabwärts lag, auch dazu. — Überhaupt war zu Pharaos Zeit die Gegend um den Nil zwischen Heliopolis, Babylon und Memphis so mit hohen Steindämmen, Gebäuden und Kanälen angefüllt und verbunden, dass alles eine zusammenhängende Stadt zu sein schien. -— Jetzt, zur Zeit der heiligen Familie, war dies alles schon getrennt und durch große Verwüstung unterbrochen.



11.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Der Knabe Johannes abermals in die Wüste geflücht

Als Elisabeth den kleinen Johannes vor dem Kindermord, nachdem sie durch einen Engel gewarnt worden war, abermals in die Wüste flüchtete, wurde mir folgendes von dieser Begebenheit gezeigt.
Elisabeth suchte lange, bis sie eine Höhle fand, die ihr verborgen genug schien, und blieb nun ungefähr 40 Tage mit dem Knaben. Als sie wieder nach Hause ging, kam ein Essener von der Genossenschaft am Berge Horeb in die Wüste zu dem Knaben und brachte ihm Speise und half ihm in allem Notwendigen. Dieser Essener, dessen Namen ich bereits mehrmals wieder vergessen, war ein Verwandter der Tempelhanna. Er kam anfangs alle acht, später alle vierzehn Tage zu Johannes, bis dieser seiner Hilfe nicht mehr bedurfte. Das währte aber nicht sehr lange, denn er war sehr bald in der Wüste besser zu Haus als bei den Menschen. Er war von Gott bestimmt, außer Berührung mit den Menschen und ihren Sünden unschuldig in der Wüste aufzuwachsen. Gleich Jesu ist er nie in einer Schule gewesen; der Heilige Geist hat ihn in der Wüste unterrichtet. Ich sah oft ein Licht oder leuchtende Gestalten wie ein Engel, bei ihm. Diese Wüste war nicht öde und unfruchtbar, es wuchsen viele Kräuter und Stauden, welche mancherlei Beeren trugen, zwischen den Felsen, auch Erdbeeren, welche Johannes vorüberwandelnd pflückte und aß. Er war ungemein vertraut mit den Tieren, besonders mit den Vögeln; sie flogen ihm zu und saßen auf seinen Schultern, er sprach mit ihnen, und sie schienen ihn ganz zu verstehen und waren wie seine Boten. Er wandelte längs den Quellen hin und war ebenso vertraut mit den Fischen, sie nahten ihm, wenn er ihnen rief, und folgten seinem Weg an dem Lauf des Wassers hinauf.
Ich sah, wie er sich jetzt weit von der Heimat entfernte, vielleicht wegen der Gefahr, die ihm drohte. Er war so vertraut mit den Tieren, dass sie ihm dienten und ihn warnten. Sie führten ihn zu ihren Nestern und Lagern, und wenn sich Menschen nahten, floh er mit ihnen in ihre Schlupfwinkel. Er nährte sich von Obst, Beeren, Wurzeln und Kräutern. Er brauchte nicht lange zu suchen; entweder wusste er selbst ihren Standort, oder die Tiere zeigten sie ihm. Er trug immer sein Fell und sein Stäbchen und zog sich von Zeit zu Zeit immer tiefer in die Wüste, bald nahte er wieder mehr seiner Heimat. Er kam auch ein paarmal mit seinen Eltern zusammen, welche sich immer sehr nach ihm sehnten. Wahrscheinlich mussten sie durch Offenbarung voneinander wissen, denn wenn Elisabeth oder Zacharias ihn sehen wollten, kam er ihnen sehr weit entgegen.



10.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopolis. On. Im zweiten Lebensjahre verkündet ein Engel der heiligen Familie den Kindermord Herodes‘. Beschreibung dieses Ereignisses in Jerusalem (Teil IV)

Die Mütter wurden einzeln mit ihren Knaben aus den Seitengebäuden in die große Halle unten im Hintergebäude gerufen. Beim Eintritt wurden ihnen die Kinder von den Kriegsknechten abgenommen und durch das Tor in den Hof gebracht, wo etwa zwanzig beschäftigt waren, sie mit Schwertern und Spießen in den Hals und das Herz stechend zu ermorden. Es waren teils Kinder in Windeln, welche die Mütter noch an der Brust nährten, teils Knäblein in gewirkten langen Röckchen. Sie kleideten sie nicht erst aus, sie stachen sie in Hals und Herz und schleuderten sie, an einem Arm oder Fuß gefasst, auf einen Haufen hin. Es war ein grässlicher Anblick.
Die Mütter wurden in der großen Halle von den Soldaten eine zu der anderen zurückgedrängt, und als sie das Schicksal ihrer Kinder merkten, erhoben sie ein grässliches Geschrei, zerrauften sich die Haare und umklammerten sich einander. Sie standen endlich so gedrängt, dass sie sich kaum rühren konnten. Ich meine, das Morden dauerte bis gegen Abend.
Die Kinder wurden nachher in demselben Hof in einer Grube verscharrt. Ihre Zahl wurde mir gezeigt, aber ich erinnere mich ihrer nicht mehr bestimmt. Ich meine, es waren 700 und noch eine Zahl, worin 7 oder 17 vorkam. Die Zahl wurde mir mit einem Ausdruck verständlich gemacht, bei welchem ich mich eines Klanges wie Ducen erinnere, ich meine, ich musste zwei c mehrmals zusammenzählen. (Vielleicht hieß es Ducentos?)
Ich war über diesen Anblick höchst entsetzt, ich wusste nicht, wo es geschah, ich glaubte, es sei hier. Als ich erwachte, konnte ich mich erst nach und nach besinnen.
Ich sah in der folgenden Nacht die Mütter, gebunden in einzelnen Haufen, von Soldaten in ihre Heimat zurückführen.
Die Stelle des Kindermordes in Jerusalem war der nachmalige Richthof unweit dem Gerichtshaus des Pilatus, doch zu dessen Zeit etwas verändert. Ich sah bei Christi Tod die Grube der ermordeten Kinder einstürzen, es erschienen ihre Seelen und zogen von dannen.



09.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopolis. On. Im zweiten Lebensjahre verkündet ein Engel der heiligen Familie den Kindermord Herodes‘. Beschreibung dieses Ereignisses in Jerusalem (Teil III)

Das Gebäude war etwas abgelegen, nicht weit von dem nachmaligen Wohnhaus des Pilatus. Es war so umbaut, dass man von außen nicht leicht vernehmen konnte, was darin vorging. Es muss ein Gerichtshaus gewesen sein, denn ich sah in dem Hof steinerne Pfähle und Blöcke, woran Ketten, auch solche Bäume, welche man zusammenband, die Menschen daran fesselte und wieder auseinanderschnallen ließ, um sie zu zerreißen. Es war ein festes und finsteres Gebäude und der Hof schier so groß wie der Kirchhof an der einen Seite der Stadtkirche in Dülmen.
— Ein Tor führte durch zwei Mauern in diesen Hof, der von drei Seiten mit Gebäuden umschlossen war. Links und rechts waren sie einen Stock hoch. Das mittlere Gebäude hatte zwei Stock und glich einer alten wüsten Synagoge. Aus allen drei Gebäuden führten Tore in den Hof.
Man führte die Mütter durch den Hof in die beiden Seitengebäude und sperrte sie hier ein. Es schien mir anfangs, als seien sie in einer Art Spital oder Herberge. Da sie sich nun ihrer Freiheit beraubt sahen, ward ihnen bange, und sie begannen zu weinen und zu wehklagen. In diesem Jammer blieben sie die ganze Nacht. Am folgenden Tage, am 9. März, erzählte sie: Ich sah heute nach Mittag ein schreckliches Bild. Ich sah in dem Gerichtshaus den Mord der Unschuldigen Kindlein. Das große Hinterhaus, welches den Hof schloss, war zwei Stock hoch, der untere bestand in einer großen wüsten Halle, gleich einem Kerker oder einer großen Wachstube des Gerichtes, im oberen war ein Saal, dessen Fenster in den Hof niedersahen. Ich sah da allerlei Herren wie im Gericht versammelt, es lagen Rollen vor ihnen auf dem Tische. — Ich glaube, Herodes war auch gegenwärtig, denn ich sah einen in einem roten, mit weißem Pelz gefütterten Mantel; an dem Pelz waren schwarze Zöpfchen. Er hatte eine Krone auf. Ich sah ihn, von anderen umgeben, vom Fenster des Saales aus zusehen.



08.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopolis. On. Im zweiten Lebensjahre verkündet ein Engel der heiligen Familie den Kindermord Herodes‘. Beschreibung dieses Ereignisses in Jerusalem (Teil II)

Den Müttern wurden Belohnungen ihrer Fruchtbarkeit verheißen. Sie brachten ihre Kinder festlich geschmückt aus den Umgegenden in die Amtshäuser dieser Orte. Die Männer wurden zurückgewiesen, die Mütter von den Kindern getrennt und diese in einsamen geschlossenen Höfen von den Soldaten erstochen, auf Haufen geworfen und dann in Gruben verscharrt.
Die Schwester Emmerich teilte ihre Betrachtung vom Morde der Unschuldigen Kindlein am 8. März 1821 mit, also um die Jahreszeit der Flucht nach Ägypten, so dass man dieses Ereignis als etwa ein Jahr nach dieser annehmen könnte. Sie sprach:
Heute nach Mittag sah ich die Mütter mit ihren Knaben vom jüngsten bis zu dem zweijährigen aus Hebron, Bethlehem und noch einem Ort, wo Herodes Soldaten hingesendet und später durch dortige Vorgesetzte den Befehl hatte ergehen lassen, nach Jerusalem kommen. Sie kamen in verschiedenen Haufen zur Stadt. Manche hatten zwei Kinder bei sich und ritten auf Eseln. Sie wurden alle in ein großes Gebäude geführt und die sie begleitenden Männer zurückgesendet. Sie zogen alle ganz fröhlich heran, denn sie glaubten eine Belohnung ihrer Fruchtbarkeit zu erhalten.



07.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopolis. On. Im zweiten Lebensjahre verkündet ein Engel der heiligen Familie den Kindermord Herodes‘. Beschreibung dieses Ereignisses in Jerusalem (Teil I)

Gegen die Mitte des zweiten Lebensjahres Jesu ward die heilige Jungfrau in Heliopolis durch die Erscheinung eines Engels von dem Kindermorde des Herodes unterrichtet. Sie und Joseph wurden sehr betrübt, und das Jesuskind weinte an diesem ganzen Tag — Ich sah aber folgendes.

Von dem Kindermorde des Herodes

Als die heiligen drei Könige nicht zurückkehrten, schlief die Sorge des Herodes, der allerlei Familienhändel hatte, etwas ein, erwachte aber wieder, als er, da die heilige Familie schon einige Zeit in Nazareth war, manche Gerüchte von der Weissagung Simeons und Hannas im Tempel bei Jesu Opferung erfuhr. Er ließ unter mancherlei Vorwänden Soldaten an verschiedene Orte um Jerusalem, bei Gilgal, Bethlehem und bis Hebron hin legen und befahl, die Zahl der Kinder auszuforschen. Sie lagen wohl an dreiviertel Jahre in diesen Orten. Herodes war unterdessen in Rom und bald nach seiner Rückkehr erst wurden die Kinder ermordet. Johannes war zwei Jahre alt, als es geschah und er war wieder einige Zeit heimlich bei seinen Eltern gewesen. Ehe nun Herodes den Befehl ergehen ließ, dass die Mütter ihre Knäblein bis zum zweiten Jahre alt vor die Obrigkeit bringen sollten, flüchtete Elisabeth, durch die Erscheinung eines Engels gewarnt, mit dem kleinen Johannes wieder in die Wüste. — Jesus war beinahe anderthalb Jahre alt und
konnte bereits laufen. Die Kinder wurden an sieben verschiedenen Orten ermordet.



06.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopilis. On. Joseph richtet hier einen gemeinsamen Betört für die Juden ein. Das Jesuskind zum ersten Mal daselbst.

Ich sah die heilige Familie in Heliopolis. Sie wohnten noch neben dem Götzentempel unter dem Gewölbe des dicken Mauerwerks. Joseph hatte aber nicht weit davon einen Betort erbaut, in welchem sich die hier wohnenden Juden mit ihnen versammelten. Sie hatten früher keinen gemeinsamen Betort gehabt. — Der Raum hatte oben eine leichte Kuppel, die sie öffnen konnten, so daß sie dann unter freiem Himmel standen. In der Mitte des Raumes stand ein weiß und rot bedeckter Opfertisch oder Altar, auf welchen Rollen lagen. Der Priester oder Lehrer war ein sehr alter Mann. Hier standen die Männer und Frauen beim Gebet nicht so getrennt wie im gelobten Lande. Die Männer standen an der einen, die Frauen an der anderen Seite. Ich hatte den Anblick, wie die heilige Jungfrau zum ersten Male mit dem Jesuskinde in dem Betsaal war. Sie saß an der Erde auf einem Arm gestützt, sie hatte das Kindchen in einem himmelblauen Röckchen vor sich sitzen und legte ihm die Händchen auf der Brust zusammen. Joseph stand hinter ihr, wie er hier immer tut, obschon die anderen Männer und Frauen an beiden Seiten des Raumes getrennt stehen und sitzen. Mir wurde auch das Jesulein gezeigt, wie es bereits größer und oft von anderen Kindern besucht war. Es konnte schon artig sprechen und laufen, war viel bei Joseph und ging auch wohl mit ihm, wenn er auswärts arbeitete. Es hatte ein Röckchen wie ein Hemdchen, aus einem Stück gestrickt oder gewirkt, an. Da sie hier in der Nähe des Tempels wohnten und einige Götzenbilder in demselben umstürzten, legten manche Leute, weil auch das Bild vor dem Tore bei ihrem Einzug umgestürzt war, dieses als ein Zürnen der Götter gegen diese Leute aus, und sie mussten darum mancherlei Verfolgungen erleiden.



05.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopolis. On. Wohnung der heiligen Familie. Arbeiten des heiligen Joseph und der heiligen Jungfrau. Lager des Jesuskindes (Teil II)

Ich sah später den heiligen Joseph ganz eingerichtet zu Haus und auch oft auswärts arbeiten. Er machte lange Stäbe mit runden Knöpfen daran, auch kleine, niedere, runde, dreibeinige Schemel, woran hinten ein Griff, um sie anzufassen, auch eine Art Körbe. Er verfertigte viele leichte Splintwände von Flechtwerk. Die Leute bestrichen sie mit etwas, um sie ganz dicht zu machen, und errichteten sich Hütten und allerlei Abteilungen an und in den ungeheuer dicken Mauerwerken. — Auch machte er sechs- oder achteckige leichte Türmchen von dünnen, leichten, langen Brettern, oben spitz zugehend und in einen Knopf endend. Es war eine Öffnung daran, so dass ein Mann darin sitzen konnte wie in einem Schilderhäuschen. Außen umher waren hie und da Stufen angebracht, um daran hinaufzusteigen. Ich sah solche Türmchen hie und da vor den Götzentempeln und auch auf den platten Dächern stehen. Sie saßen darin. Es waren vielleicht Wach- oder Schattenhäuschen.
Ich sah die heilige Jungfrau Teppiche flechten. Ich sah sie auch mit einer anderen Arbeit, wobei sie einen Stab neben sich hatte, an welchem oben ein Knollen befestigt war, ich weiß nicht mehr, ob sie spann oder sonst etwas wirkte. Ich sah auch öfter Leute sie und das Jesuskindlein besuchen, welches in einer Art Wiegenschiffchen neben ihr am Boden lag. Manchmal sah ich dieses Schiffchen erhöht auf einem Gestell wie auf einem Sägebock stehen. — Da sah ich das Kindchen in dem Schiffchen gar freundlich liegen, es hatte die Ärmchen manchmal auf beiden Seiten überhängen. Einmal sah ich es auch aufrecht darin sitzen. Maria saß daneben und strickte, es stand ein Körbchen zu ihrer Seite. Es waren drei Frauen bei ihr.
Die Menschen in dieser zerbrochenen Stadt waren ganz gekleidet wie jene baumwollspinnenden Leute, welche ich sah, da ich den drei Königen entgegenging, nur trugen sie um den Unterleib ganze Schürzchen wie kurze Röckchen. — Es waren nur wenige Juden hier, und ich sah sie umhergehen, als hätten sie kein Recht, hier zu leben. Nördlich von Heliopolis, zwischen dieser Stadt und dem Nil, der sich dort in viele Arme ausbreitete, lag das Ländchen Gosen und darin ein Ort, wo viele Juden zwischen Kanälen wohnten, die sehr in ihrer Religion verwildert waren. Mehrere dieser Juden wurden mit der heiligen Familie bekannt, und Maria machte allerlei weibliche Arbeiten für diese Leute, wofür sie Brot und Lebensmittel erhielt. Die Juden im Land Gosen hatten einen Tempel, sie verglichen ihn mit dem Tempel Salomons, er aber war viel anders.



04.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopolis. On. Wohnung der heiligen Familie. Arbeiten des heiligen Joseph und der heiligen Jungfrau. Lager des Jesuskindes (Teil I)

Von dem ferneren Leben der heiligen Familie in Heliopolis oder On teilte die gottselige Emmerich noch folgende Bruchstücke von Gesichten mit.
Später kam ich einmal über das Meer nach Ägypten und fand die heilige Familie noch in der großen verwüsteten Stadt wohnen. Sie ist um einen großen, vielarmigen Fluß weitläufig gebaut, man sieht sie schon fern erhöht liegen. Es sind dort ganze übermauerte Stellen, unter welchen der Fluss unten durchfließt. Die Menschen fuhren auf Balken über die Flussarme, sie lagen zu diesem Zweck da im Wasser. — Ich sah da ganz erstaunlich große Überreste von Gebäuden, große Stücke von dickem Mauerwerk, halbe Türme, auch noch beinahe ganze Tempel. Ich sah Säulen wie Türme, an denen man von außen herum hinaufsteigen konnte. Ich sah auch hohe, oben dünnere spitze Säulen, ganz mit seltsamen Figuren bedeckt, und viele große Figuren, gleich liegenden Hunden, mit Menschenköpfen.
Die heilige Familie wohnte in den Hallen eines großen Steinbaues, der von der einen Seite von kurzen, schweren, viereckigen und runden Säulen gestützt war. Vor und unter diesen Säulen hatten sich viele Leute Wohnungen eingeflickt. Oben über diesen Bau ging ein Weg. Es wurde darüber gegangen und gefahren. Er war einem großen Götzentempel mit zwei Höfen gegenüber.
Joseph hatte vor diesem Raum, der an der einen Seite mit einer Mauer geschlossen, an der anderen mit einer Reihe dicker, nicht hoher Säulen offen war, einen leichten, mit Splintwänden vielfach geteilten Vorbau von Holz errichtet, worin sie wohnten. — Ich sah sie dort alle beisammen. Die Esel waren auch noch da, aber durch solche Splintwände getrennt, wie Joseph sie immer zu machen pflegte. -— Ich bemerkte zum ersten Mal, dass sie, hinter einem solchen Schirm versteckt, auch ein kleines Altärchen an der Mauer hatten, wo sie beteten, nämlich ein mit roter und darüber mit weißer, durchsichtiger Decke belegtes Tischchen und eine Lampe darüber.



03.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Heliopolis oder Ort. Ein Götzenbild vor der Stadt stürzt um. Auflauf. Sie ziehen in die Stadt

Als sie sich hier gelabt hatten, zogen sie nach einer großen, wunderlich gebauten, aber auch vielfach verwüsteten Stadt, Heliopolis, welche auch On genannt wird. Dorte wohnte zu Zeiten der Kinder Israel der ägyptische Priester Putiphara, bei welchem Assenath, die Tochter Dinas von den Sichemiten, sich aufhielt, welche der Patriarch Joseph geheiratet hat.
Hier wohnte auch Dionysius Areopagita zur Zeit von Christi Tod. — Die Stadt war durch Krieg sehr verwüstet und verödet, und es hatten sich vielerlei Leute in zerbrochenen Gebäuden wieder angebaut.
Sie zogen auf einer sehr hohen, langen Brücke über einen breiten Fluss (Nil). Er schien mir da mehrere Arme zu haben. Sie kamen auf einen Platz vor dem Tore der Stadt, welcher mit einer Art von Promenade umgeben war. Hier stand auf einem Säulenfuß, der oben dünner als unten war, ein großes Götzenbild mit einem Ochsenkopf, welches etwas von der Gestalt eines Wickelkindes in den Armen trug. Das Götzenbild war mit einem Kreis von Steinen gleich Bänken oder Tischen umgeben, auf welche die Leute, die in Zügen aus der Stadt zu diesem Bilde strömten, ihre Opfer niedersetzten. Unfern von diesem Götzen stand ein sehr großer Baum, unter welchem die heilige Familie sich zu ruhen niedersetzte. Sie hatten kaum eine Weile unter dem Baum geruht, da entstand eine Erderschütterung, und das Götzenbild wankte und stürzte. Es entstand ein Auflauf und Geschrei unter dem Volk, und viele Kanalarbeiter aus der Nähe liefen herzu. Ein alter Mann aber, ich meine ein Kanalgräber, der auf dem Wege hierher schon die heilige Familie begleitet hatte, führte sie eilend nach der Stadt, und sie waren schon am Ausgang des Götzenplatzes, als das erschreckte Volk auf sie aufmerksam ward und, ihnen den Sturz des Bildes zuschreibend, sie zornig mit Drohund Schimpfworten umgab. — Aber es blieb ihnen nicht lange Zeit, denn es bebte die Erde, der große Baum sank um, so daß seine Wurzeln aus dem Boden herausbrachen, und der aufgerissene Grund, der den Standort des Götzenbildes umfasste, füllte sich mit einer dunklen, schmutzigen Wasserlache, in welche das Götzenbild bis an die Hörner versank. Auch einige der Bösesten von den Leuten versanken in die entstandene schwarze Wassergrube. — Die heilige Familie aber zog ruhig in die Stadt, wo sie dicht an einem großen Götzentempel in einem dicken Mauerwerk, in dem viele leere Räume waren, einkehrten.



02.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

In der Sandwüste. Eine Quelle entspringt auf das Gebet Marias. Ursprung des Balsamgartens

Am folgenden Tage setzten sie ihren Weg durch öde Sandwüsten fort, und da sie ganz ohne Wasser, schier verschmachtet, an einem Sandhügel saßen und die heilige Jungfrau zu Gott flehte, sah ich eine reiche Quelle zu ihrer Seite entspringen und den Boden umher berieseln. Joseph stach einen kleinen Sandhügel ab, machte der Quelle ein Becken und grub eine Rinne zum Abfluss des Wassers. Sie erquickten sich nun hier, Maria wusch das Jesuskind, Joseph tränkte die Esel und füllte den Wasserschlauch. Ich sah auch hässliche Tiere wie ganz große Eidechsen und auch Schildkröten nahen, sich an dem Wasser laben. Sie taten der heiligen Familie nichts zuleide, sondern schauten sie ganz gutmütig an. Das ausfließende Wasser umfloss einen ziemlich großen Raum und verlor sich wieder in der Gegend seines Ursprungs.
Dieser Umfang wurde wunderbar gesegnet, es wurde bald alles grün in demselben, und es wuchsen die köstlichen Balsamstauden dort; als die heilige Familie aus Ägypten zurückkehrte, konnte sie sich schon an dem Balsam erquicken. Es wurde der Ort später als Balsamgarten gar berühmt. Es siedelten sich auch allerlei Leute dort an; ich meine, die Mutter des geheilten, aussätzigen Räuberknaben ist auch dahin gezogen. Ich habe später Bilder von diesem Orte gesehen. Eine schöne Balsamstaudenhecke umgab den Garten, in dessen Mitte mehrere andere große Fruchtbäume standen. Es wurde in späterer Zeit ein anderer großer, tiefer Brunnen da gegraben, aus welchem durch ein von Ochsen bewegtes Rad viel Wasser geschöpft und mit dem Quell Mariä vermischt ward, um den ganzen Garten bewässern zu können, denn unvermischt würde das Wasser dieses neuen Brunnens schädlich gewesen sein. Es wurde mir auch gezeigt, daß die Ochsen, welche das Rad bewegen, dort vom Samstag mittag bis Montag früh nicht arbeiten.



01.04.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Wüste. Fliegende Eidechsen. Rosen von Jericho zeigen den Weg. Erste ägyptische Stadt. Bösartige Einwohner (Teil II)

Ich sah hierauf die heilige Familie auf ägyptischem Grund und Boden in einer ebenen Gegend, es waren hie und da einige grüne Weiden, worauf Vieh ging. — Auch sah ich Bäume, an welchen Götzenbilder in der Form von Wickelpuppen mit breiten Binden befestigt waren, worauf Figuren oder Buchstaben standen. — Ich sah auch hie und da Menschen von gedrängter fetter Gestalt und auf die Art jener baumwollspinnenden Leute gekleidet, die ich einmal an der Grenze des Dreikönigslandes gesehen habe; diese Leute sah ich zu den Götzenbildern eilen und sie verehren. — Die heilige Familie ging in einen Schoppen, worin Vieh war, welches ihnen Platz machte und herausging. Sie hatten Mangel an aller Nahrung, sie hatten weder Brot noch Wasser. Niemand gab ihnen etwas. Maria vermochte kaum ihr Kind zu ernähren. Sie haben wohl alles menschliche Elend ausgestanden. Endlich kamen einige Hirten, das Vieh an einem verschlossenen Brunnen zu tränken, und gaben ihnen auf das dringende Bitten des heiligen Joseph ein wenig Wasser.
Ich sah hierauf die heilige Familie sehr hilflos und verschmachtet durch einen Wald ziehen, und am Ausgang des Waldes stand ein schlanker, dünner Dattelbaum, die Früchte wuchsen oben im Gipfel wie in einer Traube beisammen. — Maria ging mit dem Jesuskind auf dem Arme zu dem Baum, betete und hob das Kind zu ihm empor; da neigte sich der Baum mit seinem Gipfel, als knie er nieder, so zu ihnen hin, dass sie alle seine Früchte von ihm sammelten. Der Baum blieb in dieser Stellung. Ich sah aber der heiligen Familie allerlei Gesindel aus dem vorigen Orte folgen, und wie Maria vielen ihr nachlaufenden nackten Kindern von den Früchten des Baumes austeilte. Etwa nach einer Viertelstunde von jenem ersten Baume sah ich sie zu einem großen, ungemein dicken Sykomorenbaum kommen. Er war hohl, und sie verbargen sich in ihm vor den nachfolgenden Leuten, denen sie aus dem Gesichte gekommen waren und die vorüberzogen. Sie übernachteten hier.


31.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Wüste. Fliegende Eidechsen. Rosen von Jericho zeigen den Weg. Erste ägyptische Stadt. Bösartige Einwohner (Teil I)

Ich sah die heilige Familie von hier wieder durch eine Wüste ziehen, und als sie allen Weg verloren, sah ich ihnen abermals mancherlei kriechende Tiere nahen, unter anderen Schleicheidechsen mit Fledermausflügeln und auch Schlangen, alle jedoch waren nicht feindlich und schienen nur den Weg zeigen zu wollen. — Als sie später nochmals alle Spur und Richtung verloren hatten, sah ich sie durch ein sehr liebliches Wunder geführt; es sprosste nämlich zu beiden Seiten des Weges die Pflanze, Rose von Jericho, mit ihren krausen Zweigen, den Blümchen in der Mitte und der geraden Wurzel hie und da auf. Freudig gingen sie darauf zu und sahen auf Gesichtsweite wieder eine solche Pflanze aufkeimen und immer so fort die ganze Wüste entlang. — Ich sah auch, dass der heiligen Jungfrau eröffnet wurde, von hier würden in späten Zeiten Leute des Landes diese Blumen holen und sie an reisende Fremdlinge um Brot verkaufen. Ich sah dieses nachher auch an Fremdlingen geschehen. Der Name dieser Gegend klang wie Gase oder Gose.
Ich sah sie hierauf an einen Ort und Gegend kommen, welche auf die Art wie Lepe oder Lape hieß. Es war da ein Wasser und wurden Gräben und Kanäle gemacht und waren hohe Dämme da. Sie fuhren auch über ein Wasser auf einem Balkenfloß, auf welchem sich eine Art großer Kufen befand, in welche die Esel gestellt wurden. Maria saß mit ihrem Kindlein auf einem Balken. Zwei hässliche, braune, halbnackte Männer mit eingedrückten Nasen und aufgeworfenen Lippen fuhren sie über. — Sie kamen nur an entlegene Häuser des Ortes, die Leute waren so rauh und unbarmherzig, dass sie, ohne einzusprechen, vorüberzogen. Ich meine, dies war die erste heidnische (ägyptische?) Stadt. -— Zehn Tage sind sie im jüdischen Lande und zehn Tage in der Wüste gezogen.



30.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Räuberherberge. Sie werden freundlich aufgenommen. Heilung des aussätzigen Knaben des Räubers durch das Badewasser Jesu. Dieser Knabe ist der künftige gute Schächer (Teil III)

Ich sah Maria in der Nacht nicht viel schlafen, sie saß meistens still auf ihrem Lager. Früh am Morgen reisten sie, mit Nahrungsmitteln versehen, ab. Die Leute geleiteten sie eine Strecke und führten sie an vielen Gruben vorüber auf den rechten Weg.
Als diese Räuber nun mit großer Rührung von der heiligen Familie schieden, sagte der Mann mit Innigkeit zu den Abreisenden die Worte: „Gedenket unser, wo ihr auch hinkommt." — Bei diesen Worten sah ich plötzlich ein Bild der Kreuzigung und sah den guten Schächer zu Jesus sprechen: „Gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst", und erkannte, dass er der geheilte Knabe sei. —
Die Frau des Räubers hat sich nach längerer Zeit von dieser Lebensweise getrennt und hat sich an einer späteren Ruhestelle der heiligen Familie niedergelassen, wo eine Quelle und ein Balsamgarten entstanden und sich mehrere gutgesinnte Familien niederließen.



29.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Räuberherberge. Sie werden freundlich aufgenommen. Heilung des aussätzigen Knaben des Räubers durch das Badewasser Jesu. Dieser Knabe ist der künftige gute Schächer. (Teil II)

Maria badete das Jesuskind unter einem Tuche. — Der Mann aber war so bewegt, dass er zu seinem Weibe sprach: „Dieses hebräische Kind ist kein gewöhnliches Kind, es ist ein heiliges Kind, bitte die Mutter, dass wir unser aussätziges Knäblein in seinem Badewasser waschen dürfen, vielleicht, dass es ihm helfen wird." — Als das Weib sich Maria nahte, sie darum zu bitten, sagte diese zu ihr, noch ehe sie gesprochen hatte, sie solle ihren aussätzigen Knaben in diesem Badewasser waschen. — Die Frau brachte nun ihr etwa dreijähriges Söhnlein auf den Armen liegend getragen. Es starrte von Aussatz und war im Gesicht gar nicht zu kennen, denn alles war ein Schorf. Das Wasser, in dem Jesus gebadet worden, erschien klarer als vorher, und als das aussätzige Kind in das Wasser gelegt worden war, fielen die Rinden des Aussatzes von ihm ab und sanken auf den Grund, das Kind war rein.
Die Frau war ganz außer sich vor Freude, sie wollte Maria und das Jesuskind umarmen; aber Maria wehrte mit der Hand und ließ weder sich noch Jesum von ihr berühren. — Maria sagte zu der Frau, sie solle einen Brunnen tief bis auf den Felsengrund graben und dieses Wasser rein hineinschütten, dann werde der Brunnen gleiche Heilkraft besitzen. Sie sprach auch noch länger mit ihr, und ich meine, die Frau gelobte, bei erster Gelegenheit diesen Aufenthalt zu fliehen.
Die Leute waren ungemein freudig über die Genesung ihres Kindes, und da in der Nacht mehrere ihrer Genossen ab und zu gingen, zeigte sie ihnen das geheilte Kind und erzählte das Heil, das ihnen widerfahren; da umgaben die Ankömmlinge, worunter einige Knaben, die heilige Familie und sahen sie mit Staunen an.
Es war um so merkwürdiger, dass diese Räuber gegen die heilige Familie so ehrerbietig waren, da ich doch in derselben Nacht, während sie so heilige Gäste berherbergten, mehrere andere Reisende, welche das Licht in ihren Hinterhalt gelockt hatte, von ihnen gefangennehmen und in eine große Höhle tiefer im Walde treiben sah. Diese Höhle, deren Eingang sehr versteckt und über welcher alles wild bewachsen war, so dass man sie gar nicht bemerken konnte, schien ihre eigentliche Niederlage zu sein. — Ich sah mehrere geraubte Knaben von sieben bis neun Jahren in der Höhle und ein altes Weib, welches da wirtschaftete und hütete. Ich sah Kleider, Teppiche, Fleisch, kleine Böcke, Schafe, größere Tiere und vielen anderen Raub hineinbringen. Es war ein großer Raum, alles war dort im Überfluss.



28.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Räuberherberge. Sie werden freundlich aufgenommen. Heilung des aussätzigen Knaben des Räubers durch das Badewasser Jesu. Dieser Knabe ist der künftige gute Schächer. (Teil I)

Es war dunkel, sie zogen neben einem Walde auf dem Wege hin. Von dem Wege abgelegen, vor dem Wald, sah ich eine schlechte Hütte stehen, und nicht weit von derselben hing in einem Baume eine Leuchte, welche man sehr weit sehen konnte, um die Reisenden hierher zu locken. Der Weg war sehr unheimlich und hin und wieder abgegraben, auch waren allerlei Gräben um die Hütte gezogen, und über die gangbaren Stellen des Weges waren hie und da versteckte Fäden gespannt, an welchen die Vorüberziehenden anstoßend irgendein Zeichen durch Schellen in der Hütte veranlassten und so die räuberischen Bewohner derselben herbeiriefen, welche sie dann ausplünderten. Jene Räuberhütte stand nicht immer an dieser Stelle, sie war beweglich und wurde nach Umständen an einer anderen Stelle von den Bewohnern aufgeschlagen.
Als die heilige Familie sich der ausgestellten Leuchte nahte, sah ich sie von dem Anführer dieser Räuber und etwa fünf seiner Gesellen umgeben. Sie waren anfangs böswillig, ich sah aber, dass bei dem Anblick des Jesuskindes ein Strahl, wie ein Pfeil, das Herz des Anführers traf, der nun seinen Gesellen befahl, diesen Leuten kein Leid zuzufügen. Die heilige Jungfrau sah auch diesen Strahl das Herz des Räubers treffen, wie sie später bei ihrer Rückkehr der Hanna erzählte.
Der Räuber geleitete die heilige Familie nun durch die gefährlichen Stellen des Weges in seine Hütte. Es war Nacht. Hier waren die Frau des Räubers und ein paar Kinder. Der Mann sagte seiner Frau die wunderbare Bewegung, welche bei dem Anblick des Kindes über ihn gekommen sei. Sie empfing die heilige Familie nicht unfreundlich, aber mit Schüchternheit. Die heiligen Reisenden setzten sich in einen Winkel an der Erde nieder und begannen einiges von dem Vorrat, den sie bei sich hatten, zu essen. — Anfangs waren die Leute scheu und blöde, was doch sonst ihre Art nicht schien, nach und nach traten sie näher zu ihnen hin. Es gingen auch von den anderen Männern, welche indes Josephs Esel unter Dach gebracht hatten, ab und zu; die Leute wurden vertrauter, stellten sich um sie her und sprachen mit ihnen. — Die Frau brachte Maria kleine Brote mit Honig und Früchten, auch Becher mit Getränke. Es brannte in einer Grube in einer Ecke der Hütte ein Feuer. Die Frau räumte der heiligen Jungfrau auch einen abgesonderten Raum ein und brachte ihr auf ihr Begehren eine Mulde mit Wasser, das Jesuskindlein zu baden. Sie wusch ihr auch das Linnen und trocknete es am Feuer.



27.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Mara (?). Ungastlicher Ort, Sandwüste. Wilde Tiere zeigen der heiligen Familie den Weg. Gebirge (Seir). Unheimliche Gegend.

Die heilige Familie zog immer eine Meile gegen Morgen längs der allgemeinen Heerstraße. — Der Name des letzten Ortes zwischen Judäa und der Wüste, wo sie hinkamen, klang schier wie Mara. Ich dachte noch dabei an den Stammort der heiligen Anna, aber er war dieser nicht. Die Leute waren hier wild und wüst, und die heilige Familie konnte keine Labung von ihnen erhalten.
Von hier kamen sie in eine große Sandwüste. Sie hatten keinen Weg und keine Richtung mehr und wussten sich nicht zu helfen. Nach einer Strecke Weges sahen sie ein böses, finsteres Gebirg vor sich. — Die heilige Familie war sehr bekümmert, und sie warfen sich auf die Knie und flehten zu Gott um Hilfe. Es sammelten sich aber mehrere große wilde Tiere um sie her, und es sah anfangs ganz gefährlich aus, aber diese Tiere waren gar nicht bös, sondern blickten sie so freundlich an, wie der alte Hund meines Beichtvaters, wenn er sonst zu mir kam, mich anschaute. — Ich erkannte aber, diese Tiere seien gesendet, ihnen den Weg zu zeigen. Sie blickten nach dem Berg hin, liefen hin und wieder zurück, gleichwie ein Hund tut, der einen wohin führen will. Ich sah auch die heilige Familie endlich diesen Tieren folgen und über ein Gebirg (Seir?) in eine wild unheimliche Gegend ziehen.



26.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nachtreise. Die heilige Familie von Schlangen und fliegenden Eidechsen erschreckt.

Donnerstag, den 8. März. Ich sah die heilige Familie in sternheller Nacht durch eine sandige, mit niederem Strauchwerk bedeckte Wüste ziehen. Es war mir, als zöge ich mit durch die Wüste. Sie war voll Gefahr durch eine Menge von Schlangen, welche häufig im Gebüsch im Kreis geringelt in kleinen Gruben unter dem Laub lagen. Sie nahten alle dem Wege unter großem Gezische und streckten die Köpfe gegen die heilige Familie, welche aber, von Licht umgeben, sicher vorüberzog. Ich sah auch noch eine andere Art von bösen Tieren. An ihrem länglichen, schwärzlichen Leib hatten sie kurze Füße und eine Art Flügel ohne Federn wie große Flossen. Sie schössen wie fliegend über dem Boden hin und hatten in der Gestalt ihres Kopfes etwas Fischartiges. (Vielleicht eine fliegende Eidechse.) — Ich sah aber die heilige Familie hierauf hinter Gebüsch an einen tiefen Bruch im Boden, wie an den Rand eines Hohlweges, kommen; sie wollten sich da niederlassen.
Persönliches. — Mir ward bang um die heilige Familie. Der Ort war so schauerlich, und ich wollte in aller Eile aus den Hecken an der einen offenen Seite ein Schutzwehr zusammen flechten, aber es kam ein grimmiges Tier gleich einem Bären mit herein, und ich war in entsetzlicher Angst. Da erschien mir plötzlich ein alter, vor kurzem verstorbener, priesterlicher Freund in junger und schöner Gestalt, fasste das Tier bei dem Nacken und warf es hinaus. Ich fragte ihn, wie er hierher komme, da er sich an seinem Orte doch gewiss besser befinde; er erwiderte: „Ich wollte dir nur helfen, will auch nicht lang hier bleiben." — Er sagte mir noch mehr, auch, dass ich ihn noch einmal sehen würde.



25.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Bei Anim. Letzte Fluchtherberge im Gebiete des Herodes. Sie kehrten bei Rüben, einem Kameltreiber ein, den Jesus nach seiner Taufe wieder besucht.

Die letzte Herberge der heiligen Familie im Gebiete des Herodes war nicht weit von einer Stadt an der Grenze der Wüste, ein paar Stunden vom Toten Meer. Die Stadt hieß wie Anam, Anem oder Anim. (Sie schwankte zwischen diesen Klängen.) Sie kehrten in einem einzeln liegenden Hause ein, es war eine Herberge für solche, die in der Wüste reisten. Es lagen mehrere Hütten und Schoppen an einer Anhöhe, und es wuchs auch noch einiges Obst wild umher. Die Bewohner schienen mir Kameltreiber, sie hatten viele Kamele in eingezäunten Wiesen gehen. Es waren etwas verwilderte Leute, hatten auch wohl Dieberei getrieben, doch empfingen sie die heilige Familie gut und erwiesen ihr Gastfreiheit. — Auch in der nahegelegenen Stadt wohnten viele ungeordnete Menschen, die sich nach Kriegen dort angesiedelt hatten. Es war unter anderen ein etwa zwanzigjähriger Mann in der Herberge, der Rüben hieß.



24.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

In der Wüste südlich von Hebron. Das Knäblein Johannes sendet dem dürstenden Jesuskind eine Quelle.

Von dieser Höhle zogen sie, das Tote Meer immer zur Linken habend, sieben Stunden südlich und betraten zwei Stunden weiter als Hebron die Wüste, in welcher sich damals der kleine Johannes befand. Ihr Weg führte sie einen Pfeilschuss weit von dessen Höhle vorüber. — Ich sah die heilige Familie einsam, mühselig und schmachtend durch eine Sandwüste ziehen. Der Wasserschlauch und auch die Balsamkrüglein waren leer; die heilige Jungfrau war sehr betrübt, sie dürstete, Jesus dürstete. — Da zogen sie etwas von dem Wege seitwärts, wo ein tiefer hegender Grund, Gebüsche und etwas dürrer Rasen war. Die heilige Jungfrau stieg von dem Esel ab, saß ein wenig nieder. Sie hatte ihr Kindlein vor sich, war betrübt und betete. — Während die heilige Jungfrau so um Wasser wie Hagar in der Wüste flehte, wurden meine Augen zum Anblick eines ungemein rührenden Ereignisses gewendet. — Die Höhle, in welche Elisabeth das Knäblein Johannes geflüchtet hatte, lag hier ganz nahe auf einer erhöhten Felsenwildnis, und ich sah den kleinen Johannes wie sehnsüchtig harrend und sorgend unfern der Höhle zwischen den Büschen und dem Gestein umherirren. Elisabeth sah ich in dieser Anschauung nicht. Der Anblick des kleinen, sicher wandelnden und laufenden Knaben in der Wildnis machte einen ganz eigenen, rührenden und bedeutsamen Eindruck. So wie er schon unter dem Herzen seiner Mutter seinem Herrn entgegengehüpft war, bewegte ihn auch jetzt die Nähe seines durstenden Erlösers. Ich sah den Knaben, er hatte ein Lammfell quer über die Schulter und um die Mitte des Leibes gegürtet, in der Hand trug er sein Stäbchen, an welchem nun ein Wimpel von Bast wehte.
— Er fühlte, dass Jesus vorüberzog, dass Er dürstete, er warf sich auf die Knie und schrie zu Gott mit ausgebreiteten Armen; — dann sprang er auf, lief, vom Geiste getrieben, zu einem hohen Rande des Felsens und stieß mit seinem Stäbchen in den Boden, da drang eine reichliche Quelle hervor. Johannes lief eilend ihrem Laufe voraus bis zu dem Rande, wo sie niederstürzte. Da stand er und sah in der Ferne die heilige Familie vorüberziehen.
Die heilige Jungfrau hob nun das Jesuskind in die Höhe und deutete ihm dorthin mit den Worten: „Sieh dort! Johannes in der Wüste!" — und ich sah, wie nun Johannes freudig neben dem niederstürzenden Wasser hüpfte und, die Bastwimpel an seinem Stäbchen schwingend, winkte, dann aber eilte er zurück in die Wüste.
Die Quelle nahte nach einiger Zeit dem Wege der Reisenden, ich sah, dass sie dieselbe überschritten und an einer bequemen Stelle bei einigen Büschen, wo dünner Rasen war, haltmachten, um sich zu erquicken. — Die heilige Jungfrau stieg mit dem Kindlein von dem Esel ab. Sie waren alle freudig gerührt. Maria setzte sich auf den Rasen nieder. Joseph bereitete in einiger Entfernung eine Grube, die sich mit dem Wasser füllte. Als das Wasser ganz klar erschien, tranken sie alle. Maria wusch ihr Kindlein. Sie erfrischten sich Hände, Füße und Angesicht. Joseph führte den Esel zu dem Wasser, der reichlich trank, auch füllte er seinen Wasserschlauch. — Alle waren so dankbar glücklich; das dürre Gras wurde gesättigt und richtete sich auf, es kam ein schöner Sonnenblick, alle waren erquickt, selig und still. Sie rasteten wohl zwei bis drei Stunden hier.



23.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Sechste Reisestation der heiligen Familie in einer Höhle. Trost und Erquickung.

Nachdem die heilige Familie über einige Höhen des Ölberges gezogen, sah ich sie etwas weiter als Bethlehem, gegen Hebron zu, etwa eine Meile vom Wald Mambre, in einer geräumigen Höhle, in der wilden Schlucht eines Berges einkehren, auf welchem ein Ort lag, dessen Namen wie Hephraim klang. Ich glaube, es war dieses die sechste Station ihrer Reise.
Ich sah die heilige Familie hier sehr erschöpft und schwermütig ankommen. Maria war sehr traurig und weinte. Sie litten Mangel an allem, denn sie flohen auf Umwegen, alle Städte und öffentlichen Herbergen vermeidend. Sie ruhten hier einen ganzen Tag aus. Es geschahen mehrere Gnaden zu ihrer Erquickung. Es entsprang eine Quelle auf das Gebet der heiligen Jungfrau in der Höhle, und eine wilde Ziege kam zu ihnen und ließ sich melken. Auch erschien ihnen ein Engel, der sie tröstete.
In dieser Höhle betete oft ein Prophet; Samuel, meine ich, hielt sich einigemal hier auf. David hütete hier umher seines Vaters Schafe, betete hier und empfing Befehle durch einen Engel, zum Beispiel die Mahnung, den Kampf gegen Goliath zu bestehen.



22.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Juta. Elisabeth flüchtet mit dem kleinen Johannes in die Wüste. Zacharias reist nach Nazareth.

Dienstag, den 6. März.
Zacharias und Elisabeth haben auch eine Botschaft von der drohenden Gefahr erhalten. Ich glaube, die heilige Familie hat ihnen selbst einen vertrauten Boten gesendet. — Ich sah nun, dass Elisabeth den kleinen Johannes an einen sehr versteckten Ort in der Wüste, ein paar Stunden von Hebron, brachte. — Zacharias begleitete sie nur eine Strecke Wegs, bis, wo sie auf einem Balkenrost über ein kleines Wasser setzten. Da trennte sich Zacharias von ihnen und reiste gen Nazareth auf dem Weg, den Maria bei ihrer Heimsuchung Elisabeths gekommen war. Ich sah ihn heute am 6. auf der Reise, wahrscheinlich will er sich bei Anna näher erkundigen. Mehrere Freunde der heiligen Familie sind dort wegen ihrer Abreise sehr betrübt. — Der kleine Johannes hatte nichts als ein Lammfellchen um und konnte, wenngleich kaum eineinhalb Jahr alt, schon ganz sicher laufen und springen. Er hatte schon damals ein kleines weißes Stäbchen in der Hand, mit welchem er nach Kinderart umherspielte. Man muss sich hier unter der Wüste kein weites ödes Sandland denken, sondern vielmehr eine Wildnis mit vielen Felsen, Schluchten und Höhlen, von allerlei Gebüschen und auch wilden Früchten und Beeren durchwachsen.
Elisabeth brachte den kleinen Johannes in eine Höhle, in welcher nach Jesu Tod Magdalena eine Zeitlang verweilt hat. Wie lange Elisabeth diesmal mit dem noch so jungen Kinde Johannes hier verborgen war, ist mir jetzt nicht gegenwärtig, wahrscheinlich aber nur so lange, bis die Besorgnis einer Verfolgung durch Herodes wieder mehr beruhigt worden, da sie mit dem Knaben in das etwa zwei Stunden entfernte Juta zurückgekehrt; denn ich habe sie gegen die Zeit, da Herodes die Mütter mit ihren Knäblein bis zum Alter von zwei Jahren einberufen, welches erst schier ein Jahr nachher geschehen, nochmals den kleinen Johannes in die Wüste flüchten sehen.
Nachdem die Erzählerin die Bilder der Flucht bis hier täglich mitgeteilt hatte, entstand durch Krankheit und Störung eine Unterbrechung, und da sie nach mehreren Tagen den Faden ihrer Erzählung wieder auffasste, sprach sie: „Ich kann nun die Tage nicht mehr so genau bestimmen, will aber die einzelnen Bilder der Flucht nach Ägypten ungefähr in der Folge erzählen, in welcher ich mich erinnere, sie gesehen zu haben."



21.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die heilige Familie ruht an einer Quelle bei einem Balsamstrauch

Sonntag, den 4. März.
Heute, am Morgen früh, sah ich die heilige Familie in einer fruchtbaren Gegend bei einem Wässerchen an einem Balsamstrauch ruhend sich erquicken. Das Jesuskind lag mit bloßen Füßchen im Schöße der heiligen Jungfrau. An den Balsamstauden, welche rote Beeren hatten, waren hie und da Einschnitte in die Zweige gemacht, aus welchen eine Flüssigkeit in kleine angehängte Töpfchen träufelte. Ich wunderte mich, dass diese nicht gestohlen wurden. Joseph füllte von dem Saft in die kleinen Krüge, die sie bei sich hatten. Sie aßen kleine Brote und Beeren, welche er von Stauden in der Nähe sammelte. Der Esel trank und weidete in der Nähe. Ich sah zu ihrer Linken in der Ferne Jerusalem hoch liegen. Es war ein ungemein rührendes Bild.



20.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Hain Moreh. Terebinthe Abrahams. Die heilige Familie ruht hier einen Tag verborgen.

Sonntag, den 4. März.
Gestern, Samstagabend, am Schluss des Sabbats, reiste die heilige Familie von Nazara die Nacht hindurch weiter, und ich sah sie den ganzen Sonntag und die Nacht auf den Montag sich bei jener großen,alten Terebinthe verborgen halten, bei welcher sie im Advent auf der Reise nach Bethlehem verweilt waren, da die heilige Jungfrau so kalt hatte. — Es war die Terebinthe Abrahams, bei dem Hain Moreh, nicht weit von Sichem, Thenat, Siloh und Arumah. Die Verfolgung Herodes' war hier umher bekannt, und es war unsicher für sie. — Bei diesem Baume begrub Jakob die Götzen Labans. — Josua versammelte das Volk bei dieser Terebinthe, unter welcher er die Stiftshütte, worin die Bundeslade war, errichtet hatte, und ließ das Volk den Götzen entsagen. — Abimelech, der Sohn Gideons, ward hier von den Sichemiten als König begrüßt.



19.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nazareth. Die heiligen Frauen ordnen und verlassen das Haus Josephs. Die heilige Familie kommt vor Sabbat in Nazara an.

Freitag, den 2. März.
Maria Heli sah ich am frühen Morgen mit ihrem Knaben nach Annas Haus gehen und den Hausvater nebst einem Knecht nach Nazareth senden, worauf sie selbst nach ihrer Heimat zog. Anna aber sah ich in Josephs Haus alles ordnen und vieles zusammenpacken. — Es kamen morgens zwei Männer von Annas Haus, der eine hatte nur ein Schaffell um und trug grobe Sohlen mit Riemen um die Beine befestigt, der andere hatte ein längeres Gewand an. Es schien mir Annas damaliger Eheherr. Sie halfen alles in Josephs Haus ordnen und das bewegliche Geräte zusammenpacken und nach Annas Haus übertragen.
Ich sah die heilige Familie in der Nacht ihrer Flucht durch mehrere Orte ziehen und sie gegen Morgen unter einem Schoppen ruhen. Gegen Abend sah ich die heilige Familie, da sie nicht weiter konnten, in einem Örtchen, Nazara, bei abgesonderten, etwas verachteten Leuten einkehren. Es waren keine rechten Juden, sie hatten auch Heidnisches in ihrer Religion, sie hatten ihre Anbetung in dem Tempel auf dem Berge Garizim bei Samaria, wohin sie einige Meilen auf einem schweren Gebirgsweg zu gehen hatten. Sie waren durch manche schwere Lasten bedrückt und mussten wie Sklaven im Frondienst am Tempel in Jerusalem und an anderen öffentlichen Bauten arbeiten.
Diese Leute nahmen die heilige Familie sehr freundlich auf, sie blieben auch den ganzen folgenden Tag dort. Bei der Rückkehr aus Ägypten hat die heilige Familie diese guten Leute wieder besucht, auch nachher, als Jesus in seinem zwölften Jahr zum Tempel und von da nach Nazareth kehrte. — Diese ganze Familie hat sich später bei Johannes taufen lassen und ist zur Gemeinde Jesu gekommen. — Dieser Ort hier liegt nicht sehr weit von einer wunderlichen, hochgelegenen Stadt, deren Namen ich nicht mit voller Gewissheit mehr nennen kann, denn ich habe so vielerlei Städte in der Gegend umher gesehen und nennen gehört, unter denen auch Legio und Massaloth, zwischen welchen, glaube ich, Nazara liegt. Ich glaube schier, dass die Stadt, deren Lage mich so wunderte, Legio heißt, aber auch einen anderen Namen hat.



18.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nazareth. Der Engel weckt Joseph zur Flucht. Abschied der heiligen Frauen. Antritt der Flucht nach Ägypten.
(Teil II)

Nun aber holte Maria ihr Kindlein, und ihre Eile war so groß, dass ich sie es nicht einmal frisch wickeln sah. Ach, nun war der Abschied da, und ich kann nicht genug sagen, wie rührend die Betrübnis Annas und der älteren Schwester war. Alle schlössen das Jesuskindlein unter Tränen an ihr Herz, auch der Knabe durfte es umarmen. Anna umarmte die heilige Jungfrau mehrmals, so bitterlich weinend, als solle sie dieselbe nie wiedersehen. Maria Heli warf sich platt auf die Erde und weinte.
Es war noch vor Mitternacht, als sie das Haus verließen. Anna und die Schwester begleiteten die heilige Jungfrau eine kleine Strecke Wegs vor Nazareth hinaus zu Fuß. Joseph kam mit dem Esel nach. Es war die Richtung gegen Annas Haus, nur etwas mehr links. Maria trug das Jesulein wie ein Wickelkind eingeschlagen vor sich in einer Binde, die ihr über die Schultern um den Nacken befestigt war. Sie trug einen langen Mantel, der sie und das Kind verhüllte, und einen großen viereckigen Schleier, der hinten nur den Kopf umspannte, an den Seiten des Gesichtes aber vorn lang niederhing. — Sie waren eine kleine Strecke gegangen, als Joseph mit dem Esel nahte, an welchem ein Schlauch mit Wasser und ein Korb mit mehreren Gefächem befestigt war, worin kleine Brote und auch lebendige Vögel und Krüglein. Das Reisebündel und einige Decken waren um den Quersitz gepackt, der ein Fußbrett hatte. Nun umarmten sie sich nochmals unter Tränen, und Anna segnete die heilige Jungfrau, und sie setzte sich auf das Lasttier, das Joseph führte, und reiste fort.
Während die Erzählerin von der Trauer Annas und der Maria Heli sprach, weinte sie herzlich und sagte, dass sie auch in der Nacht, da sie dieses Bild sah, so sehr habe weinen müssen.



17.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nazareth. Der Engel weckt Joseph zur Flucht. Abschied der heiligen Frauen. Antritt der Flucht nach Ägypten.
(Teil I)

Donnerstagnacht, den 1. März, bis Freitagmorgen, den 2. März. Sie sind fort, ich habe sie fortreisen sehen. Joseph war gestern, Donnerstag, früh aus Annas Haus wiedergekommen. Anna und ihre älteste Tochter waren noch hier in Nazareth. — Sie waren alle kaum schlafen gegangen, als der Engel Joseph mahnte. Maria mit dem Jesuskinde hatte ihre Schlafkammer rechts von der Feuerstelle, Anna links, die älteste Tochter zwischen ihrer und Josephs Kammer. — Die Stuben waren nur wie von geflochtenen Wänden zusammengesetzte Kammern, oben teils auch mit Flechtwerk bedeckt. Marias Lager war noch durch einen Vorhang oder Schirm von der Stube getrennt. Zu ihren Füßen lag das Jesuskind auf einem Teppich, wenn sie sich aufrichtete, konnte sie es nehmen.
Ich sah Joseph in seiner Kammer mit dem Kopf auf dem Arme auf der Seite liegend schlafen. Ich sah einen leuchtenden Jüngling zu seinem Lager treten und mit ihm sprechen. Joseph richtete sich auf, aber er war schlaftrunken und legte sich wieder zurück. Der Jüngling fasste ihn nun bei der Hand und zog ihn empor; da besann sich Joseph und stand auf. Der Jüngling aber verschwand. — Joseph ging jetzt zu der in der Mitte des Hauses vor der Feuerstelle brennenden Lampe und zündete seine Lampe an. Nun pochte er an der Kammer der heiligen Jungfrau und fragte, ob er nahen dürfe. Ich sah ihn hineintreten und mit Maria sprechen, welche den Schirm vor ihrem Lager nicht öffnete; dann sah ich ihn in den Stall zu seinem Esel und hierauf in eine Kammer gehen, in welcher allerlei Geräte bewahrt wurde. Er ordnete alles zur Abreise.
Als Joseph die heilige Jungfrau verlassen hatte, erhob sie sich sogleich und kleidete sich zur Reise an. Dann ging sie zur Mutter Anna und verkündete ihr den Befehl Gottes, da stand auch Anna auf, und auch Maria Heli und ihr Knabe verließen ihr Lager. Das Jesuskindlein ließen sie noch ruhen. — Der Wille Gottes ging den frommen Leuten über alles, so traurig ihre Herzen auch waren, rüsteten sie doch gleich alles zur Reise, ehe sie sich der Betrübnis des Abschiedes überließen. Anna und Maria Heli halfen, das Nötige zur Abreise ordnen. — Maria nahm bei weitem nicht so viel mit sich, als sie von Bethlehem gebracht hatte. Sie packten nur ein mäßiges Bündelchen und einige Decken zusammen, was zu Joseph hinaus zum Aufpacken gebracht wurde. Alles ging ruhig und sehr schnell vor sich, gleichwie bei einer heimlichen Abreise, zu welcher man geweckt wird.



16.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nazareth. Blick in das häusliche Leben der heiligen Frauen. Gemeinsames Gebet.

Mittwoch, den 28. Februar. Ich sah heute gegen Abend die heilige Mutter Anna und ihre ältere Tochter bei der heiligen Jungfrau. Maria Heli hatte einen starken vier- bis fünfjährigen Knaben bei sich, ihren Enkel, den ältesten Sohn ihrer Tochter Maria Kleophä. Joseph war nach dem Hause der Anna gegangen. Ich dachte noch: die Frauen sind doch immer dieselben; als ich sie so sah, wie sie vertraulich redend zusammensaßen und mit dem Jesuskindlein spielten und es ans Herz drückten und den kleinen Knaben in die Arme legten. Es war alles ganz wie heutzutage. Maria Heli wohnte etwa drei Stunden gen Morgen von Nazareth in einem kleinen Örtchen. Ihr Haus war fast so gut wie das Haus der Mutter Anna, es hatte einen ummauerten Hof mit einer Brunnenpumpe, wenn man unten auf etwas trat, spritzte oben das Wasser heraus in ein steinernes Becken. Ihr Mann hieß Kleophas, und ihre Tochter Maria Kleophä wohnte, mit Alphäus verheiratet, am anderen Ende des Dorfes.
Am Abend sah ich die Frauen beten. Sie standen vor einem rot und weiß bedeckten Tischchen an der Wand. Es lag eine Rolle darauf, welche die heilige Jungfrau in die Höhe rollte und oben an der Wand befestigte. Es war mit bleichen Farben eine Figur darauf gestickt. Sie war wie ein Toter in einen langen, weißlichen Mantel, gleich einer Wickelpuppe, gewickelt. Der Mantel war über den Kopf gezogen. Die Figur hatte etwas im Arm. Um die Arme war der Mantel weiter. Ich habe diese Figur bei der Feierlichkeit in Annas Haus, da Maria zum Tempel gebracht wurde, schon gesehen. Damals erinnerte sie mich an Melchisedech, es war, als habe sie einen Kelch in dem Arm, ein anderes Mal, meinte ich, sie stelle Moses vor. — Es brannte eine Lampe bei dem Gebet. Maria stand vor Anna und die Schwester neben ihr. Sie kreuzten die Hände über der Brust, falteten sie und breiteten sie aus. Maria las in einer vor ihr liegenden Rolle, die sie von Zeit zu Zeit weiter aufrollte. Sie beteten in einem gewissen Ton und Takt, der mich an den Chorgesang im Kloster erinnerte.



15.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nazareth – Anna und ihre Magd tragen der Heiligen Familie Nahrungsmittel zu

Dienstag, den 27. Februar.
Ich sah heute die heilige Mutter Anna mit jener ihr verwandten Magd, welche sie nach Christi Geburt bei der heiligen Jungfrau in Bethlehem zurückgelassen hatte, aus ihrer Wohnung nach Nazareth gehen. Die Magd hatte ein Bündel an der Seite hängen und trug einen Korb auf dem Kopfe und einen in der Hand. Es waren runde Körbe, wovon der eine durchsichtig. Es waren Vögel darin. -— Sie brachten Speise zu Maria, denn sie hatte keine Haushaltung und ward von Anna versorgt.



14.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Persönliches. Eine auf die Jahreszeit des Mordes der Unschuldigen Kinder bezügliche Gebetstätigkeit

Dienstag, den 27. Februar.
Heute Abend in der Dämmerung entschlummerte die Kranke und sagte nach einigen Minuten, ohne alle äußere Anregung, mit großer Freude: „Gott sei tausendmal gedankt, oh, da bin ich recht gekommen, o wie gut, dass ich da gewesen bin! Das arme Kind ist gerettet, ich betete, dass sie es segnen und küssen musste, da konnte sie es nicht mehr in den Sumpf werfen."
Der Schreiber fragte auf diese plötzliche Äußerung: „Wer?" — und sie fuhr fort: „Ein verführtes Mädchen, sie wollte ihr neugeborenes Kind ertränken. Es ist nicht sehr weit. Ich habe in diesen Tagen so dringend zu Gott gefleht, dass doch kein armes, unschuldiges Kind ohne Taufe und Segen sterben möge. Ich betete so, weil sich jetzt die Jahreszeit der Marter der Unschuldigen Kindlein naht. Ich beschwor den lieben Gott bei dem Blut dieser Seiner ersten Blutzeugen. Oh, man muss von der Zeit Nutzen ziehen, und wenn die Röslein im Garten der Himmelskirche jährlich blühen, muss man sie auf Erden brechen. Gott hat mich erhört, und ich habe immer der Mutter und ihrem Kinde helfen können. Vielleicht werde ich dieses Kind noch einst sehen." Dieses war ihre Äußerung unmittelbar nach dem Gesichte, oder richtiger zu sprechen, nach ihrer Handlung im Geiste. Am folgenden Morgen erzählte sie: „Ich wurde schnell von meinem Führer nach M. geführt. Ich sah ein verführtes Mädchen, ich meine vor M. Die Gegend scheint mir links vom T. weg gegen K. zu. Ihr Kind war hinter einem Gebüsche zur Welt gekommen, und sie nahte sich mit ihm einem tiefen Sumpf, auf welchem so grünes Zeug schwamm. Sie wollte ihr Kind ins Wasser werfen, sie trug es in der Schürze. — Ich sah eine große, dunkle Gestalt bei ihr, welche dennoch eine Art widerliches Licht von sich warf. Ich meine, es war der böse Feind. Ich drang zu ihr hin und betete von ganzem Herzen und sah, dass die dunkle Gestalt wich, da nahm sie ihr Kind, segnete es und küsste es noch einmal. Als sie dies aber getan hatte, vermochte sie es nicht mehr zu ertränken. Sie setzte sich nieder und weinte ganz entsetzlich und wusste sich gar nicht zu helfen. — Ich tröstete sie und gab ihr den Gedanken ein, zu ihrem Beichtvater zu gehen und ihn um Hilfe anzuflehen. Sie sah mich nicht, aber ihr Schutzengel sagte es ihr. Sie hat, wie ich meine, ihre Eltern nicht dort und scheint vom Mittelstande.



13.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Jerusalem – Herodes legt Soldaten an verschiedene Orte der Umgegend

Dienstag, den 27. Februar.
Ich sah heute die Soldaten des Herodes, die gestern von Jerusalem gezogen, an drei Orten ankommen. Sie kamen nach Hebron, nach Bethlehem und in einen dritten Ort, der zwischen beiden gegen das Tote Meer hin lag. Ich habe den Namen vergessen. Die Einwohner, welche gar nicht wussten, warum diese Soldaten zu ihnen kamen, waren darüber in einiger Bestürzung. Herodes aber war schlau, er ließ sich noch nichts merken und forschte in der Stille nach Jesus. Die Soldaten lagen längere Zeit in diesen Orten, als er das in Bethlehem geborene Kind nirgends ausmitteln konnte, ließ er alle Kinder bis zu zwei Jahren ermorden.



12.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Jerusalem – Herodes Vorbereitungen zum Kindermord

Sonntag, den 25. Februar.
Ich hatte einen Blick nach Jerusalem hin. Ich sah, wie Herodes viele Männer zusammenrufen ließ. Es war so, wie wann bei uns Soldaten ausgehoben werden. Die Männer wurden in einen großen Hof geführt und erhielten Kleider und Waffen. Sie trugen an dem einen Arm wie einen halben Mond (etwa einen Schild?). Sie hatten Spieße und breite kurze Säbel, gleich Hackmessern. Sie hatten Helme auf, und viele waren um die Beine geschnürt. Es muss dieses Bezug auf den Kindermord haben; Herodes war in seinem Gemüte sehr unruhig.
Montag, den 26. Februar.
Ich sehe Herodes noch immer in großer Unruhe. Er war ganz wie damals, da ihm die drei Könige um den neugeborenen König der Juden fragten. Ich sah, wie er sich mit verschiedenen alten Schriftgelehrten beriet. Sie brachten sehr lange, an Stäben befestigte Pergamentrollen und lasen darin. — Ich sah auch, dass die Soldaten, welche vorgestern neu gekleidet wurden, an verschiedene Orte um Jerusalem und auch nach Bethlehem gesendet wurden. Ich glaube, es geschah, um jene Orte zu besetzen, woher später die Mütter ihre Kinder nach Jerusalem bringen mussten, ohne zu wissen, dass sie ermordet werden sollten, damit auf die Gerüchte jener Grausamkeit keine Aufstände entstehen möchten.



11.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nazareth – Wohnhaus der Heiligen Familie

Sonntag, den 25. Februar.
Ich sah die heilige Jungfrau Röckchen stricken oder häkeln. Sie hat an der rechten Seite an der Hüfte eine Rolle mit Wolle befestigt und hat zwei, ich glaube, beinerne Stäbchen, woran oben kleine Haken, in den Händen. Das eine ist wohl eine halbe Elle lang, das andere kürzer. Es ist über den Haken noch eine Fortsetzung an dem Stäbchen, über welche bei der Arbeit der Faden geschlungen und die Masche gebildet wird. Das fertig Gewirkte hängt zwischen den zwei Stäbchen nieder. So arbeitete sie stehend oder auch sitzend neben dem Jesuskind, das in einem Körbchen lag.
Den heiligen Joseph sah ich aus langen, gelben, braunen und grünen Baststreifen Schirme, große Flächen und Decken oben an den Gemächern flechten. Er hatte einen Vorrat solcher geflochtenen Tafeln in einem Schoppen neben dem Hause aufeinander liegen. Er flocht allerlei Sterne, Herzen und andere Muster hinein. Ich dachte noch ganz mitleidig, wie er doch sogar nicht ahnet, dass er bald fort nach Ägypten fliehen muss. Die Mutter Anna kommt schier täglich von ihrem beinahe eine Stunde entlegenen Hause zu Besuch.



10.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Alter des Jesuskindes bei der Flucht nach Ägypten

Leider fand sich keine Gelegenheit, dieses genau von ihr auszumitteln, da sie während dieser Mitteilungen sehr krank war. Einmal sagte sie: „Das Kind kann wohl über ein Jahr alt sein, ich sah es auf einer Ruhestelle der Reise an einer Balsamstaude herumspielen, auch führten es die Eltern manchmal eine kleine Strecke." — Ein anderes Mal glaubte sie zu vernehmen, Jesus sei dreiviertel Jahre alt gewesen. — Es muss nun dem Leser überlassen bleiben, aus anderen in der Erzählung eintretenden Umständen und besonders aus dem Verhältnis zu dem Alter des kleinen Johannes sich das Alter Jesu zu bestimmen, wodurch dann die Annahme des Alters von dreiviertel Jahren sich allerdings bewährt.



09.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die Flucht nach Ägypten

Einleitung. Samstag, den 10. Februar 1821, war die Kranke zeitlicher Sorge wegen einer Wohnung angefochten, und als sie darüber entschlafen, erwachte sie bald wieder, und zwar ganz getröstet. Sie sagte, dass ihr vor kurzem verstorbener treuer Freund (ein alter frommer Priester) bei ihr gewesen sei und sie getröstet habe.
„O wie klug ist der kluge Mann nun, jetzt kann er reden! Er sagte zu mir: Sorge um keine Wohnung für dich, sorge nur, dass dein Inneres rein und ausgeschmückt sei, wo du den Herrn Jesum empfängst, wenn Er bei dir einkehrt. Als Joseph nach Bethlehem kam, suchte er keine Wohnung für sich, sondern für Jesum und fegte die Krippenhöhle schön rein aus."
Sie teilte noch mehrere ähnliche, sehr tiefe Betrachtungen mit, welche ihr jener Freund gesagt habe, und welche alle einem Manne angemessen waren, dem ihr Wesen genau bekannt war. Sie erwähnte auch, dass er ihr gesagt: „Als der Engel dem heiligen Joseph gebot, mit Jesus und Maria nach Ägypten zu fliehen, hat er gar nicht um eine Wohnung gesorgt, sondern ist gehorsam fortgezogen." — Hierauf vermutete der Schreiber, weil sie voriges Jahr um diese Zeit einiges von der Flucht nach Ägypten gesehen, es sei dieses jetzt wieder der Fall, und er fragte: „Ist Joseph denn heute nach Ägypten geflohen?" Worauf sie ganz klar und bestimmt erwiderte: „Nein, der Tag, an dem er damals floh, fällt jetzt auf den 29. Februar."




08.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Mariä Reinigung, Lichtmesse, Kirchenfestbild (Teil II)

Ich sah hierauf die heilige Jungfrau mit dem Jesuskinde auf den Armen vor dem Altar wie aus der Erde hervorsteigen und den Baum auf dem Altar sich vor ihr niederbeugen und verwelken.
Und ich sah einen großen, priesterlich gekleideten Engel, der nur einen Ring um das Haupt hatte, sich Maria nahen. Sie gaben ihm das Kind, das er auf den Altar setzte, und in demselben Augenblicke sah ich das geopferte Kind in das Bild der heiligen Dreifaltigkeit übergehen, welches Bild ich nun wieder in gewöhnlicher Form sah.
Ich sah aber, dass der Engel der Mutter Gottes eine kleine, helle Kugel gab, auf welcher eine Figur wie ein gewickeltes Kind war, und dass Maria mit dieser Gabe auf den Altar schwebte. — Von allen Seiten sah ich nun viele Arme mit Lichtem zu ihr kommen, und alle diese Lichter reichte sie dem Kinde auf der Kugel, in welches sie gleichsam eingingen. — Und ich sah aus allen diesen Lichtem ein Licht und einen Glanz über Maria und dem Kinde werden, der alles erleuchtete. Maria hatte einen weiten Mantel über die ganze Erde gespannt. Nun ging das Bild in einer Feierlichkeit über.
Ich glaube, dass das Verwelken des Baumes der Erkenntnis bei der Erscheinung Marias und das Übergehen des auf dem Altar geopferten Kindes in die heilige Dreifaltigkeit ein Bild der Wiedervereinigung der Menschen mit Gott sein sollte, darum sah ich auch alle die zerstreuten Eigenlichter der Mutter Gottes überreicht und von dieser dem Kinde Jesus übergehen, welches war das Licht, das alle Menschen erleuchtet, in welchem nur alle die zerstreuten Lichter wieder ein Licht wurden, das die ganze Welt erleuchtet, welche wohl durch die Kugel wie durch einen Reichsapfel bedeutet wurde. — Die dargereichten Lichter bezeichneten die Lichterweihe am heutigen Fest.



07.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Mariä Reinigung, Lichtmesse, Kirchenfestbild (Teil I)

Das Mariä-Lichtmess-Fest ward mir in einer großen, aber schwer zu erklärenden Vorstellung gezeigt, die ich nicht ganz wieder zu erzählen vermag, was ich aber noch davon weiß, habe ich doch in dem Bilde vergehen gesehen.
Ich sah ein Fest in jener durchsichtigen, über der Erde schwebenden Kirche, wie mir die katholische Kirche überhaupt gezeigt wird, wenn ich nicht etwas aus dieser oder jener örtlichen Kirche, sondern aus der Kirche als Kirche betrachten soll. Ich sah aber die Kirche voll von Engelchören, welche die allerheiligste Dreifaltigkeit umgaben. Da ich aber nun die zweite Person der heiligsten Dreieinigkeit als das menschgewordene Kind Jesus im Tempel sollte geopfert und ausgelöst sehen, Der aber doch auch in der allerheiligsten Dreieinigkeit gegenwärtig ist, so war es mir wie neulich, als ich glaubte, das Jesuskind sitze bei mir und tröste mich, während ich zugleich ein Bild der heiligen Dreifaltigkeit sah. Ich sah nämlich die Erscheinung des menschgewordenen Wortes, das Jesuskind nämlich neben mir wie durch eine Lichtbahn mit dem Bilde der Dreieinigkeit zusammenhängend und kann nicht sagen, es sei nicht dort, indem es neben mir war, kann aber doch auch nicht sagen, da es nicht neben mir gewesen, weil es dort war, und dennoch sah ich im Augenblick, da ich das Jesuskind lebhaft neben mir fühlte, die Figürlichkeit, unter welcher mir die allerheiligste Dreifaltigkeit gezeigt ward, anders als dann, wenn sie mir gewöhnlich als Bild der Gottheit allein vorgestellt wird.
Ich sah aber in der Mitte der Kirche einen Altar erscheinen. Er war nicht so wie ein Altar von heutzutage in unseren Kirchen, sondern ein Altar überhaupt. — Auf diesem Altar sah ich einen kleinen Baum mit breiten niederhängenden Blättern stehen, von der Gattung des Baumes des Sündenfalles im Paradiese.



06.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Über die Witterung im gelobten Lande

Auf die Frage, wie sie dann in dieser Jahreszeit die Witterung in Palästina sehe, erwiderte sie: „Ich vergesse das immer zu sagen, weil mir alles so natürlich vorkommt, dass ich stets meine, es wisse das schon jedermann. Oft sehe ich Regen und Nebel, auch manchmal ein wenig Schnee, der aber gleich wieder schmilzt. Ich sehe oft Bäume ohne Blätter, woran noch Früchte hängen. Ich sehe mehrere Ernten im Jahr, ich sehe schon in unserem Frühling ernten. Jetzt im Winter sehe ich die Leute auf dem Wege eingehüllt, sie haben den Mantel über dem Kopf.
Am 6. — Heute nach Mittag sah ich die heilige Jungfrau, von ihrer Mutter, welche das Jesuskindlein trug, begleitet, aus Annas Haus nach Nazareth in Josephs Haus gehen. Der Weg geht recht angenehm zwischen Hügel und Gärten hin und ist etwa eine halbe Stunde lang. Anna sendet Joseph und Maria ihre Nahrungsmittel aus ihrer Wohnung nach Nazareth. — Oh! wie rührend ist es bei der heiligen Familie. Maria ist wie eine Mutter und zugleich wie die untertänigste Magd des heiligen Kindleins und auch eine Dienerin Josephs. Joseph ist gegen sie wie der treueste Freund und der demütigste Diener. Wenn die heilige Jungfrau das Jesuskindlein wie ein hilfloses Kindlein so dreht und wendet, oh! das ist so rührend! wenn ich dann sehe, dass es der barmherzige Gott ist, der die Welt geschaffen hat, und sich aus Liebe so drehen und wenden lässt, — oh, wie entsetzlich kommt einem das harte, eigensinnige Gemüt kalter, heimlicher, versteckter Menschen vor!



05.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Gebetstätigkeit

Ich erinnere mich alles dessen, was ich heute im Hause der heiligen Anna sah,nicht mehr im einzelnen, aber ich muss mich recht lebhaft dort gefühlt haben, denn ich war dort in einer Gebetstätigkeit, die ich vielleicht jetzt nicht mehr ganz verstehe. Ehe ich zu Anna kam, war ich im Geiste bei einem Paar junger Eheleute gewesen, welche ihre alte Mutter ernähren, und nun beide zum Tode krank sind, und wenn sie nicht wieder genesen, muss die Mutter ganz verkommen. Ich kenne diese arme Familie, habe aber lange nichts mehr von ihr gehört. -— In verzweifelten Notfällen rufe ich aber immer die heilige Mutter an, und als ich nun heute in dem Bilde in ihrem Hause war, sah ich in ihrem Garten, trotz der Jahreszeit, an den Bäumen, wenngleich die Blätter gefallen waren, noch viele Birnen, Pflaumen und andere Früchte hängen. Diese durfte ich bei dem Weggehen abbrechen, und ich brachte die Birnen den kranken Eheleuten, welche wieder dadurch gesund wurden. Nachher musste ich auch noch vielen armen Seelen davon geben, Bekannten und Unbekannten, welche dadurch erquickt wurden. — Wahrscheinlich bedeuten diese Früchte Gnaden durch die Fürbitte der heiligen Anna. Ich fürchte, es bedeuten mir diese Früchte wieder viele Schmerzen und Leiden, ich erfahre das immer bei solchen Bildern, in denen ich Früchte in Gärten der Heiligen breche, denn es muss immer dafür bezahlt werden. — Warum ich diese Früchte im Garten der heiligen Anna brach, weiß ich nicht recht bestimmt. — Vielleicht sind diese Menschen und Seelen Schutzkinder der heiligen Mutter Anna, so dass ihnen Gnadenfrüchte aus deren Garten verdient werden sollen, oder geschah es, weil sie eine Schutzheilige in verzweifelten Umständen ist, wie ich dann dieses immer so erkannt habe.



04.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Ankunft der heiligen Familie bei Anna

Ich sah abends die heilige Familie im Wohnhause Annas, etwa eine halbe Stunde von Nazareth gegen das Tal Zabulon zu, angekommen. Es wurde ein kleines Familienfest in der Art wie bei Marias Abreise zum Tempel gefeiert. Es brannte die Lampe über dem Tisch. Joachim lebte nicht mehr, ich sah Annas zweiten Mann als Hausherrn. Annas älteste Tochter, Maria Heli, war zu Besuch anwesend. Der Esel ward abgepackt, sie wollten eine Zeitlang hier verweilen. Sie hatten alle sehr viel Freude mit dem Jesuskind. Aber ihre Freude war still und innig. Ich habe nie viele Leidenschaft bei allen diesen Leuten gesehen; es waren auch alte Priester zugegen. Sie hatten eine kleine Mahlzeit, die Frauen aßen auch hier, wie immer bei Mahlzeiten, von den Männern getrennt.

Einige Tage später

Ich sah die heilige Familie noch bei Anna. Es sind verschiedene Frauen dort, die älteste Tochter Annas, Maria Heli, nebst ihrer Tochter Maria Kleophä, weiter eine Frau aus dem Orte Elisabeths und die Magd, die bei Maria in Bethlehem gewesen ist. Diese Magd wollte nach dem Tode ihres Mannes, der nicht gut gewesen war, nicht wieder heiraten und kam nach Juta zu Elisabeth, wo die heilige Jungfrau sie kennenlernte, als sie Elisabeth vor Johannes' Geburt besuchte. Von dort ist diese Witwe zu Anna gekommen. — Ich sah heute, dass Joseph vieles bei Anna auf Esel packte, und vor den Eseln, deren es zwei oder drei waren, hergehend, mit der Magd gen Nazareth zog.



03.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Simeons Tod (Teil II)

Ich sah ihn dann ruhig sterben und die stille Weheklage seiner Familie. Es waren nun viele andere alte Priester und Juden um ihn, welche beteten. Ich sah hierauf, dass sie seinen Körper in eine andere Stube trugen. Hier wurde er auf ein durchlöchertes Brett gelegt, auf welchem sie ihn mit Schwämmen unter einer übergehaltenen Decke wuschen, so dass er vor ihren Augen auf keine Weise entblößt war. Das Wasser lief durch das Brett in ein untergestelltes kupfernes Becken. Sie legten dann große, grüne Blätter über ihn, umgaben ihn mit vielen feinen Kräuterbüscheln und hüllten ihn in ein großes Tuch, in welchem er mit langen Binden wie ein Wickelkind eingeschlungen ward. Sein Leib war nun so gerade und unbeweglich, dass ich schier glaubte, er sei auf seinem Brette festgewickelt.
Am Abend ward Simeon begraben. Es trugen ihn sechs Männer mit Leuchten auf einem Brett, welches einigermaßen die Form eines Leichnams, an allen vier Seiten aber einen aufrechtstehenden niederen Bogenrand hatte, etwa so, dass der Rand an der Mitte der vier Seiten des Brettes höher und an deren vier Ecken niederer war. Auf diesem Brette ruhte der eingewickelte Leichnam ohne andere Überdeckung. — Die Träger und das Gefolge gingen schneller als bei unseren Begräbnissen. Das Grab war auf einem Hügel, nicht sehr weit von der Gegend des Tempels. Die Grabhöhle bildete von außen ein Hügelchen, an welchem die Tür schräg anlag, von innen war sie auf eine eigene Art ausgemauert. Es war jene Art Arbeit, jedoch roher, welche ich den heiligen Benediktus in seinem ersten Kloster habe ausüben sehen.
Es waren die Wände wie in der Zelle der heiligen Jungfrau am Tempel durch verschiedenfarbige Steine, mit allerlei Mustern von Sternen und Blumen verziert. Die kleine Höhle, in deren Mitte sie die Leiche niedersetzten, bot nur so viel Raum, dass man um den Leib hergehen konnte. Es waren noch einige Gebräuche bei der Bestattung, sie legten allerlei zu den Toten, Münzen, Steinchen, und ich glaube auch Speise. Ich weiß es nicht mehr genau.



02.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Simeons Tod (Teil I)

3. Januar. — Simeon hatte eine Frau und drei Söhne, deren ältester wohl jetzt vierzig und deren jüngster etwa zwanzig Jahre alt sein mochte. Sie dienten alle drei am Tempel und sind in ihren späteren Jahren immer heimliche Freunde Jesu und seiner Angehörigen gewesen. Sie wurden auch teils vor Jesu Tod, teils nach Dessen Himmelfahrt Jünger des Herrn. Bei dem letzten Pascha bereitete einer von ihnen das Osterlamm für Jesus und die Apostel. Ich weiß jedoch jetzt nicht genau, ob diese alle nicht vielleicht Enkel Simeons waren. Diese Söhne Simeons haben zur Zeit der ersten Verfolgungen nach Jesu Himmelfahrt sehr vieles für Freunde des Herrn getan. — Simeon war mit Seraphia, welche den Namen Veronika erhielt, und durch deren Vater mit Zacharias verwandt.
Ich sah, dass Simeon, als er gestern nach seiner Prophezeiung bei Jesu Opferung nach Hause kam, gleich krank wurde. Aber er sprach noch in großer Freude mit seiner Frau und seinen Söhnen. — Heute nacht sah ich nun, dass heute sein Sterbetag sei. Von vielem, was ich hierüber gesehen, ist mir noch folgendes gegenwärtig: Simeon ermahnte, auf seinem Lager ruhend, seine Frau und seine Kinder, er sprach ihnen von dem Heil, das zu Israel gekommen sei, und von allem, was ihm der Engel verkündet hatte, mit großem Ernst und einer rührenden Freude.



01.03.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Blick auf die Heimreise der heiligen drei Könige

Ich sah die heiligen drei Könige in diesen Tagen jenseits eines Flusses alle zusammengetroffen. Sie hielten einen Rasttag und feierten ein Fest. — Der Ort bestand aus einem großen und mehreren kleineren Häusern. — Die Könige ziehen zwischen dem Wege, auf welchem sie herumgereist, und der Richtung, in welcher Jesus nach seinem dritten Lehrjahre aus Ägypten kam, wieder zur Heimat. — Anfangs reisten sie sehr schnell, von dem jetzigen Rastort aber zogen sie viel langsamer, als sie herausgezogen. — Ich sah immer, als gehe ein leuchtender Jüngling vor ihrem Zuge her, der manchmal auch zu ihnen redete. — Sie lassen Ur (?) rechts liegen.


28.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil VIII)

Das Opfer der übrigen heute anwesenden Erstgeborenen habe ich nicht gesehen, doch fühle ich, dass allen eine besondere Gnade zugeflossen und dass viele von ihnen mit den Unschuldigen Kindern gestorben sind.
Das Opfer mochte heute morgen um 9 Uhr vollendet sein, um welche Zeit ich die Abreise der heiligen Familie gesehen habe. Sie reisten an diesem Tage noch bis Bethoron, und sie übernachteten in demselben Hause, wo die letzte Herberge der heiligen Jungfrau gewesen, als sie vor dreizehn Jahren nach dem Tempel gebracht worden. Der Bewohner des Hauses schien mir ein Schullehrer zu sein. — Es erwarteten sie hier Leute, von Anna gesendet, um sie abzuholen. — Sie reisten in viel geraderer Richtung nach Nazareth, als sie von dort nach Bethlehem gezogen waren, wo sie, alle Orte vermeidend, nur in einzeln liegenden Häusern eingekehrt waren.
Joseph hatte die junge Eselin, die ihm auf der Reise nach Bethlehem den Weg gezeigt, bei seinen Verwandten verpfändet gelassen, denn er dachte noch immer, nach Bethlehem zurückzukehren und sich im Tal der Hirten eine Wohnung zu zimmern. Er hatte auch mit den Hirten davon gesprochen und ihnen gesagt, er wolle Maria nur eine Zeitlang zu ihrer Mutter bringen, damit sie sich von der beschwerlichen Herberge recht erholen könne, und darum hatte er auch mancherlei bei den Hirten zurückgelassen. Joseph hatte eine seltsame Art von Geld bei sich, ich meine, er hat es von den drei Königen erhalten. Er hatte in seinem Gewand nach innen eine Art Tasche, in welcher er eine Anzahl ganz dünner, glänzender, gelber Blättchen übereinander gerollt trug. Sie waren etwa von der Gestalt eines Osterzettels mit abgerundeten Ecken. Es war etwas darauf eingekratzt. — Die Silberlinge des Judas waren dicker, zungenförmig; die ganzen an beiden Enden, die halben an einem Ende gerundet.



27.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil VII)

Joseph aber war nach der Opferung näher herangetreten und hörte mit Maria voll Ehrfurcht die begeisterten Worte Simeons, der sie beide segnete und zu Maria sprach: „Siehe, dieser ist vielen in Israel zum Falle, vielen zur Auferstehung gesetzt und zu einem Zeichen, dem man widersprechen wird. Deine eigene Seele aber wird ein Schwert durchdringen, auf dass die Herzen vieler dadurch offenbar werden."
Als Simeons Rede zu Ende war, ward auch die Prophetin Hanna begeistert und sprach lange und laut über das Kindlein Jesus und pries seine Mutter selig.
Ich sah, dass die Anwesenden alles dieses mit Rührung anhörten, doch ohne dass dadurch irgendeine Störung entstanden wäre, selbst die Priester schienen einiges davon zu hören. Es war, als sei so lautes begeistertes Beten nichts ganz Ungewöhnliches, als geschehe dergleichen öfters und müsse alles so sein. Dennoch sah ich alle Anwesenden in ihrem Herzen sehr bewegt. Alle erwiesen dem Kinde und der Mutter große Ehrerbietung -Maria aber leuchtete auch wie eine himmlische Rose!
Die heilige Familie hatte äußerlich das ärmste Opfer dargebracht, Joseph gab aber heimlich dem alten Simeon und der Hanna viele gelbe, dreieckige Stückchen, um sie besonders für arme Jungfrauen zu verwenden, welche am Tempel erzogen wurden und die Kosten nicht aufbringen konnten.
Hierauf sah ich die heilige Jungfrau mit dem Kindlein von Hanna und Noemi wieder hinaus nach dem Hofe geleiten, wo sie dieselbe abgeholt hatten, und nun nahmen sie Abschied voneinander. — Joseph war schon hier mit den beiden Herbergsleuten, er hatte den Esel herbeigeführt, den, welchen Maria mit dem Kinde bestieg; und so reisten sie sogleich vom Tempel durch Jerusalem gen Nazareth zu.



26.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil VI)

Nun trat Hanna zu Maria und reichte ihr den Opferkorb, welcher aus zwei übereinander stehenden Körbchen, Früchte und Trauben enthielt, und führte sie bis an das Gitter vor dem Opfertisch, wo sie stehenblieben. — Simeon, der vor dem Tische stand, öffnte das Gitter und führte Maria vor den Tisch und setzte ihr Opfer darauf. In eines der ovalen Tellerchen wurden Früchte, in das andere Münzen gelegt, die Täubchen blieben in dem Korbe. Simeon blieb mit Maria vor dem Opfertisch stehen, und der hinter demselben stehende Priester nahm nun das Jesuskind aus dem Wiegenkörbchen auf seine Hände, hob es empor und nach verschiedenen Seiten des Tempels und betete lang. Hierauf gab er das Kind dem Simeon, der es auf die Arme Marias zurücklegte, und aus einer Rolle, die neben ihm auf einem Gestelle hing, über sie und das Kind betete. Simeon geleitete die heilige Jungfrau hierauf wieder vor das Geländer, von wo sie durch die dort harrende Hanna an den vergitterten Standort der Frauen zurückgeführt ward, in welchem sich indessen noch etwa 20 Frauen mit erstgeborenen Knäblein zum Opfer eingefunden hatten. — Joseph und andere Männer standen weiter zurück, am Ort der Männer. Nun begannen die Priester oben vor dem festen Altar einen Gottesdienst mit Räuchern und Beten, und die in den Gestühlen Befindlichen taten dieses mit einigen Bewegungen, doch nicht so heftig wie die Juden heutzutage. — Als diese Feierlichkeit zu Ende war, kam Simeon zu dem Standorte Marias, empfing das Jesuskind von ihr auf seine Arme und sprach, ganz in Freuden entzückt, lang und laut über dasselbe. Er lobte Gott, dass er die Verheißung erfüllt habe, und sagte unter anderem auch: „Herr! Nun lässt Du nach Deinem Worte deinen Diener in Frieden scheiden, denn meine Augen haben Dein Heil gesehen, das Du im Angesichte aller Völker bereitet hast, das Licht zur Erleuchtung der Heiden und die Glorie Deines Volkes Israel."



25.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil V)

Es hatten mehrere Priester vor einer Art Altar, an dessen Ecken wie Hörner herausgingen, einen länglich viereckigen Kasten herangetragen, dessen Türen, geöffnet und nochmals herausgeschlagen, das Gestell eines ziemlich geräumigen Tisches bildeten, auf welches eine große Platte gelegt ward. Diese überdeckten sie hierauf mit einer roten und dann mit einer weißen durchsichtigen Decke, die rings bis zum Boden niederhing. — Auf die vier Ecken dieses Tisches wurden mehrarmige, brennende Lampen gestellt, in der Mitte standen um ein längliches Wiegenschiffchen zwei ovale Schüsselchen mit zwei Körbchen. — Alle diese Dinge hatten sie aus Fächern des Kastens selbst hervorgeholt wie auch Priesterkleider, welche auf den anderen feststehenden Altar gelegt wurden. Der aufgestellte Opfertisch war von einem Gitter umgeben. — An beiden Seiten dieses Tempelraumes standen Gestühle, eines höher als das andere, in welchem sich betende Priester befanden.
Es nahte nun Simeon der heiligen Jungfrau, welche das Jesuskind, in einer himmelblauen Hülle eingeschlagen, auf den Armen ruhen hatte, und führte sie durch das Gitter an den Opfertisch, wo sie das Kindlein in ein Wiegenkörbchen legte, und von diesem Augenblicke an sah ich ein unaussprechliches Licht den Tempel erfüllen. Ich sah, dass Gott in demselben war, und über dem Kinde sah ich den Himmel offen bis in den Thron der heiligen Dreifaltigkeit hinein. — Dann führte Simeon die heilige Jungfrau wieder zurück in einen vergitterten Ort der Frauen. — Maria trug ein leise himmelblaues Kleid, einen weißlichen Schleier und war ganz in einen langen gelblichen Mantel eingehüllt. Simeon ging hierauf an den feststehenden Altar, auf welchen die Priesterkleider gelegt worden waren, und er und drei andere Priester kleideten sich einander zur Feierlichkeit an. Auf dem Arme hatten sie eine Art von kleinem Schild, und ihr Haupt war mit einer gespaltenen Mütze bedeckt. Einer trat hinter und einer vor den Opfertisch, zwei andere standen zu dessen schmalen Seiten und beteten über das Kind.



24.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil IV)

2. Februar. — Heute morgen, es war noch dunkel, sah ich die heilige Familie, von den Herbergsleuten begleitet, mit den Opferkörbchen und dem zur Reise bepackten Esel die Herberge verlassen und nach Jerusalem zum Tempel ziehen. — Sie gingen am Tempel in einen ummauerten Hof. — Indessen hier Joseph und sein Wirt den Esel in einen Schoppen einstellten, ward die heilige Jungfrau mit ihrem Kindlein von einer betagten Frau freundlich empfangen und in einem bedeckten Gange weiter zum Tempel geführt. Sie hatten eine Leuchte, denn es war noch dunkel. Gleich in diesem Gange kam der alte Priester Simeon der heiligen Jungfrau voll Erwartung entgegengetreten. Er redete wenige freudige Worte mit ihr, nahm dann das Jesuskind und drückte es an sein Herz, worauf er nach einer anderen Seite in den Tempel zurückeilte. — Er war durch die gestrige Ankündigung des Engels so sehnsüchtig, das Kind der Verheißung zu sehen, nach dem er so lange geseufzt, dass er hier schon der Ankunft der Frauen harrte. — Er hatte lange Kleider an wie die Priester außer dem Gottesdienste. Ich habe ihn schon oft im Tempel gesehen und immer als einen alten Priester von keinem höheren Rang. Nur seine große Frömmigkeit, Einfalt und Erleuchtung zeichneten ihn aus.
Die heilige Jungfrau ward von ihrer Führerin bis in die Vorhöfe des Tempels gebracht, in welchen die Opferung geschah, und hier ward sie von Hanna und Noemi, ihrer ehemaligen Lehrerin, welche beide an dieser Seite des Tempels wohnten, empfangen. — Simeon, der nun wieder der heiligen Jungfrau aus dem Tempel entgegenkam, führte sie, die das Kind auf den Armen hatte, nun an die Stelle, wo die Auslösung der Erstgeborenen zu geschehen pflegte, und Hanna, welche Joseph den Korb mit dem Opfer gab, folgte ihr nebst Noemi. Die Tauben waren unten in dem Korb und oben darüber ein Gefach mit Früchten. — Joseph ging zu einer anderen Türe hinein, an den Ort der Männer.
Man wusste wohl im Tempel, dass mehrere Frauen zur Opferung kamen, denn es war alles zugerüstet. Der Raum, worin die Handlung geschah, war so groß wie die Stadtkirche hier in Dülmen. — Rings an den Wänden brannten viele Lampen, welche immer eine Pyramide bildeten. Die Flämmchen kommen am Ende eines gebogenen Rohres aus einer goldenen Scheibe, die fast so hell wie das Lichtchen blinkt. An der Scheibe hängt, durch ein Gewerb verbunden, ein Löschhörnchen herab, welches, in die Höhe geklappt, das Licht ohne Gestank auslöscht und beim Anzünden wieder herabgestoßen wird.



23.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil III)

Abends, gegen sieben Uhr, hatte ich eine Anschauung von dem alten Simeon. Er war ein hagerer, sehr alter Mann, mit kurzem Barte. Er war ein gewöhnlicher Priester, hatte eine Frau und drei erwachsene Söhne, deren jüngster jetzt schon 20 Jahre alt sein mochte. — Ich sah auch Simeon, der dicht am Tempel wohnte, durch einen engen, dunklen Gang in den Mauern des Tempels in eine kleine gewölbte Zelle gehen, die in die dicken Tempelmauern angebracht war. Ich sah nichts in diesem Räume als eine Öffnung, durch welche man in den Tempel hinabsehen konnte. — Ich sah den alten Simeon hier knien und im Gebet entzückt. Da trat die Erscheinung eines Engels vor ihn, welcher ihn ermahnte, morgen früh auf das Knäblein zu achten, welches zuerst werde geopfert werden, denn es sei der Messias, nach welchem er sich so lange gesehnt habe. Nachdem er ihn gesehen, werde er bald sterben. — Ich sah das so schön, der Raum war ganz hell, und der alte heilige Mann leuchtete vor Freude.
Ich sah hierauf, wie er nach seiner Wohnung kehrte und in großer Freude seiner Frau erzählte, was ihm verkündet worden sei. Als seine Frau zur Ruhe gegangen war, sah ich Simeon wieder sich ins Gebet begeben.
Ich habe nie gesehen, dass die frommen Israeliten und ihre Priester sich so übertrieben beim Gebete bewegten wie die Juden heutzutage. Ich sah aber wohl, dass sie sich geißelten.
Ich sah auch, wie die Prophetin Hanna in ihrer Zelle am Tempel betete und ein Gesicht hatte, die Darstellung des Kindes Jesu im Tempel betreffend.



22.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil II)

30. Januar. — Heute am Tag sah ich sie auf dem kurzen Weg von Bethlehem nach Jerusalem gar langsam ziehen, sie müssen oft verweilt haben. Am Mittag sah ich sie auf Bänken ruhen, welche einen mit einem Dach überbauten Brunnen umgaben. Ich sah ein paar Frauen zur heiligen Jungfrau kommen. Sie brachten ihr kleine Krüge mit Balsam und kleine Brote. Das Opfer der heiligen Jungfrau für den Tempel hing in einem Korbe an dem Esel. Der Korb hatte drei Gefächer, zwei derselben waren inwendig mit etwas überzogen. Es lagen Früchte darin. Das dritte war ein offenes Gitter, und man sah ein paar Täubchen darin.
Ich sah sie gegen Abend vor Jerusalem, etwa eine Viertelstunde vor der Stadt, neben einer größeren Herberge in einem kleinen Hause einkehren, worin ein paar alte kinderlose Eheleute wirtschafteten, von denen sie mit ungemeiner Liebe empfangen wurden. — Ich weiß nun auch, warum ich gestern die Dienstleute Annas für Herbergsleute von Jerusalem hielt. Ich habe sie nämlich auf der Hinreise auch hier bei diesen alten guten Leuten eingekehrt gesehen, und sie haben da auch wohl die Herberge für die heilige Jungfrau bestellt. Es waren Essener Leute, mit Johanna Chusa verwandt. Der Mann betrieb Gärtnerei, schnitt die Hecken und hatte irgendein Geschäft an dem Wege zu besorgen.
1. Februar. — Ich sah heute den ganzen Tag die heilige Familie bei den alten Herbergsleuten vor Jerusalem. Die heilige Jungfrau war meistens in einer Kammer mit dem Kinde allein, welches auf einem niedrigen Mauervorsprung auf einem Teppiche lag. Sie war immer im Gebet und schien sich zu dem Opfer vorzubereiten. Ich hatte dabei innere Weissagungen, wie man sich zu dem heiligen Sakramente vorbereiten solle. — Ich sah die Erscheinung vieler heiliger Engel in ihrer Kammer, welche das Jesuskind verehrten. Ich weiß nicht, ob die heilige Jungfrau diese Engel auch sah, aber ich glaube doch, denn ich sah sie in großer Innerlichkeit. — Die guten Herbergsleute taten der heiligen Jungfrau alles zuliebe, sie mussten eine Ahnung von der Heiligkeit des Jesuskindleins haben.



21.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maria Reinigung (Teil I)

Nachdem sich nun die Erfüllung der Tage näherte, dass die heilige Jungfrau ihren Erstgeborenen im Tempel nach dem Gesetze darstellen und auslösen sollte, war alles bereit, dass die heilige Familie vorerst zum Tempel und hierauf nach Nazareth in ihre Heimat ziehen könne. Schon sonntags am Abend des 30. Dezembers hatten die Hirten alles erhalten, was die Dienstleute der Mutter Anna noch zurückgelassen. Die Krippenhöhle, die Nebenhöhle und die Grabhöhle Marahas waren nun ganz ausgeräumt und auch ausgefegt. Joseph ließ sie ganz rein zurück. In der Nacht des Sonntags auf Montag, den 31. Dezember, sah ich Joseph und Maria abermals mit dem Kindlein die Krippenhöhle besuchen und von dem heiligen Orte Abschied nehmen. Sie breiteten den Teppich der Könige zuerst an die Geburtsstelle Jesu, legten das Kindlein darauf und beteten dabei, und zuletzt legten sie es an die Stelle der Beschneidung und beteten auch hier kniend.
Montags, den 31. Dezember, bei Tagesanbruch sah ich die heilige Jungfrau sich auf den Esel setzen, welchen die alten Hirten schon ganz zur Reise gerüstet vor die Höhle geführt hatten. Joseph hielt ihr das Kindlein, bis sie sich bequem gesetzt hatte, und gab es ihr dann auf den Schoß. Sie saß quer auf einem Sitze und hatte die Füße auf einem Fußbrette etwas erhöht stehen. Die Füße standen gegen das Hinterteil des Esels zu. Sie hielt das Kindlein in ihrem weiten Schleier auf dem Schöße verhüllt und sah selig darauf nieder. Sie hatten nur ein paar Decken und Bündelchen auf dem Esel bei sich. Maria saß dazwischen.
Die Hirten nahmen einen rührenden Abschied und geleiteten sie auf den Weg. Sie zogen nicht den Weg, den sie gekommen, sondern zwischen dem Krippenhügel und der Grabhöhle Marahas, an der Morgenseite von Bethlehem herum. — Niemand bemerkte sie.



20.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Vorbereitung zur Abreise der heiligen Familie (Teil VII)

Der Schreiber sonderte alle diese Gegenstände in einzelne Papiere, außer Nr. 6, welches er in dem alten Papier ließ. Als er der Kranken nahte, schien sie nicht in sehendem Zustande, sie hustete und klagte wachend über heftige Schmerzen, sagte aber alsbald: „Was hast du da für Briefe, das ist leuchtend, welche Schätze besitzen wir, sie sind mehr wert als ein Königreich." Nun nahm sie die einzeln verschlossenen Briefchen, deren Inhalt sie nicht wissen konnte, nacheinander prüfend in die Hand, schwieg einige Augenblicke, wie innerlich schauend, und sagte, sie einzeln zurückgebend, folgendes über ihren Inhalt, ohne auch nur bei einem einzigen zu irren, denn der Schreiber überzeugte sich sogleich durch Eröffnung der ganz gleichförmigen Briefchen. 1. Dieses ist von einem Rocke des Mensor, es ist ganz feine Wolle. Er hatte nur Armlöcher ohne Ärmel. Von den Schultern bis zum halben Arm hing ein Lappen, gleich einem aufgeschnittenen halben Ärmel, herab. Hierauf beschrieb sie Gestalt, Stoff und Farbe der Reliquie genau.
2. Dieses ist von einem Mantel, welchen die Könige auch zurückgelassen haben. Sie beschrieb abermals die Beschaffenheit der Reliquie.
3. Dieses ist ein Stückchen von einer dicken, roten, seidenen Decke, welche im heiligen Grab zur Zeit, da die Christen noch Jerusalem besaßen, auf den Boden gebreitet war. Als die Türken Jerusalem eroberten, war sie wie noch ganz neu und wurde, als die Ritter alles teilten, zerschnitten, und jeder erhielt ein Stückchen zum Andenken.
4. Dieses ist von der Stola eines sehr heiligen Priesters, Alexius, er war, glaube ich, ein Kapuziner. Er betete immer am heiligen Grabe.Die Türken haben ihn sehr misshandelt. Sie stellten Pferde in die Kirche und setzten ihm ein altes türkisches Weib vor das heilige Grab, wo er betete. Er ließ sich nicht stören. Endlich mauerten sie ihn dabei ein, und das Weib musste ihm Wasser und Brot durch ein Loch reichen. Dieses weiß ich jetzt noch aus vielem, was ich neulich dabei gesehen, als ich das Päckchen und seinen Inhalt sah, ohne recht zu wissen, wo es sich befand.
5. Dieses ist kein Heiligtum, aber doch ehrwürdig, es ist von Sitzen und Bänken abgezogen, worauf die Fürsten und Ritter rings in der heiligen Grabkirche saßen. Sie haben es auch verteilt.
6. Hierin ist ein Steinchen von der Kapelle über dem heiligen Grabe, und da ist auch das Splitterchen von dem Jünger Silvanus aus Sichar. Als der Schreiber sagte, es sei kein Knochensplitterchen darin, erwiderte sie: „Gehe hin und suche." — Er ging sogleich in die Vorstube zum Lichte, öffnete das zusammengedrückte Papier behutsam und fand in einer Falte ein weißes feines Knochensplitterchen von der Dicke eines Fingernagels, von unregelmäßiger Gestalt und der Größe eines halben Silberkreuzers. — Genau, wie sie es beschrieben hatte. Sie erkannte es sogleich. — Alles dieses geschah abends in ihrer dunklen Kammer, das Licht brannte in der Vorstube.



19.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Vorbereitung zur Abreise der heiligen Familie (Teil VI)

Nach einer Pause von Geistesabwendung sagte sie: „Ich sehe jetzt, wo jenes Päckchen ist, ich habe es vor anderthalb Jahren hier einer Frau zum Anhängen gegeben, sie trägt es noch. Ich will sie um Rückgabe bitten lassen. Ich gab es ihr bei meiner Gefangennehmung als einen Trost anzuhängen, sie nahm so viel Anteil an mir. Ich wusste damals den Inhalt nicht genau, ich sah nur, dass es leuchtete, dass es Heiligtum und mit der Mutter Gottes in Berührung gewesen war. Jetzt, als ich alles von den heiligen drei Königen so genau sah, erkannte ich alles, was auf sie Bezug hatte, in meiner Nähe und so auch diese Stoffreliquien. Ich vergaß aber über den vielen Dingen immer wieder, wo sich alles befand."
Nach einigen Tagen, als ich das Bäuschchen wieder erhielt, gab sie es, weil sie selbst krank war, dem Schreiber zu eröffnen. Er öffnete das alte, vor langer Zeit stark vernähte Päckchen in der Vorstube und fand folgende, fest umeinander gewickelte Gegenstände darin:
1. Ein schmales Streifchen (gleich einem gerollten Saum) naturfarbigen Gewebes von zartester tierischer Wolle, welches bei dem Versuche, es auszubreiten, höchst gebrechlich und dünn erschien.
2. Zwei Stückchen nankingfarbiges, locker gewebtes, doch ziemlich starkes Baumwollenzeug, ungefähr einen Finger lang und halb so breit.
3. Ein Quadratzoll gemusterten karmoisinfarbigen Seidenstoffes.
4. Ein Viertel Quadratzoll Ornatseidenstoff, gelb und weiß.
5. Ein kleines Muster grün und braunen Seidenstoffes.
6. In der Mitte von allen diesem ein zusammengedrücktes Papier, in welchem ein erbsengroßes, weißes Steinchen.



18.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Vorbereitung zur Abreise der heiligen Familie (Teil V)

Nach einigen Tagen besuchte sie die Schwägerin und brachte das Päckchen. Der Schreiber öffnete zu Haus den etwa nußgroßen Knopf behutsam und trennte die darin zusammengedrehten Stoffreste voneinander, nezte sie und presste sie in einem Buche glatt. Es war der Inhalt ein etwa zwei Quadratzoll großes, dunkelrotbraunes, verrottetes, blumigfein gewebtes und auf einigen Stellen dunkelviolettrot scheinendes, dickes Wollenzeug und zwei Finger lange und breite Streifen von losem, leichtem, musselinartigem Gewebe, von der Farbe der rohen Seide, weiter ein Stückchen Holz und ein paar Steinsplitterchen. Die Stoffstückchen, in Papierbriefchen gehüllt, hielt er ihr abends vor Augen. Sie konnte nicht wissen, was es sei, sagte zuerst: „Was soll ich mit den Briefchen?"Und sodann augenblicklich, indem sie die geschlossenen Briefchen einzeln in die Hand nahm: „Du musst das gut aufheben und auch kein Fäserchen davon verlieren, das dicke, jetzt braun aussehende Zeug war sonst ganz tief rot, eine Decke ungefähr so groß wie meine Stube, die Diener der Könige breiteten sie in die Krippenhöhle, und Maria saß mit dem Jesuskinde darauf, als sie räucherten. Sie hat sie nachher immer in der Höhle gehabt und auch auf dem Esel mit nach Jerusalem zur Opferung genommen. Das leichte florartige Gewebe ist von einem kurzen Mantel, der aus drei getrennten Bahnen bestand, die sie, an einen Kragen befestigt, über dem Rücken und den Schultern wehend und fliegend wie eine Stola bei Zeremonien trugen. Es waren Fransen und Troddeln am Rande. — Das Holzspänchen und die Steinchen sind in neuerer Zeit aus dem gelobten Lande gebracht.
Sie sah in diesen Tagen in ihren fortgesetzten Anschauungen des Lehrwandels Jesu den 27. Januar des letzten Vierteljahres seines Lebens. Sie sah den Herrn auf der Reise nach Bethanien in einer Herberge bei Bethoron mit 17 Jüngern: ,,Er lehrte sie über ihren Beruf. Er hielt Sabbat mit ihnen, die Lampe brannte den ganzen Tag. Es ist aber einer unter den Jüngern, der neu aus Sichar mitgegangen ist. Ich sah ihn so deutlich, es muss von seinem Gebeine unter meinen Reliquien sein, ein weißes, dünnes Schelferchen. sein Name klingt wie Silan oder Vilan, diese Buchstaben sind drin." Zuletzt sagte sie Silvanus. — Nach einer Weile sagte sie:
„Ich habe die Stückchen Zeuge wieder gesehen, welche ich von den drei Königen besitze. Es muss auch ein Bäuschchen da sein, worin unter anderem etwas von einem Mantel des Königs Mensor, ein Stückchen von einer rotseidenen Decke, welche in älterer Zeit bei dem heiligen Grab gelegen, ein Stückchen von der weiß und roten Stola eines Heiligen. Ich sehe auch das Splitterchen von dem Jünger Silvanus darin."



17.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Vorbereitung zur Abreise der heiligen Familie (Teil IV)

In einer Gegend morgendlich zwischen dem Lande Theokenos und Sairs hatte man Bäume voll von Würmern, und um jeden Baum war ein kleiner Wassergraben gezogen, damit die Würmer nicht fort konnten; ich sah manchmal Blätter unter die Bäume streuen, ich sah Kästchen an den Bäumen hängen, und wie sie mehr als fingerlange rundliche Dinge herausnahmen, meinte zuerst, es seien seltsame Vogeleier, sah aber bald, dass es die Hülsen der Würmer waren, die sich eingesponnen hatten, als die Leute einen Faden fein wie Spinnweb davon abwickelten; und dass sie von diesem eine Menge vor der Brust befestigten und einen feinen Faden daraus spannen und auch etwas aufrollten, das sie in der Hand hielten. Ich sah auch ihre Weberei zwischen Bäumen, der Webstuhl sah sehr weiß aus, er war ganz einfach, der Stoff war wohl so breit wie mein Bettuch." (Hier beschrieb sie einen sehr einfachen Webstuhl; aber wegen Zeitmangel zur Mitteilung nicht hinreichend genau.)
Nach einigen Tagen sagte sie: „Mein Arzt fragte mich öfter über ein Stückchen sehr kurios gewebte Seide. Ich sah auch in der letzten Zeit ein solches bei mir und weiß jetzt nicht, wo es hingekommen ist. Ich habe mich aber darauf besonnen und habe erkannt, dass ich bei dieser Gelegenheit das Bild von den Seideweberinnen hatte, es war morgendlicher als die drei Königsländer, in dem Lande, wo der heilige Thomas auch war. Ich habe es irrtümlich erzählt, es gehört nicht zu den Stoffen der heiligen Könige, das muss der Pilger wegstreichen. Es wurde mir durch eine unverständige Probiererei gegeben, ohne dass man sich darum bekümmerte, womit ich mich gerade innerlich beschäftigte, dadurch können dann Verwechslungen kommen, und das ist betrübt.
Ich habe aber die Zeugreliquien wieder gesehen und weiß jetzt, wo sie sind. Ein Päckchen, wie ein Knopf zusammengenäht, habe ich vor mehreren Jahren meiner Schwägerin, die in Flamske wohnt, vor ihrer letzten Niederkunft gegeben. Sie bat mich um irgendein Heiligtum zur Stärkung; da gab ich ihr das Bäuschchen, welches ich leuchtend und als einst mit der Mutter Gottes in Berührung gewesen sah. Ich erinnere mich jetzt nicht, ob ich damals den ganzen Inhalt genau betrachtet habe, die fromme Frau hatte aber vielen Trost dadurch. Heute Nacht habe ich es wieder gesehen, sie hat es noch, es ist fest vernäht. Es ist ein dunkelrotes Stückchen Teppich und zwei Stückchen dünnes Gewebe wie Flor, von der Farbe der rohen Seide darin und etwas wie grüner Kattun, auch ein Stückchen Holz und ein paar weiße Steinsplitterchen. — Ich habe der Schwägerin sagen lassen, es mir wieder zu bringen."



16.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Vorbereitung zur Abreise der heiligen Familie (Teil III)

Bald nach dieser Befremdung, dass Anna etwas von Bethlehem mitnehme, was ihr, der Schwester Emmerich, gehöre, fand zwischen dieser, welche sich in einem erhöhten sehenden Zustande befand, und dem Schreiber folgende Mitteilung statt.
Schwester Emmerich: „Anna hat vieles von den Geschenken, besonders von Stoffen der Könige, da sie abreiste, mitgenommen, es ist davon mancherlei in der ersten Kirche verwendet worden, und es sind Reste bis zu unserer Zeit übrig. Ein Stückchen von der Bedeckung des Geschenktischchens der Könige und auch von einem ihrer Mäntel ist unter meinen Reliquien.
Da ein Teil dieser Reliquien sich neben dem Bette der Kranken in einem Schränkchen, ein anderer Teil aber in der Wohnung des Schreibers befand, fragte dieser: „Ist diese Stoffreliquie hier in der Nähe?" — Sie: „Nein, dort in dem Hause." — Der Schreiber: „Bei mir?" — „Nein, bei jenem Mann, bei dem Pilger (so nannte sie gewöhnlich den Schreiber), sie befindet sich in einem kleinen Bäuschchen, das Stückchen von dem Mantel ist fahl. — Aber man wird es nicht glauben, und dennoch ist es wahr, und ich sehe es vor meinen Augen. Ein naher Angehöriger des Pilgers glaubt es gewiss nie, der möchte alles vernichten, was er schreibt, aber sein Schwager A., der mich besucht, der hat ein Herz wie der braune König Seir, er ist so mild und schmiegsam und so treu, er ist ein rechtes christliches Herz, ach, wenn dieser Mann in der Kirche wäre, er hätte den Himmel auf Erden."
Als der Schreiber ihr aus den bei ihm bewahrten Reliquien jene, welche man ein Bäuschchen nennen konnte, gebracht, eröffnete sie eines dieser Bäuschchen sogleich und erkannte ein darin befindliches, gelbwollenes und ein dunkelrotseidenes kleines Stoffrestchen als von den Zeugen der Könige an, doch ohne noch genauere Erklärung darüber zu geben.
— Hierauf sagte sie: „Ich selbst muss noch ein anderes Stückchen Stoff von den Königen haben. Sie besaßen mehrere Mäntel, einen starken dicken im Wetter, einen gelben und einen roten von feiner leichter Wolle. Diese Mäntel wehten, wenn sie zogen, im Winde. Bei Feierlichkeiten aber trugen sie Mäntel von ungefärbter Seide, sie glänzten, waren am Rand mit Gold gestickt und hatten eine lange Schleppe, die getragen wurde. Ich meine, von einem solchen Mantel muss etwas in meiner Nähe sein, wodurch ich schon früher und auch heute Nacht wieder in Bildern von Seidenzucht und Weberei bei den Königen war, wovon ich mich noch erinnere.



15.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Vorbereitung zur Abreise der heiligen Familie (Teil II)

Sonntag, den 30. Dezember, am frühesten Morgen sah ich die Mutter Anna mit ihrem Mann und Gesinde nach einem zärtlichen Abschied von der heiligen Familie und den drei alten Hirten gen Nazareth abreisen; die Magd Annas zog auch mit ihnen, ich wunderte mich wieder über ihre seltsame Mütze, die fast wie ein Kuckuckskorb aussah. So nennen die Bauerskinder bei mir zu Hause eine spitze Mütze, welche sie sich zum Spiel aus Binsen flechten. — Dass ich eine Zeitlang geglaubt hatte, die mit den beiden Eseln nach Bethlehem gekehrten Angehörigen der Mutter Anna seien Leute aus dem Herbergshause vor Jerusalem, mochte daher rühren, weil ich sie in dieser Herberge hatte übernachten und mit den Bewohnern verkehren sehen. — Sie nahmen alles Überflüssige, was von den Gaben der Könige noch da war, auf ihren Lasttieren mit, und indem sie aufpackten, ward ich ganz verwundert, dass sie ein Päckchen mitnahmen, welches mir gehörte, ich fühlte, dass es dabei war, und konnte gar nicht begreifen, wie nur die Mutter Anna darauf komme, mir mein Eigentum mit fortzunehmen. Diese ihre Empfindung, als nehme die Mutter Anna etwas mit aus Bethlehem hinweg, was ihr, der Erzählenden, angehörte, erklärte sich aus folgenden Erfahrungen. Die gottselige Emmerich erkennt in ihrer Nähe und ihrem Besitz mehrere Reliquien von Stoffen, welche die heiligen drei Könige der heiligen Familie geschenkt hatten.



14.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Vorbereitung zur Abreise der heiligen Familie (Teil I)

Freitag, den 28., bis Sonntag, den 30. Dezember.
Ich sah in den letzten Tagen und auch heute den heiligen Joseph mancherlei tun, was auf die baldige Abreise der heiligen Familie von Bethlehem zielte. Joseph verminderte täglich seinen Hausrat. Er gibt den Hirten alle die leichten geflochtenen Wände und Schirme und andere Einrichtungen, durch welche er die Krippenhöhle bequem gemacht hatte, und sie tragen alles hinweg.
Heute nach Mittag waren wieder viele Leute, welche nach Bethlehem zum Sabbat zogen, an der Krippenhöhle, da sie diese aber verlassen fanden, zogen sie bald wieder weiter. Anna wird nach dem Sabbat wieder gen Nazareth reisen; sie ordnen und packen heute noch alles. Sie nimmt auf zwei Eseln vieles von den Gaben der heiligen drei Könige mit, besonders Teppiche, Decken und Stoffe. Heute Abend hielten sie den Sabbat in der Höhle der Maraha.
Samstag, den 29. Dezember, setzten sie die Sabbatfeier fort, und es war ruhig in der Gegend. Am Schlüsse des Sabbats aber ward alles zur Abreise Annas und Eliuds und ihres Gesindes nach Nazareth zubereitet. Bereits einmal und heute Nacht zum zweiten Male sah ich die heilige Jungfrau im Dunkeln aus der Grabhöhle Marahas das Jesuskind in die Krippenhöhle tragen. Sie legte es dann auf einen Teppich an die Stelle Seiner Geburt und kniete betend bei Ihm nieder. Ich sah dabei die ganze Höhle wie bei der Geburtsstunde des Herrn von himmlischem Lichte erfüllt. Ich meine, die liebe Mutter Gottes muss das doch auch wohl gesehen haben.



13.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Gedächtnisfeier der Vermählung Marias

Joseph blieb nicht in der Grabhöhle Marahas verborgen. Ich sah ihn mit den zwei alten Hirten allerlei Einrichtungen in der Krippenhöhle treffen. Ich sah die Hirten mancherlei Laub- und Blumenkränze, ich wusste anfangs nicht, zu welchem Zweck, hineintragen; dann aber sah ich, dass es die Zubereitungen zu einem rührenden Feste waren. — Ich sah Eliud, den zweiten Mann Annas, und auch die Magd wieder anwesend. Sie hatten zwei Esel mitgebracht. Wahrscheinlich waren sie den Knechten Annas, welche etwa von Nazareth mit diesen Lasttieren kamen, nur eine Strecke Wegs entgegengegangen, hatten diese mit ihrem Gepäcke nach Nazareth zurückgesendet und die Lasttiere selbst nach Bethlehem geführt. Als ich sie wieder hierher ziehen sah, meinte ich eine Zeitlang, es seien Leute aus einer Herberge vor Jerusalem, wo ich die heilige Familie später eingekehrt sah. Joseph hatte die Abwesenheit der heiligen Jungfrau in der Grabhöhle Marahas benutzt, um die Krippenhöhle mit den Hirten zur Feier des Gedächtnistages seiner Vermählung auszuschmücken. Als alles geordnet war, holte er die heilige Jungfrau mit dem Jesuskinde und der Mutter Anna ab und führte sie in die geschmückte Krippenhöhle, wo bereits Eliud und die Magd und die drei alten Hirten versammelt waren. O wie rührend war die Freude aller, als die heilige Jungfrau das Jesuskindlein in die Krippenhöhle hineintrug. Die Decke und Wände der Höhle hingen voll von Blumenkränzen. In der Mitte war eine Tafel zur Mahlzeit gerüstet. Einige schöne Decken der heiligen drei Könige waren auf den Boden, an den Wänden und über die Tafel gebreitet, auf welcher eine Pyramide von Laubwerk und Blumen bis zu einer Öffnung in der Decke hinaus errichtet war, in der äußersten Spitze saß auf einem Zweige eine Taube, welche, wie ich glaube, auch gemacht war. Ich sah die ganze Höhle voll Lichter und Glanz. Sie hatten das Jesuskind in seinem Wiegenkörbchen in aufrecht sitzender Stellung auf ein Stühlchen gestellt, Maria und Joseph, mit Kränzen geschmückt, standen ihm zur Seite und tranken aus einem Becher. Außer den Verwandten waren die alten Hirten zugegen, man sang Psalmen und hatte ein kleines fröhliches Mahl. Ich sah Engelchöre und allerlei himmlische Einflüsse in der Höhle erscheinen. Alle waren sehr innig und gerührt. Nach dieser Feier begab sich die heilige Jungfrau nebst dem Jesuskind und der Mutter Anna wieder zur Grabhöhle der Maraha.



12.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die heilige Familie im der Grabhöhle der Maraha. Joseph trennt wegen Gefahr das Jesuskind während einigen Stunden von Maria (Teil III)

Nachdem Quaresmius die gewöhnliche Sage von dieser Höhle mitgeteilt, sagt er, die Erde der Höhle sei von Natur rot, aber zu Staub gestoßen, gewaschen und an der Sonne getrocknet, werde sie schneeweiß und gleich mit Wasser vermischt, vollkommen der Milch ähnlich. Die so bereitete Erde wird Milch Marias genannt und im Getränk gemischt von Frauen, welche nicht säugen können, oder gegen andere Krankheiten mit großem Heilerfolge eingenommen. Selbst türkische und arabische Frauen nehmen die rohe Erde zu gleichem Gebrauch in solcher Menge aus der Höhle, dass dieselbe, welche vor Zeiten nur eine Höhle war, sich jetzt zu dreien erweitert hat. Die Reliquien, welche an mehreren Wallfahrtsorten als lac Beatae Virginis einen Gegenstand der Verwunderung und des Spottes abgeben, sind zunächst nichts als Erde aus jener Grotte bei Bethlehem, von der die Seherin spricht. Quaresmius deutet auf das Wunder, welches Baronius bei dem Jahre 158 von der Insel Malta anführt, dass nämlich, seit Paulus dort die Viper von seiner Hand geschleudert (Apg 28), auf dieser Insel keine giftigen Schlangen und Tiere mehr seien, ja dass die Erde von Malta selbst ein Gegengift geworden sei und sagt: „Ward dieser Erde um Paulus willen solche Gnade verliehen, warum sollten wir nicht glauben, dass Gott um der jungfräulichen Gottesgebärerin willen der Erde dieser, durch die Gegenwart Jesu und Seiner Mutter und deren geheiligte Milch benedeiten Höhle, eine ähnliche, ja noch weit größere Tugend verliehen habe." Castro im Leben Marias, Grotonus im Leben Josephs erwähnen dieselbe Tradition aus einer alten Schrift der Armenier. gereinigt und in kleine Formen gepresst, als eine erinnernde Andachtsgabe in der Christenheit versendet, und das sind jene Reliquien, welche überschrieben sind: „de lacte sanctissimae Virginis Mariae, von der Milch der heiligsten Jungfrau Maria."



11.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die heilige Familie im der Grabhöhle der Maraha. Joseph trennt wegen Gefahr das Jesuskind während einigen Stunden von Maria (Teil II)

Diese Erde ward von je durch die Pfleger des heiligen Landes erwähnt. Die gewöhnliche Tradition meint, die heilige Familie habe auf der Flucht nach Ägypten, bei Bethlehem vorüberkommend, in dieser Höhle verborgen geruht, und einige Tropfen Milch, aus der Brust der Mutter Gottes überfließend, hätten dem Stein der Höhle diese Heilkraft gegeben. Dass diese Höhle das Grab von Abrahams Amme sei und daher schon die Höhle der Säugenden geheißen wie auch, dass die Gnade der Heilkraft der Höhle durch die mütterliche Sorge der Mutter des Herrn veranlasst worden, ist durch die Anschauungen der gottseligen Emmerick zuerst gesagt worden. Der Gelehrte Minorit Fr. Quaresmius, Vorsteher und Apostolischer Kommissarius des heiligen Landes im 17. Jahrhundert, sagt in seiner historica Terrae Sancta elucidatio Antverpiae 1632 Tom. II. pag. 678 von dieser Höhle unter anderem: „Nicht weit von der Geburtshöhle und der Kirche der heiligen Jungfrau zu Bethlehem gegen Morgen (nach anderen Bestimmungen 200 Schritte entfernt) liegt ein unterirdischer Ort, in welchem drei Höhlen ausgehauen sind, in deren mittelster manchmal zum Gedächtnis des hier geschehenen Wunders das heilige Messopfer verrichtet wird. Der Ort wird gewöhnlich die Höhle, die Grotte der Jungfrau oder auch die St. Nikolauskirche genannt. Eine Bulle von Papst Gregor XI. (f 1378) erwähnt diese Kapelle des heiligen Nikolaus bei Bethlehem und erlaubt den Franziskanern, sich dabei eine Niederlassung mit Glockenturm und Kirchhof zu erbauen." — In einem alten lateinischen Manuskript von den Orten des heiligen Landes heißt es: „item die Kirche des heiligen Nikolaus, worin die Höhle, in der sich nach der Sage die heilige Jungfrau mit dem Jesuskinde verborgen hat."



10.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die heilige Familie im der Grabhöhle der Maraha. Joseph trennt wegen Gefahr das Jesuskind während einigen Stunden von Maria (Teil I)

Donnerstag, den 27. Dezember. Vorbemerkung. Die ehrwürdige Emmerich erzählte in verschiedenen Jahren folgende zwei Ereignisse als in den Tagen, da die heilige Jungfrau in der Grabhöhle der Maraha verborgen war, eingetreten. Weil sie dieselben aber jedes Mal, durch Krankheit oder Besuch gestört, nicht am Tage selbst, da sie geschehen, sondern nachträglich als etwas Vergessenes mitteilte, lassen wir sie beisammenstehen, und es bleibt dem Leser überlassen, sich dieselben nach seinem Gutdünken anders zu ordnen. Die heilige Jungfrau erzählte der Mutter Anna alles von den heiligen drei Königen, und sie betrachteten auch alles, was sie hier in der Grabhöhle Marahas zurückgelassen. Ich sah zwei Hirten zu der heiligen Jungfrau kommen, welche sie warnten, als kämen Leute von der Obrigkeit, welche nach ihrem Kindlein forschten. Maria war in großer Sorge darum, und ich sah bald darauf den heiligen Joseph hereintreten, der das Jesuskind aus ihren Armen nahm, es in einen Mantel einschlug und es hinwegtrug. Ich erinnere mich nicht mehr, wohin er sich mit ihm begab. Ich sah nun die heilige Jungfrau wohl einen halben Tag lang in der Höhle allein, ohne das Jesuskind, in großer mütterlicher Angst und Sorge verweilen. Als aber die Stunde nahte, da sie gerufen werden sollte, um das Kindlein an ihrer Brust zu nähren, tat sie, wie treue Mütter nach Schrecken oder anderen erschütternden Gemütsbewegungen zu tun pflegen. Sie drückte die geängstigte Milch vorher aus ihrer Brust, ehe sie das Kind säugte, in ein Grübchen der weißen Steinbank der Höhle. Sie sagte dieses einem frommen ernsten Mann von den Hirten, der zu ihr kam (wahrscheinlich, um sie zu dem Kinde zu führen), und dieser Hirt, voll tiefer Erkenntnis der Heiligkeit der Mutter des Erlösers, schöpfte nachher die jungfräuliche Milch, welche in dem weißen Steingrübchen wie aufgewallt war, mit einer Art Löffel sorgsam auf und brachte sie in glaubender Einfalt seinem säugenden Weibe, welche ihr Kind nicht zu stillen vermochte. Die gute Frau genoss diese heilige Nahrung mit ehrfürchtigem Vertrauen, und alsobald ward ihr Glaube so gesegnet, dass sie ihr Kind reichlich nähren konnte. Seit diesem Ereignisse empfing der weiße Stein dieser Höhle eine gleiche Heilkraft, und ich habe gesehen, dass bis in unsere Zeit selbst ungläubige Mohammedaner sich desselben als Heilmittel in diesem und anderen körperlichen Leiden bedienen.



09.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Anna kehrt mit den ihrigen zurück.
Beamte des Herodes forschen nach dem neugeborenen Königssohn. Joseph verbirgt die heilige Jungfrau mit dem Kinde in den Grabeshöhlen der Maraha (Teil III)

Es waren heute abermals Beamte des Herodes in Bethlehem und forschten in mehreren Häusern nach einem neugeborenen Kinde.
Die heilige Familie verbirgt sich in der Grabhöhle der Maria.
Es waren heute Soldaten in Bethlehem und forschten in mehreren Häusern nach einem neugeborenen Königssohn. Sie fielen besonders einer vornehmen Jüdin, welche vor kurzem einen Knaben geboren, mit ihren Fragen beschwerlich. Sie kamen gar nicht zur Krippenhöhle; weil sie schon früher nichts als eine arme Familie dort gefunden, so setzten sie voraus, dass von dieser keine Rede sein könne.
Zwei alte Männer, ich meine von den Hirten, welche zuerst anbeteten, kamen zu Joseph und warnten ihn vor diesen Nachforschungen. Darum sah ich die heilige Familie und Anna mit dem Jesuskind in die Grabhöhle Marahas flüchten. In der Krippenhöhle war nichts mehr, was ein Bewohntsein verriet, es sah verlassen drin aus. Ich sah sie in der Nacht mit einem bedeckten Lichte durch das Tal hinziehen. Anna trug das Jesuskind vor sich in den Armen, Maria und Joseph gingen ihr zur Seite, die Hirten geleiteten sie und trugen die Decken und andere Gerätschaften zum Ruhen für die heiligen Frauen und das Jesuskind.
Ich hatte dabei ein Gesicht und weiß nicht, ob es die heilige Familie auch sah. Ich sah um das Jesuskind vor der Brust der Mutter Anna eine Glorie von sieben verschlungenen, übereinanderliegenden Engelgestalten, es erschienen noch viele andere Gestalten in dieser Glorie, und zur Seite Annas, Josephs und Marias sah ich auch noch Lichtgestalten, als führten sie dieselben unter den Armen. Als sie in die Vorhalle getreten, schlössen sie die Türe und gingen dann ganz in die Grabhöhle, wo sie sich alles zum Ruhen einrichteten.



08.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Anna kehrt mit den ihrigen zurück.
Beamte des Herodes forschen nach dem neugeborenen Königssohn. Joseph verbirgt die heilige Jungfrau mit dem Kinde in den Grabeshöhlen der Maraha (Teil II)

Maria erzählte ihrer Mutter alles von dem Besuch der heiligen drei Könige, und Anna war ungemein gerührt, dass Gott der Herr diese Leute so weit zur Erkenntnis des Kindes der Verheißung herberufen. Sie sah die Geschenke der Könige, die hier in einem geflochtenen Kasten in einer verdeckten Vertiefung der Wand verborgen waren, gleich Worten der Anbetung mit großer Demut und Rührung an und half noch vieles verschenken und anderes ordnen und verpacken.
Es ist jetzt ruhig in der Gegend, die Wege hierher, welche nicht durchs Stadttor führen, sind von der Obrigkeit gesperrt. Joseph holte seine Bedürfnisse nicht mehr aus Bethlehem, die Hirten bringen ihm das Nötige. Die Verwandte, bei welcher Anna in Benjamin gewesen, ist Mara, die Tochter von Elisabeths Schwester Rhode. Sie ist arm und hatte später mehrere Söhne, welche Jünger wurden. Einer davon hieß Nathanael und ist später der Bräutigam von Kana geworden. Diese Mara ist auch bei dem Tode der heiligen Jungfrau in Ephesus gewesen.
Schon heute sendete Anna ihren Mann Eliud mit einem beladenen Esel und die ihr verwandte Magd mit einem großen Pack hinweg. Sie trug einen Pack auf dem Rücken und einen auf der Brust. Es war dies ein Teil der Geschenke der Könige, allerlei Stoffe und goldene Gefäße, die später bei dem ersten Gottesdienst der Christen verwendet worden sind. Sie schaffen jetzt alles heimlich fort, denn es ist immer einige Nachspürerei hier herum. Es scheint, dass sie diese Sachen nur an einen anderen Ort auf dem Wege nach Nazareth bringen, wo sie wohl von Knechten abgeholt werden, denn ich sah in früheren Jahren Eliud bei der Abreise Annas, die auch bald sein wird, wieder in Bethlehem. Anna war nun allein bei Maria in der Seitenhöhle. Ich sah, dass sie zusammen an einer groben Decke flochten oder strickten. In der Krippenhöhle ist jetzt ausgeräumt. Der Esel Josephs steht hinter Flechtwänden verborgen.



07.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Anna kehrt mit den ihrigen zurück.
Beamte des Herodes forschen nach dem neugeborenen Königssohn. Joseph verbirgt die heilige Jungfrau mit dem Kinde in den Grabeshöhlen der Maraha (Teil I)

Mittwoch, den 26. Dezember.
Heute reiste Zacharias wieder hinweg, Anna aber mit ihrer ältesten Tochter, ihrem zweiten Manne und der Magd kehrten zu der heiligen Familie zurück. Die älteste Tochter Annas ist größer und sieht schier älter als ihre Mutter aus. Annas zweiter Mann ist größer und älter, als Joachim war, er heißt Eliud und hatte am Tempel ein Amt bei der Aufsicht über die Opfertiere. Anna hatte eine Tochter, die auch Maria hieß, von ihm. Sie mochte bei Christi Geburt schon 6 - 8 Jahre alt sein. Dieser Eliud starb bald, und Anna musste nach Gottes Willen zum dritten Mal heiraten, aus welcher Ehe sie einen Sohn gebar, welcher auch Christi Bruder genannt ward.
Die Magd, welche Anna vor acht Tagen von Nazareth mitbrachte, ist noch bei der heiligen Jungfrau. Da sie noch die Krippenhöhle bewohnte, hielt sie sich in dem kleinen Gewölbe zur Seite auf, jetzt aber, da Maria in der Höhle neben der Krippenhöhle wohnte, schläft die Magd unter einem Obdach, das ihr Joseph vor der Höhle errichtet hat. Anna und ihre Begleitung schlafen in der Krippenhöhle. Bei der heiligen Familie ist jetzt eine reiche Freude. Anna ist so selig. Maria legt ihr gar oft das Jesuskindlein in die Arme und lässt es von ihr pflegen. Ich sah das noch von niemand anderem geschehen. Ich sah, was mich sehr rührte, dass das Haar des Kindleins, welches gelb und kraus ist, sich in lauter feine Lichtstrahlen endete, welche durcheinander schimmerten. Ich glaube, sie machen ihm die Haare kraus, denn ich sehe, sie reiben ihm das Köpfchen beim Waschen, wobei sie ihm ein Mäntelchen umhängen. Ich sehe immer bei der heiligen Familie eine rührende andächtige Verehrung des Jesuskindes, aber es ist alles ganz einfältig und menschlich, wie es bei heiligen auserwählten Menschen ist. Das Kind hat eine Liebe, ein Hinwenden zu Seiner Mutter, wie ich dies nie bei so jungen Kindern gesehen.



06.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Maßregeln der Obrigkeit in Bethlehem gegen die Könige. Joseph wird zur Rede gestellt, er macht Geschenke. Zacharias von Juta besucht die heilige Familie

Dienstag, den 25. Dezember.
Der Engel hatte die Könige zur rechten Zeit gewarnt, denn die Obrigkeit in Bethlehem hatte vor, ich weiß nicht, ob auf einen geheimen Befehl des Herodes, meine aber, aus eigenem Diensteifer, die Könige, welche in der Herberge zu Bethlehem schliefen, heute gefangen zu nehmen, unter der Synagoge, wo tiefe Keller waren, einzusperren und sie bei Herodes als Unruhestifter zu verklagen. Heute früh aber, als man ihren Abzug in Bethlehem erfuhr, waren sie schon bei Engaddi, und das Tal, wo sie gelagert, war bis auf einige Zeltpfähle und die Spuren des niedergetretenen Grases ganz wie sonst und alles ruhig und einsam. Indessen hatte die Erscheinung des Zuges in Bethlehem doch vieles Aufsehen gemacht, manche Leute bereuten, Joseph nicht beherbergt zu haben, andere schwätzten von von den Königen als wunderbaren abenteuerlichen Schwärmern, andere verbanden ihre Ankunft mit dem Gerede von der Erscheinung bei den Hirten, darum glaubten die Vorsteher des Ortes, ich weiß nicht, ob vielleicht durch eine Mahnung von Herodes, Vorkehrungen treffen zu müssen, und ich sah nun mitten in Bethlehem auf einem freien Platz, worauf ein von Bäumen umgebener Brunnen war, bei der Synagoge ein großes Haus, zu welchem Treppen hinanführten, und sah, wie alle Einwohner auf dem Platze vor dem Hause zusammenberufen wurden, und wie man ihnen von der Treppe herab eine Warnung oder einen Befehl verkündete, man solle alle verkehrten Urteile und abergläubischen Gerüchte und von nun an alles Geläufe nach der Wohnung der Leute vor der Stadt einstellen, welche zu dergleichen Reden Veranlassung gegeben.
Nachdem das versammelte Volk auseinandergegangen, sah ich den heiligen Joseph durch zwei Männer in dasselbe Haus berufen und dort von alten Juden verhören. Ich sah ihn zur Krippe zurückkehren und nochmals in das Gerichtshaus gehen. Als er das zweite Mal hinging, nahm er einiges Gold von den Geschenken der Könige mit und gab es ihnen, worauf sie ihn beruhigt entließen. Das ganze Verhör schien mir zum Teil auf eine Prellerei hinauszulaufen. — Ich sah auch, dass die Obrigkeit einen Weg, der nicht durch das Tor, sondern von dem Platze aus, wo Maria bei der Ankunft in Bethlehem unter dem großen Baum geharrt, über einen Hügel oder Wall zur Gegend der Krippe führte, durch einen gefällten Baum versperrte. Ja, sie errichteten eine Wachhütte bei dem Baum und spannten Fäden über den Weg, welche mit einer Klingel in der Wachhütte endeten, um die anzuhalten, welche diesen Weg etwa einschlugen. — Am Nachmittag sah ich eine Schar von 16 Soldaten des Herodes bei Joseph, mit dem sie sprachen; sie waren wahrscheinlich wegen der Könige gesendet, die man der Unruhestiftung beschuldigt hatte, da sie aber alles einsam und stille und die arme Familie in der Höhle fanden und den Auftrag hatten, mit dieser gar kein Aufsehen zu machen, so kehrten sie ruhig zurück und zeigten an, was sie gefunden. Joseph hatte alles, die Geschenke der Könige und was sie sonst noch zurückgelassen, teils in der Grabhöhle Marahas, teils in einigen verborgenen Höhlen des Krippenhügels versteckt, welche er noch von seiner Jugend her kannte, da er oft sich hier vor seinen Brüdern verborgen. Diese einzelnen Gruben rührten noch von dem Patriarchen Jakob her. Er hat einmal, da an der Stelle von Bethlehem noch nichts als ein paar Hütten gestanden, eine Zeitlang seine Gezelte hier auf dem Krippenhügel aufgeschlagen.
Heute Abend sah ich Zacharias von Hebron zum ersten Mal zu der heiligen Familie kommen. Maria war noch in der Höhle. Er weinte vor Freuden, hatte das Jesuskind in den Armen und sprach zum Teil oder etwas verändert den Lobgesang, welchen er bei der Beschneidung Johannis gesprochen hatte.



05.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die Könige besuchen nochmals die heilige Familie. Ihre Freigiebigkeit gegen die Hirten. Herodes stellt Ihnen nach (Teil III)

Abreise der Könige. Um Mitternacht sah ich plötzlich ein Bild; ich sah die Könige in ihrem Zelte rings auf ausgebreiteten Decken schlafen und sah die Erscheinung eines leuchtenden Jünglings zwischen ihnen, ihre Lampe war angesteckt, sie richteten sich im Schlafe auf, es war ein Engel, der sie weckte und ihnen sagte, sogleich eilig fortzuziehen und nicht über Jerusalem, sondern um das Tote Meer durch die Wüste ihren Weg zu nehmen. Schnell sprangen sie von ihrem Lager. Einige eilten zu ihrem Gefolge, einer zur Krippe und weckte den heiligen Joseph, der den Weg nach Bethlehem eilte, die dort in der Herberge Befindlichen zu rufen. Diese aber kamen ihm schon nach einer kurzen Strecke entgegen, sie hatten dieselbe Erscheinung gehabt. Mit einer wunderbaren Schnelligkeit war das Gezelt abgeschlagen, aufgepackt und der Rest des Lagers aufgehoben. Während die Könige noch von Joseph vor der Krippe einen rührenden Abschied nahmen, eilte ihr Gefolge schon in getrennten Zügen, um schneller vorwärts zu kommen, gegen Mittag durch die Wüste Engaddi, dem Toten Meere entlang.
Die Könige flehten, die heilige Familie möge mit ihnen fliehen, es stehe gewiss Gefahr bevor, und baten dann, Maria möge sich doch mit dem Kinde verbergen, damit sie nicht wegen ihnen belästigt werde. Sie weinten wie die Kinder, umarmten Joseph und redeten gar rührend, bestiegen dann ihre Dromedare wenig bepackt und eilten flüchtig durch die Wüste hin. Ich sah den Engel draußen auf dem Felde bei ihnen, er zeigte ihnen die Richtungen des Weges, sie waren plötzlich wie verschwunden. Sie zogen auf getrennten Wegen, jeder etwa eine Viertelstunde seitwärts von dem anderen, zuerst ungefähr eine Stunde lang gegen Morgen und hierauf mittagwärts in die Wüste. Ihr Heimweg ging durch die Gegend, durch welche Jesus in seinem dritten Lehrjahre aus Ägypten zurückkehrte.



04.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die Könige besuchen nochmals die heilige Familie. Ihre Freigiebigkeit gegen die Hirten. Herodes stellt Ihnen nach (Teil II)

Am Abend gingen sie zur Krippe, um Abschied zu nehmen. Mensor ging zuerst allein hinein. Maria gab ihm das Jesuskind in seine Arme, er weinte und leuchtete ganz vor Freude. Nach ihm kamen die beiden anderen und nahmen unter Tränen Abschied. Sie brachten noch viele Geschenke, viele Stücke von verschiedenen Stoffen, teils gleich ungefärbter Seide, teils rot und teils blumige Zeuge, auch viele, ganz feine Decken; auch ihre weiten feinen Mäntel ließen sie zurück, sie waren blassgelb wie von ganz feiner Wolle, sehr leicht, jedes Lüftchen bewegte sie. Sie brachten auch viele Schalen, welche übereinander standen, und mehrere Büchsen voll von Körnern und in einem Korb Töpfe, worin feine, grüne Kräuterbüschchen mit feinen weißen Blümchen. Es standen deren etwa drei in der Mitte des Topfes, doch so, dass man auf den Rand des Topfes wieder einen anderen Topf aufstellen konnte. So waren die Töpfe in dem Korbe übereinander gebaut. Es war Myrrhe. Sie gaben auch dem Joseph schmale lange Körbe mit Vögeln, deren sie mehrere zum Schlachten an den Dromedaren hängen hatten.
Sie weinten alle ganz ungemein, als sie das Kind und Maria verließen. Ich sah die heilige Jungfrau bei ihnen aufrecht-stehend, als sie Abschied nahmen. Sie hatte das Jesuskind auf dem Arm in ihren Schleier gehüllt und ging mit den Königen einige Schritte gegen die Türe der Höhle; da stand sie still und löste, um den guten Männern ein Andenken zu geben, den großen Schleier von dünnem gelben Stoff, der das Jesuskind mit ihr verhüllte, von ihrem Haupt und reichte ihn dem Mensor. Mit tiefer Verbeugung empfingen sie diese Gabe, und ihre Herzen wallten vor Dank und Ehrfurcht über, als sie die heilige Jungfrau mit dem Jesuskindlein unverschleiert vor sich stehen sahen. O wie weinten sie so süße Tränen, als sie die Höhle verließen. Der Schleier war ihnen von nun an das höchste Heiligtum, das sie besaßen.
Die Art, mit welcher die heilige Jungfrau die Geschenke annahm, war ohne Freude an den Sachen und doch ungemein rührend demütig und wahrhaftig dankend gegen den Geber. Ich habe keine Empfindung von Eigennutz bei diesem wunderbaren Besuche in ihr gesehen, außer, dass sie anfangs aus Liebe zu dem Jesuskinde und aus Mitleid mit dem heiligen Joseph sich in Einfalt der freudigen Hoffnung hingab, nun würden sie vielleicht Schutz in Bethlehem genießen und nicht mehr so verächtlich wie bei ihrer Ankunft behandelt werden, denn die Betrübnis und Beschämung Josephs hierüber hatten ihr sehr leid getan.
Als die Könige Abschied nahmen, brannte schon die Lampe in der Höhle, es war düster, und sie begaben sich hierauf sogleich mit den Ihrigen unter die alte große Terebinthe über dem Grabe Marahas, ihren Gottesdienst wie gestern Abend dort zu halten. Es brannte eine Lampe unter dem Baum; als sich die Sterne blicken ließen, beteten sie und sangen süß. Die Stimmen der Knaben klangen ungemein lieblich durch den Chor. — Hierauf gingen sie in ihr Gezelt, wo Joseph ihnen abermals ein kleines Mahl bereitet hatte, nach welchem wieder einige zur Herberge nach Bethlehem kehrten und die anderen sich in dem Zelte zur Ruhe legten.



03.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die Könige besuchen nochmals die heilige Familie. Ihre Freigiebigkeit gegen die Hirten. Herodes stellt Ihnen nach (Teil I)

Montag, den 24. Dezember.
Heute schon sehr früh sah ich die Könige und mehrere ihres Gefolges einzeln das Jesuskind und die heilige Jungfrau besuchen. Außerdem sah ich sie während des ganzen Tages bei ihrem Lager und ihren Lasttieren mit allerlei Austeilungen beschäftigt. Sie waren voll Freude und Seligkeit und teilten viele Gaben aus. Das habe ich aber damals immer bei freudigen Ereignissen geschehen sehen. Die Hirten, welche dem Gefolge der Könige alle Dienste leisteten, erhielten sehr viele Gaben. Auch viele Arme sah ich sie beschenken. Ich sah, dass sie armen alten Mütterchen, die ganz gebeugt heranschlichen, Decken über die Schultern hängten. Es waren aber mehrere von dem dienenden Gefolge der Könige, welchen es gar wohl in dem Tale bei den Hirten gefiel und die hier bleiben und sich mit diesen Hirten verbinden wollten. Sie brachten dieses Anliegen den Königen vor und erhielten ihre Entlassung mit reichlichen Geschenken. Sie erhielten Decken, Geräte, Goldkömer und auch die Esel, auf denen sie geritten hatten. Als ich die Könige auch vieles Brot austeilen sah, dachte ich anfangs, wo haben sie nur die vielen Brote her? Dann erinnerte ich mich aber, dass ich mehrmals gesehen, wie sie von Zeit zu Zeit an ihren Lagerplätzen in eisernen Formen, welche sie bei sich führten, aus ihrem Mehlvorrat kleine platte Brote wie Zwieback bereiteten, die sie in leichten Lederkisten dicht verpackt an den Lasttieren hängen hatten. Es kamen heute auch viele Leute aus Bethlehem zu den Königen und drängten sie um allerlei Geschenke, einige durchsuchten ihnen ihr Gepäck und zogen unter allerlei habsüchtigen Vorwänden Abgaben von ihnen. Sie hatten aber in Jerusalem und auch hier durch die Größe ihres Zuges und das Aufsehen, welches sie erregten, allerlei Quälerei erlitten, und wie sie in einem Triumphzug angekommen waren, weil sie glaubten, alles in lautem Jubel über den neugeborenen König zu finden, so fühlten sie sich jetzt nach ihren Erfahrungen bewogen, in kleinerer Schar ohne Aufsehen und dadurch schneller ihre Rückreise anzutreten; daher entließen sie schon heute viele aus ihrem Gefolge, welche teils sich im Tale der Hirten bleibend zerstreuten, teils nach bestimmten Vereinigungspunkten vorauszogen. — Ich wunderte mich, am Abend die Zahl des Zuges schon um vieles vermindert zu sehen. Die Könige dachten wohl, morgen nach Jerusalem zu reisen und dem Herodes zu sagen, wie sie das Kind gefunden hätten, aber sie wollten mehr in der Stille kommen und ließen viele vorausziehen, welchen dadurch die Reise leichter ward. Sie selbst konnten auf den Dromedaren sie bald wieder einholen.



02.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Joseph bewirtet die heiligen drei Könige

Indessen hatte Joseph mit ein paar der alten Hirten ein kleines Mahl in dem Zelt der Könige gerüstet. Sie trugen Tellerchen mit Broten, Früchten, Honigwaben und Schüsselchen mit Kräutern und Flaschen mit Balsam hin und ordneten das alles auf niederer Tafel auf einem Teppich. Alles dieses hatte er schon am Morgen zur Bewirtung der Könige zusammengetragen, deren Ankunft ihm die heilige Jungfrau vorausverkündet.
Als die Könige mit ihren Verwandten von ihrem Abendgesang zum Zelte gekehrt, sah ich Joseph sie freundlich empfangen, er bat sie, als seine Gäste das kleine Mahl anzunehmen, und lag mitten unter ihnen um die niedere Tafel, und so aßen sie. Er war gar nicht blöde, er war so fröhlich, dass er Freudentränen weinte.
Als ich dieses sah, dachte ich an meinen seligen Vater, den armen Landmann, wie er bei meiner Einkleidung im Kloster unter so vielen vornehmen Leuten zu Tische sitzen musste; er hatte sich in seiner Einfalt und Demut so sehr davor gefürchtet und ward hernach so fröhlich, dass er vor Freuden weinte. Er ward, ohne es zu wollen, der Allererste bei dem Feste.
Nach diesem kleinen Mahle verließ sie Joseph. Einige der Vornehmeren des Zuges begaben sich in eine Herberge zu Bethlehem, die anderen legten sich auf ihren Lagern, welche rings in dem großen Zelte bereitet waren, zur Ruhe. Als Joseph zur Krippe gekehrt, stellte er alle die Geschenke zur Rechten der Krippe in einen Wandwinkel, den er mit einer Stellwand verdeckt hatte, so dass man nicht sah, was da aufbewahrt wurde. Die Magd Annas, welche zur Bedienung der heiligen Jungfrau zurückgeblieben war, hatte sich während der ganzen Handlung in dem kleinen Seitengewölbe aufgehalten, dessen Türe in dem Eingang der Krippenhöhle war. Sie war erst hervorgetreten, als alle die Krippe verlassen hatten. Sie war sehr ernst und bescheiden. Ich sah weder die heilige Familie noch diese Magd die Gaben der Könige mit weltlichem Wohlgefallen betrachten. Alles ward mit Dank demütig angenommen und mit Milde wieder ausgespendet.
In Bethlehem sah ich bei der Ankunft des Zuges an dem Hause der Schätzung heute Abend einiges Getümmel und dann einiges Gelaufe in der Stadt. Die Leute, welche dem Zuge zum Tale der Hirten gefolgt, waren bald wieder zurückgekehrt. — Später, während die Könige so innig und selig ganz von andächtiger Freude durchschimmert in der Krippenhöhle anbeteten und opferten, sah ich in der Gegend umher einige in der Ferne lauernde und murrende Juden, welche in Bethlehem nachher hin und wieder gingen und allerlei Berichte brachten. - Ich musste bitterlich über diese unglückseligen Menschen weinen. Ach, mir taten diese bösen Leute so leid, die damals und auch jetzt, wenn das Heilige sich den Menschen naht, so tückisch murrend und lauernd umherstehen und dann in ihrem Grimm Lügen verbreiten. Oh, wie muss ich über diese elenden Menschen weinen, sie haben das Heil so nahe und stoßen es von sich; diese guten Könige aber sind, auf Treu und Glauben der Verheißung, so weit hergezogen und haben das Heil gefunden. — Oh, wie bedauere ich die harten, blinden Menschen!
In Jerusalem sah ich heute während des Tages den Herodes noch mit mehreren Schriftgelehrten in Rollen lesen und über die Aussage der Könige sprechen. Nachher ward alles still, als wolle man die ganze Sache fallenlassen.



01.02.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Ankunft der heiligen drei Könige von Bethlehem am Haus der Steuer.
Ihr Lager bei dem Grabe der Maraha.
Der Stern zeigt Ihnen die Krippenhöhle. Anbetung des Kindes und Opfer. (Teil VI)

Als die Könige mit ihren Begleitern die Höhle verlassen und zu ihrem Gezelt gegangen waren, traten nun endlich ihre Diener herein, sie hatten das Zelt gerüstet, die Tiere abgepackt und alles geordnet und ganz demütig, geduldig vor der Türe geharrt. Es mochten ihrer wohl über dreißig sein, es war auch eine Schar von Knaben bei ihnen, welche nur um die Lenden verhüllt waren und ein kleines Mäntelchen umhatten. Die Diener traten immer zu fünf herein, und einer der Vornehmeren, zu dem sie gehörten, geleitete sie. Sie knieten um das Kind und verehrten es still. Zuletzt aber traten die Knaben alle zusammen herein, knieten umher und beteten in kindlicher Unschuld und Freude Jesum an. Die Diener verweilten nicht lange in der Krippenhöhle, denn die Könige kamen nun wieder mit Feierlichkeit hereingetreten, sie hatten wieder andere, leichte, fliegende Mäntel umgelegt, welche breit um sie herschwebten, und sie trugen Rauchfässer in ihren Händen und beräucherten mit großer Ehrerbietung das Kindlein und die heilige Jungfrau und Joseph und die ganze Krippenhöhle und zogen sich dann mit tiefer Verbeugung zurück. Es war dieses ein Gebrauch der Anbetung bei diesem Volke.
Bei allem diesem waren Maria und Joseph in so süßer Freude, als ich sie jemals gesehen; ja oft rannen ihnen Tränen der Freude über die Wangen nieder. Die Anerkennung und feierliche Verehrung des Jesuskindes, das sie sodann beherbergen mussten und dessen höchste Würde in der Demut ihrer Herzen verschwiegen ruhte, erquickte sie unendlich. Sie sahen dem Kinde der Verheißung durch Gottes allmächtige Vorsorge, trotz aller menschlichen Blindheit, was sie selbst Ihm nicht geben konnten, vor Jahrhunderten vorbereitet und nun aus weiter Ferne gesendet, die Ihm gebührende Anbetung der Mächtigen mit heiliger Pracht. Ach! Sie beteten mit den Königen Jesum an, Seine Ehre beseligte sie.
In dem Tale hinter der Krippenhöhle bis zu der Grabhöhle Marahas war das Lager gerüstet und die Tiere in Reihen an Pfählen zwischen Stricken aufgestellt. Bei dem großen Gezelt, das nahe am Hügel der Krippe war, befand sich auch ein mit Matten bedeckter Raum, worin ein Teil des Gepäckes bewahrt ward. Das meiste jedoch brachten sie in der Grabhöhle Marahas selbst unter. Als alle die Krippe verlassen hatten, waren die Sterne aufgegangen, und sie versammelten sich in einem Kreise bei dem alten Terebinthenbaum, der über der
Grabhöhle Marahas stand, und hielten dort mit feierlichem Gesang ihren Gottesdienst zu den Sternen. Es ist nicht auszusprechen, wie rührend ihr Singen über das stille Tal hinschallte. So viele Jahrhunderte hatten ihre Voreltern zu den Sternen geschaut, gebetet, gesungen, heute war all ihre Sehnsucht erfüllt. Sie sangen von Dank und Freude berauscht.


31.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Ankunft der heiligen drei Könige von Bethlehem am Haus der Steuer.
Ihr Lager bei dem Grabe der Maraha.
Der Stern zeigt Ihnen die Krippenhöhle. Anbetung des Kindes und Opfer. (Teil V)

Die Anreden der Könige und aller Nachfolgenden waren ungemein rührend und kindlich; indem sie sich niederließen und die Geschenke darreichten, sagten sie ungefähr: „Wir haben Seinen Stern gesehen und dass Er der König über alle Könige ist und kommen, Ihn anzubeten und Ihm mit Geschenken zu huldigen usw." Sie waren ganz wie entzückt und empfahlen dem Jesuskinde in einem kindlichen, liebetrunkenen Gebet sich, die ihrigen, ihre Lande und Leute, ihr Hab und Gut und alles, was ihnen auf Erden einen Wert hatte; der neugeborene König möge doch ihre Herzen, ihre Seelen und alles ihr Denken und Tun hinnehmen; Er solle sie erleuchten, ihnen alle Tugend und der Erde Glück, Friede und Liebe schenken. Dabei glühten sie in Demut und Liebe, und die Freudentränen rollten ihnen über Wange und Bart. Sie waren ganz selig, sie glaubten, in dem Sterne nun selbst angekommen zu sein, nach welchem ihre Vorfahren seit Jahrtausenden mit so treuer Sehnsucht seufzend geschaut hatten. Alle Freude der nach vielen Jahrhunderten erfüllten Verheißung war in ihnen.
Die Mutter Gottes nahm alles ganz demütig dankend an, sie sprach anfangs nicht, eine einfache Bewegung unter ihrem Schleier aber drückte ihre rührende, andächtige Freude aus. Das nackte Leibchen des Kindes, das sie mit in den Schleier gefasst hatte, sah zwischen dem Mantel so leuchtend hervor. Am Schlüsse sprach sie jedoch einige freundliche, demütige Worte des Dankes zu jedem und schlug dabei ihren Schleier ein wenig zurück. — Oh, da habe ich wohl wieder etwas gelernt, ich sprach zu mir selbst: Oh, wie süß und lieblich dankend nimmt sie jede Gabe an; sie, die nichts braucht, die Jesum hat, nimmt jede Gabe der Liebe mit Demut an, da kann ich wohl lernen, wie man die Gaben der Liebe empfangen muss, auch ich will künftig jede milde Gabe mit Dank in aller Demut annehmen; und ach! wie gütig sind Maria und Joseph; für sich behielten sie schier gar nichts, sie teilten alles wieder den Armen aus.



30.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Ankunft der heiligen drei Könige von Bethlehem am Haus der Steuer.
Ihr Lager bei dem Grabe der Maraha.
Der Stern zeigt Ihnen die Krippenhöhle. Anbetung des Kindes und Opfer. (Teil IV)

Ich sah aber nun, dass Mensor aus einem Beutel, der an seinem Gürtel hing, eine Handvoll fingerlanger, dicker, schwerer Stäbchen, oben spitz und in der Mitte goldfarbig gekörnt, blinkend hervorzog und der heiligen Jungfrau als seine Gabe demütig neben das Jesuskind auf den Schoß legte. Sie nahm das Gold liebevoll dankend an und bedeckte es mit einem Zipfel ihres Mantels. Mensor gab diese gewachsenen Goldstängchen, weil er voll Treue und Liebe war und mit unerschütterlicher, angestrengter Andacht nach der heiligen Wahrheit forschte. Nun aber zog sich Mensor mit seinen vier Begleitern zurück, und Sair, der Braune, trat mit den Seinigen heran und ließ sich auf beide Knie mit großer Demut nieder und bot mit rührenden Worten sein Geschenk dar, indem er ein goldenes Weihrauchschiffchen voll kleiner grünlicher Harzkörner auf die Tafel vor das Jesuskind niedersetzte. Er gab den Weihrauch, denn er war der, welcher sich willig und ehrerbietig anschmiegte und liebreich dem Willen Gottes folgte. Er kniete lange in großer Innigkeit da, ehe er sich zurückbegab. Nach ihm nahte Theokeno, der weiße und älteste, er war sehr alt und dick und vermochte nicht niederzuknien; aber er stand tief gebeugt und stellte ein goldenes Gefäß mit einem feinen grünen Kraut auf die Tafel nieder. Es schien noch auf der Wurzel zu wachsen, es war ein ganz feines, grünes, aufrechtstehendes Bäumchen mit krausem Büschchen, worauf feine weiße Blümchen. Es war Myrrhe. Er opferte aber Myrrhe, weil sie auf Abtötung und überwundene Leidenschaften deutet; denn dieser gute Mann hatte ungemeine Anfechtungen zum Götzendienst, zur Vielweiberei und Heftigkeit bekämpft. Er blieb sehr lange in großer Rührung mit seinen Begleitern vor dem Jesuskinde stehen, so daß mir um die anderen Diener vor der Krippe leid ward, daß sie so lange harren mussten, das Kindlein zu sehen.



29.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Ankunft der heiligen drei Könige von Bethlehem am Haus der Steuer.
Ihr Lager bei dem Grabe der Maraha.
Der Stern zeigt Ihnen die Krippenhöhle. Anbetung des Kindes und Opfer. (Teil III)

Als sie dem heiligen Joseph in schöner Ordnung unter das Obdach vor der Türe der Krippe gefolgt waren, bedeckten sie die Tafel mit dem Quastenteppich, und ein jeder der drei Könige stellte einige der goldenen Büchsen und Gefäße darauf, die er von seinem Gürtel löste, und dieses waren ihre gemeinschaftlichen Geschenke. Mensor und alle anderen aber lösten die Sandalen von ihren Füßen ab. Joseph öffnete die Türe der Höhle. Zwei Jünglinge von Mensors Gefolge gingen vor diesem her und breiteten eine Zeugbahn vor seinen Schritten auf den Boden der Höhle und gingen zurück, ihm folgten dicht zwei andere mit der Tafel der Geschenke, die er ihnen, vor der heiligen Jungfrau angekommen, abnahm und, auf ein Knie niederfallend, zu ihren Füßen auf ein anderes Gestell ehrerbietig hinsetzte. Die Träger gingen zurück. Hinter Mensor standen die vier Begleiter aus seiner Familie, demütig vorgebeugt. Seir und Theokeno standen mit den ihrigen zurück in dem Eingang bis unter das Obdach vor der Türe. Als sie eintraten, waren sie alle ganz trunken vor Andacht und Rührung und wie durchleuchtet von dem Lichte, welches den Raum erfüllte, und doch war kein anderes Licht zugegen als das Licht der Welt. Maria lag mehr, auf einen Arm gestützt, als sie saß, auf einem Teppich zur Linken des Jesuskindes, welches dem Eingang gegenüber auf der Stelle der Geburt in einer mit einem Teppich bedeckten Mulde lag, die auf einem Gestelle etwas erhöht stand. Im Augenblick ihres Eintritts aber richtete sich die heilige Jungfrau in sitzender Stellung auf, verschleierte sich und nahm das Jesuskind in ihren weiten Schleier vor sich auf den Schoß. Als Mensor kniete und die Geschenke niedersetzend rührende Worte der Huldigung sprach, indem er das unbedeckte Haupt demütig beugte und die Hände vor der Brust kreuzte, hatte Maria dem Kinde, welches rot und weiß darüber eingewickelt war, den Oberleib entblößt, und es sah lieblich schimmernd zwischen ihrem Schleier hervor. Sie stützte ihm mit der einen Hand das Köpfchen und hatte es mit der anderen umfasst. Es hatte seine Händchen vor der Brust, als bete es und leuchtete vor Freundlichkeit, und manchmal griff es auch lieblich um sich her.
O wie selig still beten die lieben Männer aus dem Morgenlande an. Da ich dieses sah, sprach ich zu mir selbst: O wie sind diese Herzen so klar und ungetrübt, voll Güte und Unschuld wie fromme Kinderherzen. Nichts Heftiges ist in ihnen, und doch sind sie ganz Feuer und Liebe! Ich bin tot, ich bin ein Geist, sonst könnte ich das nicht sehen, denn dieses ist doch nicht jetzt und ist dennoch jetzt. Das ist aber nicht in der Zeit, in Gott ist keine Zeit, in Gott ist alles gegenwärtig, ich bin tot, ich bin ein Geist. Als ich so seltsam dachte, hörte ich zu mir sprechen: „Was kümmert dich das, sieh und lobe den Herrn, Der ewig ist und alles in Ihm."



28.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Ankunft der heiligen drei Könige von Bethlehem am Haus der Steuer.
Ihr Lager bei dem Grabe der Maraha.
Der Stern zeigt Ihnen die Krippenhöhle. Anbetung des Kindes und Opfer. (Teil II)

Es war schon ein Teil des Lagers geordnet, als die Könige den Stern hell und klar über dem Krippenhügel erscheinen und den aus ihm strömenden Lichterguss senkrecht darauf niedersteigen sahen. Er schien sich vergrößernd zu nahen und wuchs zu einer Lichtmasse, dass er mir wie ein Leilaken groß schien. Ich sah aber, wie sie anfangs sehr verwundert schauten. Es war schon düster, sie sahen kein Haus, sondern nur die Form eines Hügels, gleich einem Walle; plötzlich aber ergriff sie eine große Freude, denn sie sahen in dem Glänze die leuchtende Gestalt eines Kindes, wie sie dieselbe früher in dem Sterne gesehen hatten, da entblößten sie alle ihre Häupter und bezeugten ihre Verehrung, und die drei Könige schritten zu dem Hügel und fanden die Türe der Höhle. Mensor öffnete die Türe und sah die Höhle voll von himmlischem Lichte und im Hintergrund die Jungfrau mit dem Kinde gerade so sitzen, wie sie dieselbe in ihren Gesichten gesehen hatten.
Sogleich trat er zurück und sagte dies seinen Gefährten; indem trat Joseph mit einem alten Hirten ihnen aus der Höhle entgegen, und sie sagten ihm einfältig, wie sie kämen, den neugeborenen König der Juden, dessen Stern sie gesehen, anzubeten und ihm Geschenke zu bringen. Joseph hieß sie freundlich willkommen, und der alte Hirte begleitete sie zu ihrer Schar und war ihnen bei ihren Einrichtungen behilflich; es räumten ihnen einige dort befindliche Hirten Schoppen ein.
Sie selbst rüsteten sich zu der feierlichen Handlung, die sie vorhatten. Ich sah sie große weiße Mäntel, welche eine lange Schleppe hatten, umlegen, sie waren gelblich schimmernd wie von roher Seide, und ungemein fein und leicht wehten sie um sie her. Es waren dies immer ihre Mäntel bei religiösen Feierlichkeiten. Sie hatten alle drei um die Mitte ihres Leibes an ihren Gürteln allerlei Beutel und goldene Büchsen, gleich Zuckerdosen mit Knöpfen darauf, an Kettchen hängen und gingen deshalb ganz breit in ihren Mänteln einher. Jedem der Könige folgten die vier Begleiter aus seiner Familie. Außer diesen waren einige Diener Mensors dabei, welche eine kleine Tafel gleich einem Präsentierteller und einem Teppich mit Quasten und einige andere leichte Zeugbahnen trugen.



27.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Ankunft der heiligen drei Könige von Bethlehem am Haus der Steuer.
Ihr Lager bei dem Grabe der Maraha.
Der Stern zeigt Ihnen die Krippenhöhle. Anbetung des Kindes und Opfer. (Teil I)

Heute Sonntag, den 23. Dezember, in der Abenddämmerung sah ich den Zug der heiligen drei Könige vor Bethlehem an demselben Gebäude ankommen, wo Jeseph und Maria sich hatten aufschreiben lassen. Es war das ehemalige Stammhaus Davids, von dem noch einiges Mauerwerk bestand; auch Josephs Eltern hatten es besessen. Es war ein größeres Haus mit mehreren kleinen umher, ein geschlossener Hof lag davor und vor diesem ein mit Bäumen bepflanzter Platz mit einem Brunnen Ich sah auf diesem Platze römische Soldaten wegen dem in dem Hause befindlichen Schätzungsamt.
Als der Zug hier ankam, entstand ein ziemliches Gedränge von Neugierigen um sie. Der Stern war ihnen verschwunden, sie waren etwas beunruhigt. Es nahten ihnen Männer und fragten sie aus. Sie stiegen ab, und es kamen ihnen Vorgesetzte aus dem Hause mit Zweigen entgegen und boten ihnen eine kleine Erquickung von Früchten, Brötchen und Getränk an. Es war dieses ein gewöhnlicher Willkomm gegen solche Fremdlinge. Während dem sah ich ihre Tiere unter den Bäumen an dem Brunnen tränken. Ich dachte noch: mit diesen sind sie höflicher als mit dem armen Joseph, weil sie so kleine Goldstückchen austeilten. — Man nannte ihnen das Tal der Hirten als einen guten Lagerplatz, Sie verweilten noch längere Zeit unentschieden; ich hörte sie nicht nach dem neugeborenen König der Juden fragen; sie wussten, dass der Ort hier sei nach der Prophezeiung, fürchteten aber durch die Reden des Herodes alles Aufsehen.
Als sie aber seitwärts Bethlehems ein Leuchten am Himmel, so als wenn der Mond aufgeht, schimmern sahen, setzten sie sich wieder auf ihre Tiere und zogen längs einem Graben und verfallenen Mauern um die Mittagsseite von Bethlehem herum gen dessen Morgenseite und nahten der Gegend der Krippenhöhle von der Seite des Feldes, wo die Engel den Hirten erschienen waren. Als nun ihr Zug in das Tal hinter der Krippenhöhle bei dem Grabe Marahas gelangt war, stiegen sie von ihren Tieren, und ihre Leute packten vieles ab und schlugen ein großes Gezelt auf, das sie bei sich führten, und trafen andere Einrichtungen zu einem Lagerplatz mit Hilfe einiger Hirten, welche ihnen die Stellen anwiesen.



26.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die Heiligen drei Könige ziehen von Jerusalem nach Bethlehem


Sie rasten an einem Quell.
Ich sah den Zug der Könige zu einem Tore mittagwärts hinausziehen. Es folgte ihnen ein Trupp Menschen bis zu einem Bach vor der Stadt und kehrte dann zurück. Als sie über dem Bach waren, machten sie einen kleinen Halt und sahen sich nach ihrem Sterne um, und da sie ihn erblickten, brachen sie in ein Freudengeschrei aus und zogen mit süßem Gesänge weiter. Der Stern aber führte sie nicht auf dem geraden Weg nach Bethlehem, sondern auf einem Umwege in mehr abendlicher Richtung.
Sie zogen an einem Städtchen vorüber, das mir wohl bekannt ist, und hinter demselben sah ich sie gegen Mittag an einem lustigen Orte bei einem Dörfchen halten und beten. Da entsprang eine Quelle vor ihnen, und sie waren voll Freude, stiegen ab, gruben der Quelle ein Becken und umgaben es mit reinem Sand, Steinen und Rasen. Sie lagerten nun hier mehrere Stunden, tränkten und fütterten ihre Tiere und erquickten sich selbst mit Speise, denn in Jerusalem hatten sie durch Störung und Sorge keine Ruhe gehabt. — Ich habe an diesem Brunnen später unseren Herrn mit den Jüngern mehrmals lehrend verweilen gesehen.
Der Stem, der bei Nacht wie eine Feuerkugel leuchtete, sah jetzt wie der Mond bei Tage aus, er schien nicht scharf rund, sondern wie gezackt, oft sah ich ihn von Wolken versteckt. Auf der geraden Straße von Bethlehem nach Jerusalem wimmelte es von Reisenden mit Gepäck und Eseln, wahrscheinlich Leuten, die aus Bethlehem von der Zählung wieder heimzogen oder nach Jerusalem zum Markte oder zum Tempel gingen. Auf dem Wege der Könige war es ganz still, und Gott führte sie gewiss hierher, damit sie, ohne großes Aufsehen, erst am Abend gen Bethlehem kämen.
Ich sah sie aber, als die Sonne schon tief stand, wieder aufbrechen. Sie zogen in der Ordnung, wie sie zusammen gekommen waren. Mensor, der bräunliche und jüngste, zog voraus, dann folgte Seir, der braune, und dann Theokeno, der weiße und älteste.



25.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Herodes‘ damaliger Gemütszustand.
Ein Mord. Streitigkeiten am Tempel.
Gerüchte von Christi Geburt.

Herodes war in diesen Tagen voll Unmut und Ärger. Er war in der Zeit der Geburt Christi noch in seinem Schlosse bei Jericho gewesen und hatte einen bösen Mord begangen. Er hatte Leute seiner Partei in die höheren Stellen am Tempel eingedrängt, die ihm alles, was dort vorging, auslisteten und ihm jeden verrieten, der dort seinen Absichten entgangen war; dazu aber gehörte besonders ein höherer Beamter am Tempel, ein sehr guter und gerechter Mann. Diesen ließ er ganz freundlich zu sich gen Jericho einladen, ihn aber in der Wüste überfallen und morden, als sei es von Räubern geschehen. Einige Tage nachher kam er nach Jerusalem, um das Tempelweihfest am 25. Casleu mit zu feiern, und geriet dort in einen sehr verdrießlichen Handel. — Er wollte den Juden auf seine Weise eine Freude machen und Ehre antun. Er hatte die goldene Figur eines Lammes oder vielmehr eines Böckleins machen lassen; denn es hatte Hörner, und dieses sollte zum Fest über dem Tor aufgestellt werden, welches aus dem Vorhof der Weiber in den Opferhof führte. Er wollte dieses ganz eigenwillig tun und noch schön dafür gedankt haben. Die Priester widersetzten sich, er drohte mit Geldstrafe; da erklärten sie, die Strafe würden sie bezahlen, aber nach dem Gesetze das Bild niemals annehmen. — Herodes hierüber erbittert, wollte das Bild heimlich aufstellen lassen; als es aber gebracht wurde, ergriff es ein eifriger Vorgesetzter und warf es an den Boden, so dass es mitten entzweibrach. Es entstand ein Tumult dadurch, und Herodes ließ jenen Mann einkerkern.
Dieser Handel hatte ihn so geärgert, dass es ihn reute, zu dem Feste gekommen zu sein. Seine Hofleute aber suchten ihn mit allerlei Lustbarkeiten zu zerstreuen. Zu dieser Stimmung kamen nun noch die Gerüchte von Christi Geburt hinzu. Im jüdischen Lande war seit längerer Zeit bei einzelnen frommen Leuten die Erwartung des Messias als nahe sehr lebhaft. Die Ereignisse bei Jesu Geburt waren durch die Hirten vielfach verbreitet; vornehme Leute hielten jedoch alles dieses für Geschwätz und Fabelei. Herodes hatte auch davon gehört und ganz in der Stille deswegen in Bethlehem nachforschen lassen. Seine Späher waren drei Tage nach Christi Geburt an der Krippe gewesen und als sie mit dem armen heiligen Joseph gesprochen hatten, berichteten sie, wie solche hoffärtige Leute zu tun pflegen, diese Sache sei gar nichts; es sei eine arme Familie in einer elenden Höhle dort und das Ganze nicht der Rede wert. Ja, sie waren schon gleich anfangs viel zu hoffärtig, um nur zu recht mit Joseph zu reden, um so mehr, da sie den Befehl hatten, jedes Aufsehen zu vermeiden. — Nun aber kam dem Herodes plötzlich der große Zug der drei Könige auf den Leib und versetzte ihn in große Angst und Bestürzung, denn diese kamen zu weit her und waren mehr als ein Gerede. Er heuchelte aber, da sie so bestimmt nach dem neugeborenen Könige fragten, eine Begierde, ihn auch zu verehren, und sie freuten sich darüber. — Die hoffärtige Blindheit der Schriftgelehrten konnte ihn nicht beruhigen, und sein Interesse, dies Ereignis so still als möglich zu halten, bestimmte sein Betragen. Er widersprach der Erklärung der Könige nicht sogleich, er legte nicht sogleich Hand an Jesum, um vor dem ohnehin schwierigen Volke die Aussage der Könige nicht als wahr und folgenreich für ihn selbst erscheinen zu machen. Er gedachte darum, die Sache durch die Könige selbst genauer zu erfahren und dann seine Maßregeln zu ergreifen. — Da aber die Könige, von Gott gewarnt, nicht zu ihm zurückkehrten, ließ er ihre Flucht als Folge ihrer Täuschung oder Lüge bekanntmachen. Er ließ ausstreuen, sie hätten sich geschämt und gefürchtet zurückzukehren als Leute, welche sich und andere so grob getäuscht, denn welche andere Ursache hätten sie zu ihrer heimlichen Flucht haben können, da sie so freundlich empfangen worden seien.
So ließ er später das ganze Gerede einschlafen und nur in Bethlehem verkünden, man solle sich mit jener Familie nicht einlassen und keinen verführenden Gerüchten und Einbildungen Raum geben. Als aber die heilige Familie fünfzehn Tage später nach Nazareth kehrte, erlosch im allgemeinen bald das Gerede von diesem der Menge nicht klargewordenen Ereignis, und die Frommen, welche hofften, schwiegen.
Als nun alles wieder ruhig geworden, gedachte Herodes, Jesum beiseite zu schaffen; aber er vernahm, dass die Familie mit dem Kinde Nazareth verlassen hatte. Er ließ dem Kinde lange nachspüren, und als seine Hoffnung, es zu finden, vergebens ward und seine Angst um so mehr wuchs, ergriff er die verzweifelte Maßregel des Kindermordes, und zwar mit solcher Behutsamkeit, dass er vorher schon allerlei Truppenverlegungen machte, jedem Aufstande vorzubeugen. — Ich meine, die Kinder seien an sieben Orten ermordet worden.



24.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Die heiligen drei Könige vor Herodes

Sonntag, den 23. Dezember. Heute Morgen sehr früh ließ Herodes die drei Könige in der Stille zu sich in sein Schloss führen. Sie wurden unter einem Bogen empfangen und in einen Saal gebracht, wo ich zur Bewillkommnung grüne Zweige und Büsche in Gefäßen und einige Erquickungen aufgestellt sah. -— Sie standen eine Weile, bis Herodes kam, vor dem sie sich verbeugten und den sie abermals nach dem neugeborenen Könige der Juden fragten. Herodes versteckte seine Beunruhigung, so gut er vermochte, und heuchelte sogar eine große Freude. Es waren noch einige Schriftgelehrte bei ihm. Er forschte sie wegen dem aus, was sie gesehen, und Mensor erzählte ihm das letzte Bild, das sie vor ihrer Abreise in den Sternen gesehen. Es sei dieses eine Jungfrau gewesen und vor ihr ein Kind; aus Dessen rechter Seite sei ein Lichtzweig hervorgewachsen und auf diesem ein Turm mit mehreren Toren erschienen. Dieser Turm habe sich zu einer großen Stadt erweitert, das Kind sei hierauf mit Krone, Schwert und Zepter als ein König über dieser Stadt erschienen, und nun hätten sie sich selbst und die Könige der ganzen Welt kommen, sich beugen und das Kind anbeten gesehen, denn es habe ein Reich, welches alle anderen Reiche überwinden werde und dergleichen.
Herodes sprach zu ihnen, von Bethlehem Ephrata existiere allerdings eine dahin bezügliche Weissagung, sie möchten nur sogleich ganz still hinziehen, und wenn sie das Kind gefunden und angebetet hätten, möchten sie zurückkehrend ihm Bericht abstatten, damit auch er hingehe und es anbete.
Die Könige, welche nichts von den aufgestellten Speisen genossen hatten, gingen nun wieder hinab, und es war sehr früh, denn ich sah die Fackeln noch vor dem Schlosse brennen. Herodes tat heimlich mit ihnen wegen dem Gerede in der Stadt. Der Tag war aber nun angebrochen, und sie rüsteten alles zum Aufbruche. Die Nachzügler, welche sie bis Jerusalem begleitet, hatten sich schon gestern in der Stadt zerstreut.



23.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Theokeno ins Schloss des Herodes beschieden. Ein Fest. Herodes beruft Schriftgelehrte.

Das Schloss des Herodes lag höher, nicht weit von diesem Gebäude, und ich sah den Weg hin mit Fackeln und Feuerkörben auf Stangen beleuchtet. Er sendete aber einen Diener herab und ließ den ältesten König Theokeno heimlich in das Schloss bringen. Es war nach 10 Uhr in der Nacht. Er ward unten in einem Saale von einem Hofherrn des Herodes empfangen und über die Absicht ihrer Ankunft ausgeforscht. Er berichtete alles ganz kindlich und bat ihn, den Herodes zu fragen, wo der neugeborene König der Juden sei, Dessen Stern sie gesehen und nachgefolgt seien, um Ihn anzubeten.
Als der Hofdiener dieses dem Herodes gemeldet hatte, ward dieser sehr bestürzt, verstellte sich jedoch und ließ erwidern: er wolle darüber nachforschen lassen, sie möchten jetzt nur ausruhen, morgen früh wolle er sie alle selbst sprechen und ihnen melden, was er darüber erfahren habe.
Als Theokeno zu seinen Reisegefährten zurückkam, konnte er ihnen eben keinen besonderen Trost bringen. Sie trafen auch keine Anstalten zur Ruhe und ließen manches Abgepackte wieder aufpacken. Ich sah sie in dieser Nacht nicht schlafen, sondern wie einzelne von ihnen mit Führern in der Stadt umhergingen und nach dem Himmel schauten, als suchten sie nach ihrem Stern. In Jerusalem selbst war es still, aber bei der Wache vor dem Hof war viel Gelaufe und Gefrage. Den Königen war immer zumute, als könne Herodes wohl alles wissen, wolle es aber vor ihnen verheimlichen. Es war ein Fest bei Herodes, als Theokeno im Schlosse war; die Säle waren erleuchtet, es waren allerlei Weltleute und auch frech aufgeputzte Weiber bei ihm. Die Fragen Theokenos nach einem neugeborenen König bestürzten ihn sehr, und er ließ sogleich alle Hohenpriester und Schriftgelehrten zu sich berufen. Ich sah sie vor Mitternacht mit Schriftrollen zu ihm kommen. Sie hatten ihre Priesterkleider und Brustschilder und Gürtel mit Buchstaben an. Ich sah wohl an zwanzig um ihn. Er fragte sie, wo Christus geboren werden soll; und ich sah, wie sie ihm ihre Rollen vorlegten und mit den Fingern darauf deutend antworteten: zu Bethlehem in Juda; denn, so schreibt der Prophet Michäas: „Du Bethlehem, im Lande Juda, bist nicht die geringste unter den Fürsten in Juda; denn von dir wird der Herrscher ausgehen, welcher mein Volk Israel regieren soll." — Ich sah hierauf, dass Herodes noch mit einigen von ihnen auf dem Dache des Schlosses herumwandelte und vergeblich nach dem Stern forschte, von dem Theokeno gesprochen. Er war in einer eigentümlichen Unruhe, die gelehrten Priester suchten ihn aber auf alle Weise zu beschwätzen, auf das Gerede dieser Könige sei nichts zu halten, denn dieses abenteuerliche Volk sei immer voll Phantastereien mit seinen Sternen; wenn etwas Solches stattgefunden, müßte Herodes und sie am Tempel und in der heiligen Stadt es doch eher wissen.



22.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug der Könige. Sie ziehen über den Jordan. Ankunft vor Jerusalem. Aufnahme in der Stadt. (Teil II)

Der Zug von wohl mehr als 200 Menschen war etwa eine Viertelstunde lang. Schon in Causur hatte sich ein Zug vornehmer Leute, und später hatten sich andere angeschlossen. Die drei Könige saßen auf drei Dromedaren, Kamelen mit zwei Höckern, zwischen allerlei Gepäcken, drei andere Dromedare waren mit Gepäck belastet, und es saßen Führer auf ihnen. Jeder König hatte Viere seines Stammes bei sich; ich bemerkte den Mann der Cuppes und den Azzarias von Atom als Jünglinge darunter, welche ich später als Familienväter bei der Reise Jesu nach Arabien gesehen habe, außer auf ähnlichen Dromedaren saßen die meisten anderen des Zuges auf sehr schnellen gelblichen Tieren mit feinen Köpfen, ich weiß nicht, ob Pferden oder Eseln, sie sahen ganz anders als unsere Pferde aus. Diese Tiere waren bei den Vornehmeren sehr schön gedeckt und aufgezäumt und mit allerlei goldenen Kettchen und Sternchen behängt. Einige ihres Gefolges gingen zu dem Tore und kehrten mit Aufsehern und Soldaten zurück. Ihre Ankunft mit so großem Zuge war zu dieser Zeit, da kein Fest war und sie kein Handelsgeschäfte herführten und auch auf dieser Straße her, ganz ungewöhnlich. Sie erzählten den Fragenden, warum sie kämen. Sie sprachen von dem Sterne und dem neugeborenen Kind. Kein Mensch wollte hier etwas davon verstehen. — Sie wurden dadurch ganz niedergeschlagen und meinten nun gewiss, sie hätten sich geirrt, denn sie fanden da keinen Menschen, der so aussah, als wisse er etwas vom Heil der Welt, denn alle Leute schauten sie ganz verwundert an und konnten nicht begreifen, was sie wollten.
Als die Türhüter aber sahen, wie freundlich sie andringenden Bettlern bedeutendes Almosen gaben, und gehört hatten, dass sie um Herberge ansuchten und alles reichlich bezahlen wollten, auch dass sie mit dem König Herodes zu sprechen verlangten, begaben sich einige derselben in die Stadt zurück, worauf dann noch verschiedene Meldungen, Hin- und Hersendungen, Erkundigungen und Erklärungen von und an die Könige eintraten. Unterdessen sprachen die Könige mit allerlei Leuten, welche sich um sie her gesammelt hatten. Einige wussten ein Gerücht von einem Kinde, das zu Bethlehem geboren sein solle, aber damit könne es nichts sein, seine Eltern seien arme, gemeine Leute; andere verlachten sie, und da sie aus den halben Äußerungen der Leute vernahmen, dass Herodes gar nichts von einem neugeborenen Kinde wisse und dass sie überhaupt nicht viel auf Herodes hielten, wurden sie noch kleinmütiger, denn es bekümmerte sie, wie sie sich in ihrer Angelegenheit gegen Herodes aussprechen sollten. In ihrer Betrübnis aber wurden sie still und beteten, da wuchs ihnen ihr Mut wieder, und sie sprachen zueinander: Der uns durch den Stern so schnell hat herführen lassen, wird uns auch wieder glücklich nach Haus bringen.
Der Zug der Könige in Jerusalem. — Als endlich die Aufseher zurückgekehrt waren, führte man den Zug der Könige noch ein Stück Wegs um die Stadt herum und durch ein Tor in der Nähe des Kalvarienberges hinein. Nicht weit vom Fischmarkt wurden sie mit ihren Lasttieren in ein rundes Gehöfte gebracht, welches mit Ställen und Wohnungen umgeben war und an dessen Eingängen Wachen standen. Die Lasttiere kamen in die Ställe. Sie selbst begaben sich unter Schoppen in die Nähe eines Brunnens in der Mitte des Hofes, wo auch ihre Lasttiere getränkt wurden. — Dieser runde Hof lag an einer Seite an einem Berg an, auf den beiden anderen Seiten war er frei, und Bäume standen vor demselben. — Es kamen nun noch Beamte zwei und zwei mit Fackeln und sahen das an, was die Könige in ihrem Gepäcke hatten. Ich meine, dies waren Zöllner.



21.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug der Könige. Sie ziehen über den Jordan. Ankunft vor Jerusalem. Aufnahme in der Stadt. (Teil I)

Samstag, den 22. Dezember. Der Zug der Könige eilte von Mathanea aus auf gebahntem Weg durch die Nacht. Sie zogen durch keine Stadt mehr, aber längs allen den kleinen Orten, in welchen Jesus am Ende des Juli seines dritten Lehrjahres geheilt, gelehrt und die Kinder gesegnet hat, zum Beispiel Bethabara, wo sie frühmorgens zu der Überfuhrstelle an den Jordan kamen. — Da heute Sabbat war, begegneten sie nur selten einigen Leuten auf dem Wege.
Zug über den Jordan. — Heute früh um 7 Uhr sah ich den Zug der Könige den Jordan überschreiten. Gewöhnlich fuhr man auf einem Rost von Balken über den Fluß, für große schwere Züge aber wurde eine Art von Brücke geschlagen. Dieses pflegten am Ufer wohnende Fährleute gegen Zahlung zu tun, weil diese aber heute am Sabbat nicht arbeiten durften, so besorgten die Reisenden die Überschiffung selbst, und es taten ihnen nur einige heidnische Knechte der Fährleute Handreichung, die auch die Bezahlung empfingen. Der Jordan war gerade nicht breit und voll von Sandbänken. Es wurden Bretter über den Balkenrost gelegt, auf welchem man gewöhnlich überfuhr, und die Kamele darauf gestellt. Auch sah ich, dass man den Teil dieser Art Brücke, den der Zug schon überschritten, wieder vor den Zug hervor lenkte usw., bis er das westliche Ufer erreichte. Es dauerte eine geraume Zeit, bis sie alle glücklich herüber waren.
Abends halb 6 Uhr sagte sie: Jericho haben sie rechts liegen lassen, sie sind in gerader Richtung gen Bethlehem, aber sie wenden sich mehr rechts gegen Jerusalem. Es ziehen wohl an hundert Menschen mit ihnen. Ich sehe dort in der Feme ein Städtchen, das mir bekannt ist, an einem Flüsschen liegen, welches von Jerusalem her von Abend gen Morgen fließt. Durch das Städtchen müssen sie doch wohl gewiss durchziehen. Sie ziehen eine Strecke, das Flüsschen zur Linken habend. Ich sah auf ihrem Wege bald Jerusalem, bald verschwand es wieder, nachdem der Weg stieg oder sank. — Später sagte sie: sie haben das Städtchen doch liegen lassen, sie kamen nicht durch, sie wendeten sich rechts nach Jerusalem.
Der Zug der Könige vor Jerusalem. — Heute, Samstagabend, den 22. Dezember, nach Sabbatschluss sah ich den Zug der heiligen drei Könige vor Jerusalem ankommen. Ich sah die Stadt hoch gegen den Himmel aufgetürmt liegen. Der sie führende Stern war hier schier ganz verschwunden, er schimmerte nur noch klein hinter der Stadt. Die Reisenden waren, je näher sie nach Jerusalem gekommen, je kleinmütiger geworden, denn der Stern war bei weitem nicht mehr so hell vor ihnen, und in Judäa sahen sie ihn nur sehr selten. Sie glaubten auch, in allen Orten alles in großer Freude und Herrlichkeit über das neugeborene Heil zu finden, weswegen sie so weit gereist waren. Da sie aber auch nirgends die geringste Spur von Bewegung deswegen fanden, wurden sie betrübt und unsicher und glaubten, sie hätten sich vielleicht ganz geirrt.



20.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Bethlehem. Anna auf der Reise. Joseph hat die zweite Steuer bezahlt. Annas Ankunft. Freude. (Teil I)

Donnerstag, den 20. Dezember. Heute Abend trat ein Fasttag ein, alle Speise war auf den folgenden Tag bereitet, das Feuer war bedeckt, die Öffnungen verhängt und alles Geräte beiseite geräumt. Anna ist mit ihrem zweiten Manne und Marias älterer Schwester und einer Magd zur Krippe gekommen. Ich sah schon in den letzten Tagen Anna auf der Reise. Dieser Besuch sollte in der Krippenhöhle schlafen, darum ist die heilige Familie wohl in die Seitenhöhle gezogen, der Esel ist jedoch zurückgeblieben. Ich habe heute gesehen, wie Maria ihrer Mutter das Kindlein in die Arme legte, sie war tief gerührt. Anna hatte Decken, Tücher und Esswaren mitgebracht.
Die Magd Annas war seltsam gekleidet. Ihre Haarflechten hingen ihr in einem Netze bis zum Gürtel nieder, ihr kurzer Rode ging nur bis zu den Knien. Ihr Mieder schloss anliegend schnack mit einer Spitze um die Hüften und war hoch um die Brust fest, doch so, als könne man etwas dahinter verbergen. Sie hatte einen Korb anhängen. Der alte Mann war sehr scheu und demütig. Anna schlief, wo Elisabeth geschlafen, und Maria erzählte ihr, wie jener, alles mit großer Innigkeit. Anna weinte mit der heiligen Jungfrau, und dies alles ward von Liebkosungen des Jesuskindes unterbrochen.
Freitag, den 21. Dezember. Ich sah die heilige Jungfrau heute wieder in der Krippenhöhle und das Jesulein wieder in der Krippe liegen. Wenn Joseph und Maria allein bei dem Kindlein sind, sehe ich oft, wie sie es verehren; so sah ich auch jetzt die Mutter Anna mit der heiligen Jungfrau fromm gebückt bei der Krippe stehen und das Jesulein mit großer Andacht und Innigkeit anschauen. Ich weiß jetzt nicht recht bestimmt, ob die Begleiter der heiligen Anna in der anderen Höhle schliefen oder wieder fort waren, ich meine fast, sie sind fort. — Ich sah heute, dass Anna der Mutter und dem Kinde mancherlei mitgebracht hat, Decken und Binden. Maria hat, seit sie hier ist, schon vieles empfangen; es bleibt aber doch alles ganz ärmlich um sie her, weil sie alles, was irgend entbehrlich ist, gleich wieder weggibt. Ich hörte sie auch Anna erzählen, dass die Könige aus dem Orient bald kommen und große Geschenke bringen würden, und wie dieses Aufsehen erregen könne. — Ich glaube, Anna wird, während die Könige hierher kommen, drei Stunden von hier zu ihrer Schwester gehen und später wiederkommen.
Samstag, den 22. Dezember. — Heute Abend, nach dem Schluss des Sabbats, sah ich Anna mit ihrer Begleitung auf eine Zeitlang von der heiligen Jungfrau hinwegreisen. Sie begab sich drei Stunden weit von hier, in den Stamm Benjamin, zu einer jüngeren, dort verheirateten Schwester. Ich weiß den Namen des Örtchens jetzt nicht, der nur aus mehreren Häusern und einem Felde besteht. Er liegt aber eine halbe Stunde von dem letzten Herbergsorte der heiligen Familie auf der Reise gen Bethlehem, wo die Verwandten Josephs wohnten. — Sie übernachteten dort vom 22. auf den 23. November.



19.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Bethlehem. Anna auf der Reise. Joseph hat die zweite Steuer bezahlt. Annas Ankunft. Freude. (Teil I)

Mittwoch, den 19., bis Samstag, den 22. Dezember.
Abends am 19. sah ich Anna mit ihrem zweiten Mann, Maria Heli und einer Magd und einem Knecht nebst zwei Eseln unweit von Bethanien auf der Reise nach Bethlehem übernachten. Joseph ist bereits mit seinen Anordnungen in der Krippe und den Seitenhöhlen fertig, teils, um seine Gäste von Nazareth zu beherbergen, teils, die Könige zu empfangen, deren Ankunft Maria neulich, als sie in Causur waren, vorausgesehen. Joseph und Maria waren mit dem Jesuskindlein in die andere Höhle gezogen. Die Krippenhöhle war ganz ausgeräumt. Ich sah den Esel allein darin zurückgelassen. Selbst die Feuerstelle, die Zurichtung zur Speisebereitung, war heraus.
Joseph hat, wie ich mich erinnere, schon vor einiger Zeit die zweite Steuer bezahlt. Es waren schon wieder viele Neugierige von Bethlehem bei Maria, das Kind zu sehen. Von einigen ließ es sich ruhig nehmen, von anderen wendete es sich weinend ab.
Ich sah die heilige Jungfrau sehr ruhig in der neuen Wohnung, die nun recht bequem eingerichtet war. Ihr Lager war an der Wand. Das Jesuskind lag neben ihr in einem länglichen, von breitem Bast geflochtenen Korbe, der ein Verdeck über dem Kopfe hatte und auf einem Gestelle in Gabeln ruhte. Ihr Lager nebst dem Wiegenkorbe Jesu war von dem übrigen Raum durch eine Flechtwand abgesondert. Bei Tage, wenn sie nicht allein sein wollte, saß sie vor dieser Abscheidung und hatte das Kind neben sich. Die Ruhestelle Josephs war an einer entfernten Seite der Höhle ebenso abgesondert. Auf einer Stange, die aus der Wand reichte, stand ein Topf, worin eine Lampe brannte, solcher Höhe, dass das Licht über beide Scheidewände leuchtete. Ich sah, dass Joseph ihr etwas Speise in einer Schale, ein Krüglein und Wasser brachte.



18.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug der Könige. Ankunft in Manathea (?). Länge der Verheißung des Sterns.
(Teil III)

Ich hörte sie erzählen, wie weit sie bis hierher von ihrem Sammelplatz gereist seien. Sie rechneten mit Tagreisen zu Fuß, welche sie zu 12 Stunden annahmen. Sie legten aber auf ihren Tieren, welche Dromedare waren und schneller als Pferde liefen, Tag vor Tag, die Nacht und die Ruhestunden mit eingerechnet, 36 Stunden zurück. So konnte der entfernteste König seine fünfmal 12 Stunden bis zum Sammelplatz in zwei Tagen und die minder entfernten ihre dreimal 12 Stunden in einem Tage und einer Nacht zurücklegen. Von diesem Sammelplatz bis hierher hatten sie 672 Stunden, und dazu hatten sie von Christi Geburt bis jetzt, die Rasttage eingerechnet, etwa 25 Tage und Nächte gebraucht.
Donnerstag, den 20., und Freitag, den 21. Dezember. Diese beiden Tage rastete der Zug der Könige hier, und ich hörte in diesen Tagen ihre Mitteilungen. Am Freitagabend dem 21., als der hier wohnenden Juden Sabbat begonnen und diese auf einer Brücke über ein Wasser westlich nach der Synagoge eines kleinen Judenörtchens gezogen waren, rüsteten die Könige sich zum Aufbruch und beurlaubten sich. — Wenn ich gleich beobachtete, dass die Einwohner manchmal den Stern betrachteten, der die Könige führte, wenn er sichtbar war, und große Verwunderung dabei äußerten, so wurden sie darum doch nicht ehrerbietiger. Diese unverschämten, zudringlichen Menschen bedrängten die Könige mit ihren Forderungen wie Wespenschwärme, und diese teilten immer geduldig dreieckige gelbe Stückchen wie Goldbleche und auch dunklere Körner unter sie aus. Sie mussten doch sehr reich sein. Sie zogen hierauf, von den Einwohnern geführt, außen um die Mauer der Stadt, in welcher ich Götzenbilder auf Tempeln stehen sah, überschritten dann die Brücke des Flusses und zogen durch das jüdische Örtchen. So zogen sie eilends fort auf guter Straße gegen den Jordan zu. Sie hatten von hier wohl noch 24 Stunden bis nach Jerusalem.



17.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug der Könige. Ankunft in Manathea (?). Länge der Verheißung des Sterns.
(Teil II)

In der Gegend von Heliopolis nun hatten mehrere ihrer Anführer zu gleicher Zeit eine Offenbarung durch die Erscheinung eines Engels, der sie weiterzuziehen verhinderte. Er verkündete ihnen von einem Heiland, der aus einer Jungfrau sollte geboren und von ihren Nachkommen verehrt werden. Ich weiß nicht mehr, wie es damit zusammenhing, dass sie nicht weiter vordringen, sondern nach Hause ziehen und die Sterne beobachten sollten. Ich sah sie hierauf in Ägypten Freudenfeste anstellen, sie bauten Triumphbogen und Altäre, schmückten sie mit Blumen und zogen dann wieder nach Haus. Sie waren Sterndiener und medische Leute, ungemein groß, fast wie eine Art Riesen, von sehr edler Statur und einer schönen, gelblich braunen Farbe. Sie zogen mit ihren Herden von einem Orte zum anderen und herrschten, wo sie wollten, durch ihre große Gewalt. Ich habe den Namen des Hauptpropheten unter ihnen vergessen. Sie hatten viele Weissagungen und allerlei Zeichen durch Tiere. Oft legten sich ihnen auf ihren Zügen plötzlich Tiere in den Weg und streckten die Beine weit von sich und ließen sich eher totschlagen, als dass sie weggegangen wären. Das war ihnen ein Zeichen, und sie wichen von diesen Wegen. Diese Medier, aus Ägypten kehrend, erzählten die Könige, haben zuerst die Prophezeiung gebracht, und nun begann die Beobachtung der Sterne, und als sie verfallen, ward sie durch einen Schüler Bileams und 1000 Jahre nach diesem durch die drei prophetischen Töchter der drei Stammkönige abermals erneuert; 500 Jahre nach diesem nun, nämlich Jetzt, sei der Stern gekommen, dem sie jetzt folgten, den neugeborenen König anzubeten. Alles dieses erzählten sie den neugierigen Zuhörern mit großer Kindlichkeit und Aufrichtigkeit und waren betrübt, dass diese gar nicht zu glauben schienen, worauf ihre Vorfahren schon seit 2000 Jahren so geduldig geharrt. Der Stern war abends von Nebel bedeckt, als er aber in der Nacht ganz klar und groß zwischen ziehenden Wolken wieder erschien, als stehe er der Erde sehr nahe, liefen sie sogleich aus dem Lager und weckten die umwohnenden Einwohner und zeigten ihnen den Stern. Die Leute gafften ganz verwundert und teils mit Rührung gegen den Himmel, viele aber ärgerten sich an den Königen, und die meisten suchten nur auf alle Weise von ihrer Freigebigkeit Nutzen zu ziehen.



16.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Zug der Könige. Ankunft in Manathea (?). Länge der Verheißung des Sterns.
(Teil I)

Mittwoch, den 19., bis Freitag, den 21. Dezember.
Mittwoch, den 19. Heute abend sah ich den Zug der Könige wohl an 200 Menschen stark, so viel nachziehendes Gesindel hatte ihre Freigebigkeit herbeigelockt, diesseits des überschrittenen Flusses sich von Osten her jener Stadt nahen, bis zu deren Westseite Jesu in seinem zweiten Lehrjahre am 31. Juli gewandelt ist, ohne jedoch hineinzugehen. Der Name der Stadt klang wie Manathea, Metanea, Medana oder Madian. — Es wohnten hier Heiden und Juden gemischt, die Leute waren bös, wenngleich eine Landstraße durch den Ort führte, so wollten sie den Zug doch nicht durchlassen. Sie führten den Zug gleich vor der Ostseite der Stadt in einen Mauerumfang, wo Schoppen und Ställe waren. Hier schlugen die Könige sich Zelte auf und ließen ihre Tiere tränken und füttern und bereiteten sich Speise.
Donnerstag, den 20., Freitag, den 21., sab ich die Könige hier rasten, aber sie waren sehr betrübt, weil hier, wie auch in der vorigen Stadt, niemand etwas von dem neugeborenen König wissen wollte, dennoch hörte ich, wie sie den Einwohnern mit großer Freundlichkeit vieles von der Ursache ihres Zuges und der Weite des Wegs und allen ihren Umständen erzählten; was ich mich davon entsinne, ist folgendes:
Die Verkündigung des neugeborenen Königs hatten sie schon sehr lang. Ich meine, es muss nicht lange nach Hiob und ehe Abraham nach Ägypten zog, gewesen sein, da war eine Schar von etwa 3000 medischen Leuten aus dem Lande Hiobs (sie lebten aber auch in anderen Gegenden) auf einem Kriegszug nach Ägypten bis in die Gegend von Heliopolis gekommen. Ich weiß nicht mehr bestimmt, warum sie so weit vorgedrungen waren, aber es war ein Kriegszug, ich glaube, sie kamen, jemand zu helfen; jedoch war ihr Zug nicht gut, er ging gegen etwas Heiliges, ob gegen heilige Menschen oder gegen ein Religionsgeheimnis, das zur Erfüllung der Verheißung gehörte, weiß ich nicht mehr.



15.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Bethlehem. Schluss des Tempelweihfestes. Zudrang zur Krippe.

Freitag, den 14., bis Dienstag, den 18. Dezember.
Mit dem Sabbat war das Fest der Tempelweihe geschlossen. Joseph steckte die kleinen Lichter nicht mehr an. Sonntag, den 16., und Montag, den 17., kamen wieder mehrere Leute aus der Gegend zu der Krippe. Auch ließen sich die ungestümen Bettler an dem Eingang spüren. Es war, weil die Leute jetzt vom Feste zurückkehrten. Am 17. kamen zwei Leute von Anna mit Nahrungsmitteln und Geräte. Maria ist aber mit Austeilen noch viel schneller als ich. Es ward bald alles wieder weggeschenkt. — Ich sehe auch, dass Joseph anfängt, mancherlei in der Krippenhöhle, den Seitenhöhlen und auch in der Grabhöhle Marahas zu ordnen und zu räumen. Er hat Vorräte dahin gebracht. Sie erwarteten Annas Besuch und nach der Anschauung Marias die Ankunft der Könige bald. Zug der Könige. Montag, den 17. Dezember. — Ich sah den Zug der Könige heute spät abends in einer kleinen, zerstreut liegenden Stadt ankommen. Viele der Häuser waren mit hohen, geschlossenen Zäunen umgeben, es schien mir dies der erste jüdische Ort. Sie waren hier eigentlich in gerader Linie mit Bethlehem, aber sie nahmen ihren Weg doch rechts ab, vermutlich, weil die Straße nicht anders ging. Als sie in diesen Ort kamen, sangen sie besonders schön und laut und waren ganz freudig, denn der Stern schien hier ungemein hell, und es war hier wie Mondschein, so dass man deutlich die Schatten sehen konnte. Jedoch schienen die Einwohner entweder den Stern nicht zu sehen oder keinen besonderen Anteil daran zu nehmen.
Die Leute waren sonst gut und ungemein dienstfertig. Einige der Reisenden waren abgestiegen, und die Einwohner waren ihnen behilflich, die Tiere zu tränken. Ich dachte hier noch an Abrahams Zeiten, wie da alle Menschen so gut und hilfreich waren. Viele Einwohner führten den Zug, Zweige tragend, durch die Stadt und gingen ein Stück Wegs mit ihnen. Ich sah den Stern nicht immer leuchtend vor ihnen, manchmal ganz dunkel, es war, als scheine er heller, wo gute Leute lebten und wann die Reisenden ihn irgendwo recht hell sahen, so wurden sie besonders bewegt und glaubten, da müsse vielleicht der Messias sein.
Zug der Könige. Dienstag, den 18. Dezember. Heute morgen zogen sie, ohne anzuhalten, um eine dunkle nebelige Stadt und eine Strecke davon über einen Fluss, der sich ins Tote Meer ergießt. (Arnon?) In den zwei letzten Orten blieben viele des angehängten Gesindels zurück. Von einem der beiden letzten Orte hatte ich die nähere Bestimmung, als sei bei einem Streite vor Salomons Regierung jemand dahin geflohen. Über den Fluss zogen sie heute morgen und kamen nun auf eine gute Straße.



14.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Bethlehem. Joseph möchte sich in Bethlehem niederlassen. Annas Besuch naht.

Dienstag, den 11., Donnerstag, den 13. Dezember.
Es ist mir, als habe Joseph Lust nach Maria Reinigung mit ihr in Bethlehem wohnen bleiben zu wollen. Ich meine, er hat sich nach einer Wohnung umgesehen. Vor etwa drei Tagen waren ziemlich vornehme Leute aus Bethlehem in der Krippenhöhle, sie möchten sie jetzt schon gerne in ihr Haus nehmen. Maria verbarg sich vor ihnen in die Seitenhöhle, und Joseph lehnte das Anerbieten ab.
Anna wird bald die heilige Jungfrau besuchen. Ich sah sie in der letzten Zeit so beschäftigt, sie teilte ihre Herden wieder mit den Armen und dem Tempel. Die heilige Familie teilte auch immer alles gleich aus. Das Kirchweihfest ward noch immer abends und morgens gefeiert. Es muss aber am 13. ein neues Fest hinzugekommen sein. Ich sah auch in Jerusalem allerlei am Fest verändern. In vielen Häusern sah ich die Fenster zumachen und verhängen. Ich sah auch einen Priester mit einer Rolle bei Joseph in der Höhle. Sie beteten zusammen an einem rot und weiß behängten Tischchen. Es war, als wolle er sehen, ob Joseph das Fest halte, oder als künde er ihm ein neues Fest an. (Es kam ihr wie ein Festtag vor, doch meinte sie auch, das Neumondfest müsse jetzt eingetreten sein. Sie wusste es nicht recht bestimmt.) Die Krippe war still und unbesucht in den letzten Tagen.



13.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Bethlehem. Joseph feiert das Tempelweihfest. Ein Knecht bringt Geschenke der Mutter Anna.

Sonntag, den 9., Montag, den 10. Dezember.
Gestern, am Sonntag, dem 9., sah ich die Verbinderin nicht mehr zu der Krippe kommen. — Joseph steckt immer abends und morgens seine Kirchweihlichtchen an. Seit das Fest in Jerusalem begonnen, ist es recht ruhig hier.
Montag, den 10.
Heute kam ein Knecht von Mutter Anna. Er brachte der heiligen Jungfrau außer anderem Geräte weiblicher Arbeit, einen Gürtel und ein wunderschönes Körbchen voll Früchte, oben mit lebendigen Rosen geschlossen, welche in die Früchte eingesteckt und ganz frisch waren. Das Körbchen war schlank und hoch, die Rosen waren nicht von unserer Rosen färbe, sondern bleicher, schier fleischfarbig, auch gelbe und weiße, groß und gefüllt, auch Knospen waren daran. Maria schien sich sehr darüber zu freuen und stellte das Körbchen neben sich.
Zug der Könige. Ich habe in den letzten Tagen die Könige öfters in ihrem Zuge gesehen, ihr Weg war gebirgiger, sie kamen über jene Berge, wo oft kleine Steinschalen gleich zerbrochenen Töpfen hegen. Ich möchte immer so gerne davon haben, sie sind so schön glatt. Auch sind Berge da, wo viele weiße, durchsichtige Steine gleich Vogeleiern liegen, auch vieler weißer Sand. — Ich sah sie jetzt in der Gegend, in welcher sie nachmals wohnten, da Jesus sie in seinem dritten Lehrjahre besuchte. Sie waren nicht in jener Zeltstadt selbst, denn die existierte damals noch nicht.



12.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Bethlehem. Die heilige Jungfrau ahnet die Annäherung der heiligen drei Könige.

Mittwoch, den 5., bis Samstag, den 8. Dezember.
Mittwoch, den 5. Dezember. Maria hatte von der Annäherung der heiligen drei Könige ein Gesicht gehabt, während sie bei dem Könige in Causur rasteten. Sie sah auch, dass dieser ihrem Kinde einen Altar errichten wollte. Sie erzählte dieses dem heiligen Joseph und Elisabeth und sagte, dass sie die Krippenhöhle ausräumen und alles zum Empfange der Könige zur gehörigen Zeit zubereiten wollten.
Die Leute, vor welchen Maria sich gestern in die andere Höhle zurückzog, waren neugieriger Besuch, der in den letzten Tagen häufiger kam. — Heute reiste Elisabeth, von einem Diener abgeholt, wieder nach Juta.
Donnerstag, den 6.-—8. Dezember. Es war in diesen Tagen ruhiger in der Krippenhöhle. Die heilige Familie war meist allein. Nur die Magd Marias, eine rüstige, sehr ernste demütige Person von etwa dreißig Jahren, war zugegen. Sie war eine kinderlose Witwe, mit Anna verwandt, die ihr eine Zuflucht bei ihr gegeben. Ihr verstorbener Mann war sehr hart gegen sie gewesen, weil sie so oft zu den Essenern ging; denn sie war sehr fromm und hoffte auf das Heil Israels. Darüber zürnte er, wie böse Männer heutzutage zürnen, denen ihre Frauen zu viel in die Kirche gehen. Er hat sie verlassen und ist gestorben.
Das zudringliche Gesindel, welches an der Krippenhöhle begehrend so geschimpft und gefllucht hatte, kam in den letzten Tagen nicht mehr. Es waren Bettler, welche nach Jerusalem auf das Tempelweihfest der Makkabäer zogen. Dieses Fest fängt eigentlich am 25. Casleu an, da dieser aber im Geburtsjahr Jesu am Freitagabend, dem 7. Dezember, mit dem Sabbat eintrat, so ward es auf den Samstagabend, den 8. Dezember, oder 26. Casleu, verschoben. Es dauert acht Tage.
(Es wäre also am sechsten Tage nach der Beschneidung der 25. Casleu gewesen, diese also am 19. Casleu geschehen, und also wäre der 12. Casleu der Geburtstag Jesu.)
Joseph feiert mit Maria und der Magd den Sabbat unter der Lampe in der Krippenhöhle. — Samstagabend aber begann die Feier des Tempelweihfestes. Joseph hatte an drei Orten der Höhle Leuchter befestigt, auf deren jedem er sieben Lämpchen anzündete. — Es ist jetzt ruhig, der viele Besuch kam von Reisenden zum Fest. — Die Verbinderin kam bis jetzt täglich zu Maria. — Anna sendet manchmal Boten mit Gaben und erhält Nachricht. — Die jüdischen Frauen säugen ihre Kinder nicht lange ohne andere Nahrung, auch das Jesuskind empfing schon nach den ersten Tagen einen Brei aus dem Mark einer Schilfpflanze, welches leicht, süß und nahrhaft ist. — Bei Tage ist der Esel meistens draußen auf der Weide und steht nur nachts in der Höhle.



11.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Verstärkung des Zuges der Könige in Causur

Montag, den 3. bis Mittwoch, den 5. Dezember.
Als die Könige Causur verließen, sah ich, dass sich ein bedeutender Zug von vornehmen Reisenden, welche desselben Weges zogen, an sie anschloss.
Am 3. und 4. Dezember sah ich den Zug über weites Feld hinziehen. Am 5. rasteten sie an einem Brunnen, ohne jedoch abzupacken. Sie tränkten und fütterten ihre Lasttiere und bereiteten sich Speise.
Persönliches. In diesen letzten Tagen sang die gottselige Emmerich abends im Schlaf öfters mehrere kurze Reime in höchst rührenden, fremden Weisen, und um die Veranlassung gefragt, antwortete sie: Ich singe mit den lieben Königen, sie singen so süß mancherlei kurze Sprüche; zum Beispiel:
„Wir wollen über die Berge ziehen und vor dem neuen König knien."
Sie erfinden und singen diese Verse abwechselnd, einer fängt an, und alle anderen wiederholen den von ihm gesungenen Vers; hierauf stimmt ein anderer einen anderen Vers an, und so fahren sie immer unter dem Reiten fort, gar süß und innig zu singen.
In dem Kern des Sterns oder vielmehr der Lichtkugel, welche vor ihnen den Weg zeigend herzog, sah ich die Erscheinung eines Kindes mit einem Kreuze. Diese Lichtkugel war, als sie die Erscheinung der Jungfrau bei Jesu Geburt in den Sternen gesehen hatten, über diesem Bilde hervorgetreten und hatte sich plötzlich leise fortbewegt.
Die Betrachtung wechselt zwischen den Ereignissen in der Krippenhöhle zu Bethlehem und dem Zuge der heiligen drei Könige ab.



10.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Von den Vorfahren der heiligen drei Könige und deren Beobachtung der Gestirne (Teil III)

Sie hielten dieses alles für wirklich. Sie meinten, der König sei in solcher Pracht geboren, und es beugten sich alle Völker vor Ihm; darum kamen sie auch mit ihren Gaben gezogen. Sie hielten das himmlische Jerusalem für Sein Reich auf Erden und glaubten, dahin zu kommen. Den finsteren Weg hielten sie für ihre Reise dahin, oder dem Könige drohe ein Krieg; sie wussten nicht, dass dieses Seinen Leidensweg bedeutete. — Unten auf der Leiter sahen sie (und so auch ich) einen künstlichen Turm auf die Art, wie ich die Türme auf dem Prophetenberg sehe und wie sich in diesem Turme, der viele Eingänge hatte, einmal die Jungfrau in einem Sturm unter einen Vorbau flüchtete, ich weiß nicht mehr, was es bedeutete. (Vielleicht die Flucht nach Ägypten.) Es war eine große Folge von Bildern auf dieser Leiter Jakobs, unter anderen viele Vorbilder auf die heilige Jungfrau, auch manche, die in der lauretanischen Litanei vorkommen, und auch der versiegelte Brunnen, der verschlossene Garten, auch Königsbilder, die sich den Zepter, und andere, die sich Zweige zureichten.
Alle diese Bilder sahen sie der Reihe nach in den Sternen eintreten bei ihrer Erfüllung. In den letzten drei Nächten sahen sie diese Bilder fortwährend. Da sendete der vornehmste von ihnen Boten an die anderen, und als sie das Bild sahen, wie die Könige dem neugeborenen Kinde opferten, machten sie sich mit ihren reichen Gaben auf den Weg und meinten, sie wollten nicht die letzten sein. — Alle Stämme der Sterndiener hatten den Stern gesehen, diese aber allein folgten ihm; der Stern, der vor ihnen ging, war nicht der Komet, sondern ein leuchtender Schein, den ein Engel trug. Bei Tage folgten sie dem Engel. Wegen allem diesem zogen sie mit so vieler Erwartung hin und erstaunten nachher, von allen dem gar nichts zu finden. Wie bestürzt waren sie über Herodes' Empfang und die Unwissenheit aller Menschen von diesen Dingen. Als sie aber nach Bethlehem kamen und statt dem herrlichen Schloss, das sie in dem Sterne gesehen, einen wüsten Keller sahen, befiel sie großer Zweifel; aber sie blieben treu bei ihrem Glauben und erkannten beim Anblick Jesu alles, was sie in den Sternen gesehen, erfüllt. Es waren diese ihre Sternbeobachtungen mit Fasten, Gebet, Gottesdienst und allerlei Enthaltungen und Reinigungen verbunden. Die Gesichte erfolgten nicht durch das Anschauen eines einzelnen Sternes, sondern bei einer Zusammenstellung gewisser Sterne. Dieser Sterndienst übte auch böse Einflüsse auf Leute aus, welche einen Bezug zum Bösen hatten. Solche Leute fielen in ihren Anschauungen in heftige Konvulsionen, und durch solche sind auch die betrübten Kinderopfer aufgekommen, andere aber, zum Beispiel die heiligen drei Könige, sahen die Bilder klar und ruhig in einer süßen Innigkeit und wurden immer besser und frommer.



09.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Von den Vorfahren der heiligen drei Könige und deren Beobachtung der Gestirne (Teil II)

Seit 500 Jahren nun bis jetzt waren immer einzelne dieser Voreltern der Könige auf einem gemeinschaftlichen Gebäude zur Beobachtung der Sterne versammelt, und nach verschiedenen Erkenntnissen, die sie erhielten, ward manches in ihrem Tempel- und Gottesdienst verändert. Leider währte das Menschen- und Kinderopfer noch lange bei ihnen. Alle merkwürdigen und auf die Annäherung des Messias bezüglichen Zeiten wurden ihnen durch wunderbare Gesichte beim Anblick der Gestirne bezeichnet. Ich sah viele derselben während ihrer Erzählung, vermag sie aber nicht klar wieder zu erzählen. Seit der Empfängnis Mariä, seit also 15 Jahren, waren diese Bilder immer bestimmter auf die Annäherung des Kindes zeigend geworden. Zuletzt hatten sie selbst manches gesehen, was auf die Leiden Jesu deutete.
Sie konnten die Ankunft des Sternes aus Jakob, den Balaam prophezeit hatte (Num 24,17), gar gut berechnen, denn sie hatten die Leiter Jakobs gesehen, und nach der Anzahl der Stufen und der Folge der auf denselben erscheinenden Bilder konnten sie, wie an einem Kalender, die Nähe des Heils genau berechnen. Denn das Ende der Leiter führte zu diesem Stern, oder er war das äußerste Bild auf derselben. Sie sahen die Leiter Jakobs als einen Stamm, in welchen rings drei Reihen von Sprossen eingezapft waren, auf welchen sich eine Folge von Bildern zeigte, die sie bei ihrer Erfüllung in dem Sterne erscheinen sahen. So aber wussten sie genau, was nun immer für ein Bild folgen musste, und erkannten auch nach den Zwischenräumen, wie lange zu warten sei.
Sie hatten zur Zeit von Mariä Empfängnis die Jungfrau mit Zepter und gleichstehender Waage gesehen, worin Weizen und Trauben. Etwas unter ihr sahen sie die Jungfrau mit dem Kinde. Bethlehem sahen sie als ein schönes Schloss, ein Haus, worin viel Segen gesammelt und ausgeteilt ward. Hierin sahen sie die Jungfrau mit dem Kinde von großem Glänze umgeben und wie viele Könige sich vor Ihm beugten und Ihm opferten. — Sie sahen auch das himmlische Jerusalem und zwischen jenem Hause und diesem eine finstere Straße, voll Dornen, Kampf und Blut.



08.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Von den Vorfahren der heiligen drei Könige und deren Beobachtung der Gestirne (Teil I)

Die Ureltern der Könige stammten von Hiob ab, der damals auf dem Kaukasus lebte und auch noch andere Landstriche in der Ferne besaß. Ungefähr 1500 Jahre vor Christi Geburt war nur noch ein Stamm von ihnen da. Der Propeht Balaam war dort aus der Gegend, und einer aus seinen Schülern verbreitete daselbst dessen Prophezeiung: Es werde ein Stern aus Jakob aufgehen, und lehrte darüber. Diese Lehre fand dort eine große Aufnahme; sie bauten einen hohen Turm auf einem Berg, und viele weise Männer und Sternkündiger wohnten abwechselnd dort. Ich habe den Turm gesehen, er war selbst wie ein Berg, unten breit und oben spitz. Ich sah auch die Löcher darin, wo sie wohnten. Alles, was sie in den Sternen erkannten, wurde aufgemerkt und von Mund zu Mund gelehrt. Mehrmals kam doch diese Beobachtung durch allerlei Ereignisse in Verfall.
Nachher kamen sie in den abgöttischen Greuel, dass sie Kinder opferten, auf dass das verheißene Kind doch bald kommen möge. Ungefähr 500 Jahre vor jetzt, das heißt vor Christi Geburt, war die Beobachtung auch im Verfall. Es bestand aber damals dieses Geschlecht in drei Stämmen durch drei Brüder, diese wohnten getrennt mit ihren Geschlechtern, und sie hatten drei Töchter, welchen Gott einen prophetischen Geist gab, so dass sie zugleich in langen Mänteln im Lande umherwandelten und von dem Stern und Kinde aus Jakob weissagten und lehrten. Da ward die Beobachtung der Sterne und das Verlangen nach dem Kinde bei den drei Stämmen wieder lebhaft erneuert. Von diesen drei Brüdern stammten die heiligen drei Könige ungefähr seit 500 Jahren durch 15 Geschlechter in gerader Linie ab, sie sind aber durch Vermischung mit anderen Menschenstämmen jetzt verschiedenfarbig geworden.



07.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nachtzug der Könige
(Teil II)

Freitag, den 30. November, sah ich den Zug nachts auf dem Felde an einem Brunnen halten. Ein Mann aus einer Hütte, deren mehrere in der Nähe waren, schloss ihnen den Brunnen auf. Sie tränkten die Lasttiere und erquickten sich, ohne abzupacken, durch eine kurze Rast.
Samstag, den 1. Dezember, sah ich den Zug der Könige, deren Weg gestern ansteigend ging, nun auf einer höheren Fläche. Zu ihrer Rechten war Gebirge, und es schien mir, als näherten sie sich, wo der Weg sich wieder senkt, einer Gegend, in welcher öfters Wohnungen, Bäume und Brunnen zwischen denselben am Wege lagen. Es schien mir die Gegend jener Leute zu sein, welche ich voriges Jahr und neulich Baumwolle spinnen und weben sah. Sie hatten die Fäden zwischen den Bäumen ausgespannt und flochten breite Decken daraus. — Sie beteten Ochsenbilder an und reichten dem vielen Gesindel, das dem Zuge der Könige folgte, freigebig Speise, aber brauchten die Schüsseln nicht mehr, aus denen jene gegessen hatten, worüber ich mich wunderte.
Sonntag, den 2. Dezember, sah ich die heiligen drei Könige in der Nähe einer Stadt, deren Name mir mit dem Klange Causur erinnerlich ist und die aus Zelten auf Steinfundamenten erbaut war, bei einem anderen Könige rasten, dem diese Stadt gehörte, und dessen Zeltschloss in kleiner Entfernung vor ihr lag. Sie hatten seit ihrem Zusammentreffen in jener zertrümmerten Stadt 53 oder 63 Stunden Wegs bis hierher zurückgelegt. Sie erzählten dem Könige von Causur alles, was sie in den Sternen gesehen.
Er war sehr verwundert und schaute durch ein Rohr nach dem Sterne, der sie führte, und sah ein Kindchen mit einem Kreuze darin. Er bat sie hierauf, sie möchten ihm bei ihrer Rückkehr alles berichten, so wolle er dem Kinde auch Altäre aufrichten und Ihm opfern. Ich bin nun begierig, wenn sie wiederkommen, ob er auch Wort halten wird. Ich hörte sie im Gespräche mit ihm die Entstehung ihrer Sternbeobachtung erzählen und erinnere mich noch folgendes davon.



06.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Nachtzug der Könige
(Teil I)

29. November bis 2. Dezember.
Vom 29. auf den 30. November, in der Nacht des Donnerstags auf den Freitag, war ich wieder bei dem Zuge der Könige; ich kann nicht genug sagen, wie mich die Ordnung, die andächtige Gemütserhebung und Freude alles ihres Tuns erbaut. Wir ziehen durch die Nacht immer dem Sterne nach, der dort mit einem langen Schweif bis an die Erde rührt. Die guten Männer schauen immer so still und freudig nach ihm hin und reden zusammen von ihren Tieren herab. Zuweilen singen sie auch abwechselnd kurze Sprüche. Die Weise ist gar langsam und rührend, bald sehr hoch, bald tief. Es klingt so beweglich in der stillen Nacht, und ich fühle alles, was sie singen. Und in welch schöner Ordnung geht der Zug: immer ein großes Kamel mit Kasten auf beiden Seiten des Buckels, worüber große Teppiche gebreitet sind, und obendrauf sitzt einer der Anführer mit einem Spieße, und ein Sack liegt ihm zur Seite. Dann folgen kleinere Tiere, wie Pferde oder große Esel, und zwischen Päckchen die Männer drauf, welche zu diesem Anführer gehören. Hierauf kommt wieder einer der Vornehmen auf einem Kamel usw. — Diese Tiere schreiten so leise mit großen Schritten und setzen die Füße, als wollten sie nichts zertreten. Ihr Leib ist so ruhig, als würde er wie tot von den Füßen nur so hingetragen, und den Kopf auf dem langen Hals tragen sie so ruhig still ergeben. Auch die Leute tun alles so vor sich hin, als dächten sie gar nicht nach. Es geschieht alles so still und süß hin, alles wie ein ruhiger Traum.
Da muss ich wieder eine gar schöne Betrachtung machen. Diese guten Leute kennen den Herrn noch nicht und ziehen so ordentlich, friedlich und anmutig zu Ihm, und wir, die Er erlöst und mit allen Gnaden überhäuft hat, wie tun wir so verwirrt, wüst und unehrerbietig in unseren Prozessionen!
Ich meine die Gegend, durch welche sie heute Nacht zogen, könne wohl die Gegend zwischen Atom, dem Wohnplatz des Azarias und dem Schlosse jenes Götzendieners sein, wo ich Jesum am Ende Seines dritten Lehrjahres auf der Reise durch Arabien nach Ägypten gesehen habe.



05.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Von der Heimatslage und der Reiselänge der heiligen drei Könige (Teil II)

Theokeno, der Weiße, sah dasselbe Gesicht zu Hause und eilte ihnen mit großer Schnelligkeit nach und traf in der zertrümmerten Stadt mit den beiden anderen zusammen. Ich habe die Größe ihrer Reise bis Bethlehem gewusst, aber teils wieder vergessen, was ich mich ungefähr erinnere, ist: Ihr Weg war etwa 700 und noch eine Zahl Stunden, worin sechs vorkommt, lang. Sie hatten etwa 60 Tagreisen Wegs, jede zu 12 Stunden gerechnet, aber sie legten sie in 33 Tagen bei der großen Schnelligkeit ihrer Lasttiere zurück, indem sie oft Tag und Nacht reisten.
Der Stern, der sie führte, war eigentlich wie ein runder Ball; und es strömte Licht aus ihm nieder wie aus einem Munde (dieser Ausdruck mag ihr naheliegen, weil sie so oft Licht aus dem Munde des Herrn und der Heiligen strömen sieht). — Es war mir immer, als werde dieser Ball, wie an einem Lichtfaden schwebend, von der Hand einer Erscheinung geführt. Bei Tag sah ich einen Lichtkörper heller als der Tag vor ihnen wandeln. Wenn ich die Ferne des Weges betrachte, scheint die Schnelligkeit des Zuges erstaunlich, es haben aber auch diese Tiere einen so leichten und gleichen Schritt, dass ich ihren Zug so geordnet, schnell und gleichmäßig wie den Flug der Zugvögel hinziehen sehe. Die Lage der Heimat der drei Könige bildete ein Dreieck zueinander. Mensor, der Bräunliche, und Sair, der Braune, wohnten näher beisammen, Theokeno, der weißeste, wohnte am fernsten.
Durch Chaldar, wo ich einmal den beschlossenen Garten im Tempel gesehen, sind sie, glaube ich, schon durchgezogen. Die ferne Stadt des Theokeno ist nur am Boden von Steinen erbaut, oben drauf ist alles von Gezeiten. Es ist auch Wasser umher. Sie scheint mir wohl so groß wie Münster.
Als der Zug bis gegen Abend hier gerastet hatte, halfen ihnen die Leute, die sich an sie geschlossen hatten, ihr Gepäck wieder auf die Lasttiere verteilen und schleppten dann allerlei, was sie zurückließen, mit sich nach Hause. — Es war gegen Abend, als sie aufbrachen. — Der Stern war sichtbar und hatte heute eine rötliche Farbe wie der Mond bei windigem Wetter.
Der Lichtschweif war bleich und lang. Sie gingen noch eine Strecke neben ihren Tieren zu Fuß mit bedecktem Kopf und beteten. Der Weg war hier so, dass man nicht geschwind fort konnte; hernach, wo es eben wurde, stiegen sie auf die Tiere, welche einen sehr schnellen Gang hatten. Manchmal gingen sie langsam, und dann sangen sie alle ungemein rührend durch die Nacht.



04.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Von der Heimatslage und der Reiselänge der heiligen drei Könige (Teil I)

Ich erfuhr heute vieles von den heiligen Königen, auch die Namen ihrer Länder und Städte, aber in meiner gestörten Lage und Hilflosigkeit habe ich schier alles wieder vergessen. — ich will sagen, was ich weiß. — Mensor, der Bräunliche, war ein Chaldäer, seine Stadt hieß ungefähr wie Acajaja. Sie lag,von einem Fluss umgeben, wie auf einer Insel. Er war aber immer auf dem Felde bei seinen Herden. Seir, der Braune, war um Christnacht schon ganz zum Zuge gerüstet bei ihm. Ich erinnere mich bei seinem Ländernamen des Klanges Partherme. (Vielleicht verstümmelt Parthiene oder Parthomaspe.) Etwas höher über ihm lag ein See. Nur er und sein Stamm waren so braun, aber mit roten Lippen, die übrigen Leute umher waren weiß. Es war nur ein Fleck, etwa so groß wie Münster.
Theokeno, der Weiße, war aus einem höher hinauf liegenden Lande, Medien; es lag so wie ein Stück zwischen zwei Meeren hinein, er wohnte in seiner Stadt, deren Namen ich vergessen, sie bestand aus Zeltgebäuden, die auf einer Grundlage von Steinen errichtet waren. Ich meine immer, Theokeno, der am meisten von den Dreien verließ, er war der reichste, hätte einen geraderen Weg gehabt nach Bethlehem und habe, um mit den anderen vereint zu ziehen, einen Umweg machen müssen, ich glaube fast, er hat bei Babylon vorbei gemusst, um zu ihnen zu kommen. Von dem Lager Mensors, des Bräunlichen, wohnte Seir, der Braune, drei Tagreisen, jede zu 12 Stunden gerechnet, und Theokeno fünf solche Tagreisen entfernt. Mensor und Seir waren im Lager des ersteren beisammen gewesen, als sie das Sterngesicht von der Geburt Jesu sahen, und waren am folgenden Tage mit ihrem Zuge aufgebrochen.



03.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Der Zug der heiligen drei Könige rastet an einem Brunnen (Teil II)

Die Stämme waren etwas verschieden in ihrer Kleidung. Theokeno, der Gelbliche, und seine Familie, ebenso Mensor, der Bräunliche, trugen eine hohe buntgestickte Kappe mit einer weißen Binde dick umwunden auf dem Kopf. Ihre Jacken gingen bis über die Waden, sehr einfach, mit wenigen Knöpfen und Verzierungen auf der Brust. Sie waren in leichte, weite und sehr lange Mäntel gehüllt, welche hinten nachschleppten. -— Sair, der Braune, und seine Familie trugen Mützen mit kleinem weißen Wulst und runder, buntgestickter Kappe, worauf noch ein andersfarbiger Batzen. Sie hatten kürzere Mäntel, jedoch hinten etwas länger als vorn und Jacken darunter, bis auf die Knie ganz zugeknöpft, auf der Brust mit Schnüren, Flittern und vielen blinkenden Knöpfen, Knopf an Knopf verziert. Auf der einen Seite der Brust hatten sie ein blinkendes Schildchen gleich einem Stern. Alle hatten sie nackte Füße mit Schnüren umflochten, mit welchen die Sohlen anschlossen. Die Vornehmeren hatten kurze Säbel oder große Messer in ihren Gürteln und auch manche Beutel und Büchsen anhängen. Es waren unter den Königen und ihren Verwandten Männer, etwa von fünfzig, vierzig, dreißig und zwanzig Jahren. Einige hatten längere, andere nur kurze männliche Bärte. Die Knechte und Kameltreiber waren viel einfacher gekleidet und manche nur mit einem Stück Zeug oder einer alten Decke. Als die Tiere befriedigt und eingepfercht waren und sie selbst getrunken hatten, machten sie ein Feuer in der Mitte des Schoppens, unter dem sie sich gelagert hatten. Das Holz dazu bestand aus etwa zweieinhalb Schuh langen Splittern, welche die armen Leute aus der Gegend in sehr ordentlichen Bündeln herbeigebracht, als hätten sie dergleichen schon vorrätig für Reisende. Die Könige machten einen dreieckigen Scheiterhaufen und legten rings um ihn Splitter in die Höhe, auf der einen Seite war eine Öffnung zum Luftzug gelassen, es war sehr geschickt gelegt. Wie sie aber Feuer machten, weiß ich nicht recht, ich sah, dass einer ein Holz in einem anderen, wie in einer Büchse, eine kleine Zeit drehte und dass er es dann brennend herauszog. So zündeten sie ein Feuer an, und ich sah sie nun einige Vögel schlachten und braten.
Die drei Könige und Ältesten taten jeder in seinem Stamm wie ein Hausvater, sie zerteilten die Speise und legten vor. Sie legten die zerschnittenen Vögel und kleinen Brote auf kleine Schalen oder Teller, welche auf einem niederen Fuß standen, und reichten sie umher; ebenso füllten sie die Becher und gaben jedem zu trinken. — Die niederen Knechte, unter welchen Mohren sind, liegen an einer Seite des Mahles auf einer Decke auf der Erde und warten ganz geduldig und bekommen auch ihr richtiges Maß. Ich meine, es sind Sklaven.
Oh, wie rührend ist die Gutmütigkeit und kindliche Einfalt dieser lieben Könige! Sie geben den Leuten, die ihnen zugelaufen sind, von allem, was sie haben, ja sie halten ihnen die goldenen Gefäße an den Mund und lassen sie daraus trinken wie die Kinder.



02.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Der Zug der heiligen drei Könige rastet an einem Brunnen (Teil I)

Den 28. November.
Eine halbe Tagreise nach der verwüsteten Stadt, worin die vielen Säulen und Steinfiguren standen, glaubte ich mit dem Zuge der heiligen drei Könige erst recht zusammenzutreffen. Es war in einer etwas fruchtbaren Gegend. Man sah hie und da Hirtenwohnungen, von schwarzen und weißen Steinen gemauert, liegen. — Der Zug nahte in der Ebene einem Brunnen, in dessen Nähe sich mehrere geräumige, an der Seite offene Schoppen befanden. Drei standen in der Mitte und mehrere um diese her. Es schien dieses ein gewöhnlicher Ruheplatz für ähnliche Züge. Ich sah den ganzen Zug in drei Scharen bestehen; bei jeder dieser Schar befanden sich fünf Vornehmere, unter denen einer das Haupt oder der König war, der wie ein Hausvater auch alles besorgte, befahl und verteilte. Jeder dieser drei Haufen bestand aus Menschen von einer verschiedenen Gesichtsfarbe. Der Stamm Mensor war von angenehm bräunlicher Farbe. Der Stamm Sairs war braun, jener Theokenos aber von schimmernder gelblicher Farbe. Von glänzendem Schwarz sah ich keine, außer einigen Sklaven, deren sie alle hatten. Die Vornehmen saßen auf ihren hochbepackten Tieren zwischen Bündeln, welche mit Teppichen überdeckt waren. Sie hatten Stäbe in der Hand. Ihnen folgten andere Tiere, fast wie Pferde so groß, worauf Diener und Sklaven zwischen Gepäck ritten. — Angekommen, stiegen sie ab, packten die Tiere ganz ab und gaben ihnen an dem Brunnen zu trinken. Der Brunnen war mit einem kleinen Wall, worauf eine Mauer mit drei offenen Eingängen, umgeben. In diesem Raum war der Wasserbehälter, der etwas niedriger lag und einen Brunnenstock mit drei durch Zapfen geschlossenen Wasserröhren hatte. Der Behälter war mit einem Deckel geschlossen. Es war ein Mann aus der wüsten Stadt mitgegangen, welcher den Wasserbehälter gegen eine Abgabe aufschloß. Sie hatten lederne Gefäße, die man ganz platt zusammenlegen konnte, in vier Fächer geteilt, welche sie mit Wasser füllten und woraus immer vier Kamele zugleich tranken. Sie waren auch mit dem Wasser so vorsichtig, dass kein Tropfen verlorengehen durfte. Dann wurden die Tiere in eingezäunte unbedeckte Räume, die dem Brunnen zunächst lagen, einge stellt, und der Stand eines jeden war vom anderen durch eine Trennung geschieden. Sie hatten steinerne Tröge vor sich, in welche ihnen ein Futter geschüttet wurde, welches sie bei sich führten. Es bestand aus Körnern so groß wie Eicheln (vielleicht Bohnen). Unter dem Abgepackten befanden sich auch große viereckige Vogelkörbe, schmal und hoch, welche unter den breiteren Packen an den Seiten der Tiere hingen; darin saßen einzeln und paarweise nach verschiedener Größe Vögel, ungefähr wie Tauben oder Hühner groß. Sie brauchten sie zur Nahrung unterwegs, sie saßen in getrennten Räumen- In ledernen Kisten hatten sie Brote von gleicher Größe wie einzelne Tafeln dicht nebeneinander gepackt, da brachen sie immer so viel heraus, wie sie brauchten. Sie hatten sehr kostbare Gefäße bei sich von gelbem Metall und auch mit Zieraten von Edelsteinen besetzt, fast ganz in der Gestalt unserer Kirchengefäße wie Kelche, Schiffchen und Schalen, aus denen sie tranken und auf welchen sie die Speise herumreichten. Die Ränder dieser Gefäße waren meist mit roten Edelsteinen besetzt.



01.01.2022

Das Leben der heiligen Jungfrau Maria

Gesichtsfarbe und Namen der heiligen drei Könige

Ich sah nun die heiligen drei Könige beisammen. Der letzte hier hinzugekommene war der entfernteste, Theokeno, von schöner gelblicher Gesichtsfarbe; ich erkannte ihn als jenen wieder, der krank in seinem Zelt lag, als zweiunddreißig Jahre später Jesus die Könige in ihrer Niederlassung, näher bei dem gelobten Lande, besuchte. — Jeder der drei Könige hat vier nahe Verwandte oder Freunde seiner Familie bei sich, so dass mit den Königen überhaupt fünfzehn vornehmere bei dem Zuge sind, welchem eine Menge von Kameltreibern und Knechten folgen. Unter mehreren Jünglingen des Gefolges, welche bis zum Gürtel schier ganz nackt sind und ungemein flink springen und laufen können, erkenne ich jenen Eleasar als Jüngling, der später ein Märtyrer geworden und von welchem ich eine Reliquie besitze. Am Nachmittage nochmals von ihrem Beichtvater um die Namen der heiligen drei Könige gefragt, antwortete sie: „Mensor, der bräunliche, empfing nach Christi Tod in der Taufe von dem heiligen Thomas den Namen Leander, Theokeno, der gelbliche, alte, welcher bei Jesu im Lager Mensors in Arabien krank war, wurde vom heiligen Thomas Leo getauft. Der Braune, der bei Jesu Besuch schon gestorben war, hieß Seir oder Sair." -— Ihr Beichtvater fragte sie: „Wie ist dann dieser getauft worden?" — Sie ließ sich aber nicht irremachen und sprach lächelnd: „Er war ja bereits tot und hatte die Taufe der Begierde." — Der Beichtvater sagte nun: „leb habe aber diesen Namen mein Lebtag nicht gehört, wie kommen sie denn zu den Namen: Kaspar, Melchior, Balthasar?" — Da erwiderte sie: „Ja, sie haben sie so genannt, weil sich das so zu ihrem Wesen reimt; denn diese Namen heißen: „1. Er geht mit Liebe. — 2. Er schweift drum her, er geht mit Schmeicheln, er geht so sanft nähernd dazu. — 3. Er greift mit seinem Willen schnell zu, er greift mit seinem Willen in Gottes Willen schnell zu." Sie sagte dieses mit großer Freundlichkeit und drückte den Inhalt der drei Namen mit der Bewegung ihrer Hand vor sich auf der Bettdecke pantomimisch aus. Inwiefern in jenen drei Worten dergleichen verstanden werden kann, bleibt der Forschung der Sprachkundigen auszumitteln.